das etwas zum Verständnis des Malers beitrug, ist das schon erwähnte von De
Rinaldis. Es ist wirklich merkwürdig, daß Rolfs, der in seiner Geschichte der
Malerei Neapels nur das über Cavallino wiederholt, was die alten Schriftsteller
über ihn berichteten, vergißt, diese grundlegende Arbeit zu nennen.1)
De Dominici bezeichnet den Künstler als einen Nachahmer Agostino Carraccis
und als einen Schüler des Massimo Stanzioni und Andrea Vaccari fügt hinzu: „pro-
fitto molto studiando le pitture di Guido, alle quali uni la bella e viva maniera del
Rubens, mischiando anche a questa maniera la perfettissima di Tiziano, del quale
aveva Bernardo copiato una Venere."
Eine genaue Untersuchung seiner Werke beweist, daß De Dominici, obgleich er
nicht buchstäblich recht hat, wenn er Cavallino mit Guido und Tizian zusammen
nennt, doch seine Haupteigentümlichkeiten erkannt hat, indem er ihn bezeichnet als
einen Maler, der jederzeit bereit war, die verschiedenartigsten Einflüsse aufzu-
nehmen und auf seine Abstammung von der flämischen Schule hinweist. Trotzdem
darf man in Cavallino nicht einen der allerpersönlichsten und unabhängigsten Maler
jener großen seicentistischen neapolitaner Schule verkennen. Diese hat sich zwar
unter Einflüssen aus allerlei Landen aufgebaut, sich aber trotzdem eine bewunderns-
werte Eigenart geprägt. Die Samenkörner aus dem Ausland trugen in Neapel nur
gute Frucht, wenn sie den Neigungen und dem Temperament der eingeborenen
Künstler entsprachen. So erweckte die Einwanderung von Raffael- und Michel-
angelo-Nachahmungen nur blaße Meister, die wie Sabbatini und Santafede, wo-
möglich noch langweiliger und manirierter ausfielen als ihre Kollegen in anderen
italienischen Schulen.
Die neapolitaner Malerei großen Stils wurde nicht eher geboren, als bis die
Künstler, nachdem sie alle Bande der Überlieferung und alle schulmäßigen Fesseln
gebrochen hatten, der eignen Kraft gewiß, es wagten, ihrer lebhaften Phantasie
freien Lauf zu lassen und nach ihrer Eigenart zu schaffen, ohne jedoch die lehr-
reichen Einflüsse des Auslandes zu verachten. Als die Neapolitaner einmal ihren
Weg gefunden hatten, zeigten sie sich auch fernerhin fremden Beeinflussungen
geneigt, gestalteten sie jedoch immer nach ihrer Eigenart um.
Die wundervollen Malereien Massimo Stanzionis und Andrea Vaccaros genügen
allein, um zu zeigen, daß die neapolitaner Kunst einen Weg eingeschlagen hat, auf
dem sie sich sicher ohne fremde Stützen fortentwickeln konnte, in einer Richtung,
die gleichzeitig Zusammenhänge mit vielen der besten italienischen Maler her-
stellte. Der heilige Bruno unter den Mönchen in S. Martino, ein Gemälde, das
in jeder Hinsicht bewundernswert ist, zeigt uns, wie der Stanzioni es verstanden
hat, die realistische Auffassung zu mildern, durch eine Feinheit des Empfindens
und eine Würde der Darstellung, die, wie Voß -) richtig beobachtete, einem Quattro-
centisten Ehre gemacht hätte.
Diesem so formsicheren, gefühlsstarken Meister steht der kalte Naturalismus
Giuseppe Riberas gegenüber, der, obgleich in der Form Italiener, durch seinen
religiösen Fanatismus sich doch immer als Spanier zu erkennen gibt. Bernardo
Cavallino vereint mit der Vollkommenheit in Form und Empfindung eines Stanzioni
große koloristische Vorzüge, die er besonders den Venezianern und den Flamen
verdankt.1)
Unter den Bildern, die De Rinaldis in einem sorgfältigen Verzeichnis beschreibt
(i) Wilhelm Rolfs: Geschichte der Malerei Neapels. E. A. Seemann, Leipzig 1910, pag. 277.
(2) Voß: Charakterköpfe des Seicento. Monatshefte für Kunstwissenschaft. II.
184
Rinaldis. Es ist wirklich merkwürdig, daß Rolfs, der in seiner Geschichte der
Malerei Neapels nur das über Cavallino wiederholt, was die alten Schriftsteller
über ihn berichteten, vergißt, diese grundlegende Arbeit zu nennen.1)
De Dominici bezeichnet den Künstler als einen Nachahmer Agostino Carraccis
und als einen Schüler des Massimo Stanzioni und Andrea Vaccari fügt hinzu: „pro-
fitto molto studiando le pitture di Guido, alle quali uni la bella e viva maniera del
Rubens, mischiando anche a questa maniera la perfettissima di Tiziano, del quale
aveva Bernardo copiato una Venere."
Eine genaue Untersuchung seiner Werke beweist, daß De Dominici, obgleich er
nicht buchstäblich recht hat, wenn er Cavallino mit Guido und Tizian zusammen
nennt, doch seine Haupteigentümlichkeiten erkannt hat, indem er ihn bezeichnet als
einen Maler, der jederzeit bereit war, die verschiedenartigsten Einflüsse aufzu-
nehmen und auf seine Abstammung von der flämischen Schule hinweist. Trotzdem
darf man in Cavallino nicht einen der allerpersönlichsten und unabhängigsten Maler
jener großen seicentistischen neapolitaner Schule verkennen. Diese hat sich zwar
unter Einflüssen aus allerlei Landen aufgebaut, sich aber trotzdem eine bewunderns-
werte Eigenart geprägt. Die Samenkörner aus dem Ausland trugen in Neapel nur
gute Frucht, wenn sie den Neigungen und dem Temperament der eingeborenen
Künstler entsprachen. So erweckte die Einwanderung von Raffael- und Michel-
angelo-Nachahmungen nur blaße Meister, die wie Sabbatini und Santafede, wo-
möglich noch langweiliger und manirierter ausfielen als ihre Kollegen in anderen
italienischen Schulen.
Die neapolitaner Malerei großen Stils wurde nicht eher geboren, als bis die
Künstler, nachdem sie alle Bande der Überlieferung und alle schulmäßigen Fesseln
gebrochen hatten, der eignen Kraft gewiß, es wagten, ihrer lebhaften Phantasie
freien Lauf zu lassen und nach ihrer Eigenart zu schaffen, ohne jedoch die lehr-
reichen Einflüsse des Auslandes zu verachten. Als die Neapolitaner einmal ihren
Weg gefunden hatten, zeigten sie sich auch fernerhin fremden Beeinflussungen
geneigt, gestalteten sie jedoch immer nach ihrer Eigenart um.
Die wundervollen Malereien Massimo Stanzionis und Andrea Vaccaros genügen
allein, um zu zeigen, daß die neapolitaner Kunst einen Weg eingeschlagen hat, auf
dem sie sich sicher ohne fremde Stützen fortentwickeln konnte, in einer Richtung,
die gleichzeitig Zusammenhänge mit vielen der besten italienischen Maler her-
stellte. Der heilige Bruno unter den Mönchen in S. Martino, ein Gemälde, das
in jeder Hinsicht bewundernswert ist, zeigt uns, wie der Stanzioni es verstanden
hat, die realistische Auffassung zu mildern, durch eine Feinheit des Empfindens
und eine Würde der Darstellung, die, wie Voß -) richtig beobachtete, einem Quattro-
centisten Ehre gemacht hätte.
Diesem so formsicheren, gefühlsstarken Meister steht der kalte Naturalismus
Giuseppe Riberas gegenüber, der, obgleich in der Form Italiener, durch seinen
religiösen Fanatismus sich doch immer als Spanier zu erkennen gibt. Bernardo
Cavallino vereint mit der Vollkommenheit in Form und Empfindung eines Stanzioni
große koloristische Vorzüge, die er besonders den Venezianern und den Flamen
verdankt.1)
Unter den Bildern, die De Rinaldis in einem sorgfältigen Verzeichnis beschreibt
(i) Wilhelm Rolfs: Geschichte der Malerei Neapels. E. A. Seemann, Leipzig 1910, pag. 277.
(2) Voß: Charakterköpfe des Seicento. Monatshefte für Kunstwissenschaft. II.
184