Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Zitierlink:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0290
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EIN JUGENDWERK DES PIER MARIA
PENNACCHI Von DETLEV V. HADELN
Mit vier Abbildungen auf zwei Tafeln . •.•....•...•.......
Mit der Sammlung Solly ist im Jahre 1821 ein venezianisches, quattrocen-
tistisches Halbfigurenbild der Madonna mit dem Kinde in die Berliner Galerie
gekommen (Nr. 49, Pappelholz, h. 0.88: br. 0.67 m). Trotzdem die Tafel, was nie-
mandem entgangen ist, eine Signatur trägt, gelang es nicht den Maler mit einer
bereits bekannten Persönlichkeit zu identifizieren und darum führte bis jetzt das
Bild die vorsichtig allgemein formulierte Benennung „Venezianische Schule um 1500".
(Abb. I.)
Daß nicht schon längst der Maler unseres Bildes festgestellt wurde, hat einmal
in einer palaeographischen Eigentümlichkeit der Signatur seinen Grund, ferner in
dem Umstande, daß es sich um eine stilistisch ganz alleinstehende Jugendarbeit
handelt, von der sich die späteren Werke des betreffenden Künstlers so weit ent-
fernen, daß der Zusammenhang ohne weiteres gar nicht erkennbar ist. Der Zu-
sammenhang läßt sich sogar nur auf Umwegen nachweisen.
Unser Bild ist auf einem Zettel, der vorn an der Brüstung angebracht ist folgender-
maßen bezeichnet: „petrus maria / pinxit" und zwar hat das a am Schluß des
zweiten Vornamens eine in Venedig am Ende des XV. und zu Anfang des XVI. Jahr-
hunderts nicht seltene Form, nämlich die eines o mit einem langen, horizontalen
Endstrich. Der Name lautet also nicht petrus mario, wie man gelesen hat, sondern
petrus maria. Nun ist hiermit allein gewiß noch nicht bewiesen, daß die so bezeich-
nete Madonna gerade dem einen uns bekannten Pier Maria, nämlich dem Pennacchi
gehört; ein Vergleich mit der signierten Pieta (Abb. 4), die sich ebenfalls in der
Gemäldegalerie des Kaiser - Friedrich - Museums (Nr. 1166) befindet, läßt das sogar
fürs erste als unwahrscheinlich erscheinen.
Dennoch braucht man die Hypothese nicht fallen zu lassen, denn daß Arbeiten
der Jugend ein anderes Gepräge als wenige Jahre später entstandene haben, ist
etwas oft Beobachtetes und leicht Erklärliches. Es gilt nur an Stelle des nicht deut-
lich klaren Zusammenhanges mit den Werken der reiferen Zeit, andere Argumente
für die Zuschreibung zu finden, etwa unverkennbare Beziehungen zu den Bildern
des Meisters, bei dem Pier Maria gelernt hat.
Bereits Crowe und Cavalcaselle nahmen an, daß der 1464 in Treviso geborene
Pier Maria zunächst bei einem paduanisch geschulten Künstler seiner Vaterstadt in
die Lehre gegangen ist. Der bedeutendste Maler Trevisos im letzten Viertel des
XV. Jahrhunderts war aber zweifellos der ältere Girolamo da Treviso und seitdem
wir dank den Forschungen Biscaros wissen, daß dieser Girolamo der um neun Jahre
ältere Bruder des Pier Maria Pennacchi ist, darf man getrost annehmen, daß Pier
Maria in der Werkstatt des Girolamo ausgebildet worden ist. Es ist also zu prüfen, ob
der Maler Petrus Maria der Berliner Tafel von Girolamo da Treviso abzuleiten ist.
Das Berliner Bild ist nun tatsächlich einigen Werken des Girolamo aufs nächste
verwandt, namentlich einer Halbfigur der Madonna im herzoglichen Schlosse zu
Dessau, von der uns keine Reproduktion zur Verfügung steht, auf die wir darum
nur im allgemeinen verweisen können1), und weiter eine große Altartafel, die
(1) Dessau, Schloss. Madonna mit Kind, Halbfigur; Hintergrund: Vorhang und Architektur. Bezeichnet
an der Brüstung: HIERONIMO TARVISIO P.

276
 
Annotationen