Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Zitierlink:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0300
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
großen Bänden, die ganz einem Künstler gewid-
met ist, der als Architekt etwa ein halbes Dutzend
Paläste oder Villen, sonst kaum mehr als einige
Umbauten entwarf, der an der ganz grossen bau-
lichenUnternehmung der Peterskirche ohne heute be-
merkbare Spuren teilnahm, der sonst noch sich
für die Erforschung der altrömischen Baukunst
mit Nachdruck und Erfolg bemühte — von dem
der heute überhaupt nur drei beglaubigte nicht
große Gebäude — und ein zweifelhaftes — be-
stehen. Und der in der Tat doch der Größten
einer ist, ja nach und neben Michelangelo als der
erfolg- und nachfolgereichste Architekt der eigent-
lichen römischen Renaissance gewürdigt werden
muß.
Das zu beweisen und dem bis ins allerletzte
nachzugehen hat sich Hofmann vorgesetzt, und
dazu ist dieser dritte (mit dem Vorbande vielmehr
der vierte) prächtige Band ein weiteres gewichtiges
Dokument.
Man könnte gerade bei ihm wohl meinen, ein
Teil des darin gegebenen sei schon im vorigen
Bande so ziemlich erledigt; insbesondere die Palazzi
Raffaello-Bramante und dell'Aquila.
Doch will Hofmann planmäßig nochmals alle
Palast- und Wohnhausbauten des Meisters neben-
einanderstellen und es so ermöglichen, sie als ge-
schlossene Gruppe erfassen und das ihnen allen
eigentümliche und gemeinsame als den eigent-
lichen Kernpunkt raffaelischer Architektur erkennen
zu lassen. Und darum wollen wir uns dieser außer-
ordentlichen Gründlichkeit erfreuen und den em-
barras de richesse, der doch nur so gehäuft ist,
um die Größe des Baukünstlers auf das nach-
drücklichste einzuprägen, wie den eigentümlichen
Charakter seines Wollens völlig zum Ausdruck
kommen zu sehen, gerne auf uns einwirken lassen.
In der Tat hat Raffael als der einzige in seiner
Zeit unablässig darnach gestrebt — und das tritt
in den hier behandelten Bauten aufs unverkenn-
barste hervor — seine Gebäude immer als einen
geschlossenen Organismus zu bilden und wirken
zu lassen. Was er da erreichte, ist wirklich
erstaunlich. Wer zum ersten Male den Palast Pan-
dolfini in Florenz sieht — ja nur eine Zeichnung
seiner Fassade, der erliegt dem überwältigenden
Eindruck dieser Geschlossenheit. — Der Urbau des
Pal. Vidori - Caffarelli ist noch immer gewaltig in
seiner Einheit; berauschend muß aber der ver-
schwundene dell'Aquila gewirkt haben; eine der
prächtigsten, geschlossensten und einheitlichsten
Architekturen, die je erfunden wurden.
Durchaus bezeichnend ist der Umstand, daß
diese Bauwerke alle fünfachsig sind, nur der

Pandolfini sogar vierachsig. Ferner, daß sie aus
strengst getrennten Unter- und Oberbau bestehen,
von denen der letztere stets so stark zurücktritt,
daß die stattlichen Balkons vor seinen Fenstern
auf dem Rücksprung noch Platz haben. Ganz
ebenso ruht das riesige Hauptgeschoß — mit
Mezzanin — der Villa Madama auf seinem mäch-
tig weit vorspringenden Unterbau.
Raffael erzielt auf solche Weise eine Einheit in
diesen Bauwerken, die der griechischer Tempel
nahekommt, — die nur noch Michelangelo mit
seinem Peterskirchen-Entwurf erreichte.
Palladio hat hier und da — bei seinen einfachst
disponierten Gebäuden, wie der Villa Rotonda —
ähnliches gewollt. Doch nicht in so völlig aus-
geglichener Weise, mit solcher nachdrücklichen
Kraft, mit solcher malerischen Wirkung und vor
allem in so völlig selbständiger Weise.
Hofmann macht dabei mit Recht darauf aufmerk-
sam, daß der Pal. Pandolfini trotz seiner riesigen
Wirkung und seiner Unvergeßlichkeit eigentlich
nicht eine einzige richtige Nachahmung gefunden
hat. Er ist eben unnachahmlich geblieben. Ich
glaube selbst nicht, daß man, wie Hofmann, das
Palais Oppenheim in Dresden als den Versuch
einer solchen betrachten darf. Eher noch dürfte
der Pal. Albergati zu Bologna (der ja von Peruzzi
sein soll, doch kaum ist, eher von Serlio) das
Semper bestimmende Vorbild gewesen sein.
Von noch nicht besprochenen Palästen behandelt
Hofmann hier also den Pal. Vidoni-Caffarelli, Pal.
Bresciano und Pal. Pandolfini, außerdem die Villa
Farnesina und Raffaels Anteil an ihr. Zu dem
Pal. Bresciano muß ich jedoch bemerken, daß die
Autorschaft Raffaels mir auch hier noch nicht hin-
reichend sicher nachgewiesen, vielmehr Peruzzi,
den Falda als Verfasser des Entwurfes nennt, mir
doch noch sehr in Frage zu kommen scheint.
Gewiß kann Falda sich irren und hat sich schon ge-
irrt; im allgemeinen erkenntaber auch Hofmann seine
Bezeichnungen als richtig an und fußt auf ihnen.
Immerhin will ich damit nicht in Abrede stellen,
daß auch dieser Bau völlig in die Raffaelische Ein-
flußsphäre fällt, daher unbedingt hier genannt werden
mußte. Sein Aufbau unterliegt so durchaus dem Raf-
faelischen Schema und seiner energischen Zwei-
teilung, zeigt so ähnliche kraft- und ausdrucksvolle
Architektur, daß der Volksmund und die Beurteilung
der Kritiker mit innerem Rechte auf Raffael als
den Schöpfer hinwiesen.
Trotzdem scheinen mir Detaillerung und ganz
bestimmte Einzelheiten — die breiten Fensterge-
wände, die platten weichen Vorderflächen der Kon-
solen und anderes — allzu starke Anklänge an Peruzzi

286
 
Annotationen