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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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zu enthalten, als daß man ohne weiteres seine
wenigstens einmal bezeugte Autorschaft ganz ne-
gieren dürfte, während für Raffael ganz allein die
Nachricht spricht, daß er in Borgo Nuovo mehrere
Häuser gebaut habe.
Inwieweit hier der Kompromiß, den Hofmann
andeutet, als Lösung angenommen werden kann,
daß nämlich Raffael den Bau entworfen, Peruzzi
ihn ausgeführt habe, lasse ich dahingestellt. Mir
scheint von je her Peruzzi als Träger der Hoch-
renaissance unterschätzt zu werden; von einer
Wirkung seiner Kunst auf Raffael wird nie ge-
sprochen, die trotzdem unleugbar bleibt.
Man darf doch nie vergessen, daß unter den
eingebauten Palästen Pal. Massimi alle colonne den
Höhepunkt der ganzen Hochrenaissance bedeutet,
und daß, was Durcharbeitung zu wahrhaft klassi-
scher Bildung anbetrifft, selbst Raffael die hier
von Peruzzi erreichte Höhe nicht ganz gewann.
Wenn die ältere Farnesina in derTat ihrerseits einen
etwas anderen Sinn, eine verschiedene Richtung,
mehr im Sinne Bramantes, aufweist, so spricht
doch auch sie deutlich genug von der Bedeutung
ihres Meisters.
Ich vermisse dazu am Pal. Bresciano das starke
Zurücktreten des Obergeschosses, das nun ein-
mal, nach Hofmanns Ansicht selber, als eines der
bezeichnenden Merkmale Raffaelischer Palastbauten
anzusehen ist.
Übrigens hat dies ob oder ob nicht für das Buch
an sich nicht viel zu bedeuten; denn auch der ge-
nannte Palast gehört unbedingt hinein, sei er nun
wirklich von Raffael selber, sei er nur unter dem ge-
waltigen Einflüsse seiner Architektur entstanden.
Da Hofmann ja gerade die Bedeutung Raffaels in
der Architekturentwicklung seiner Zeit darstellen
will, so gewinnt jenes Gebäude in diesem Sinne
als Zeugnis seines Einflusses vielleicht mehr an
Wert, als es, falls es nicht Originalwerk Raffaels
wäre, in anderer Hinsicht einbüßen könnte.
Das Kapitel aber, das Hofmann der „Vereinigung
Raffaelischer Bauformen" widmet, ist meines Er-
achtens embarras de richesse. Es ist ein deut-
liches Zeugnis der unbegrenzten Bewunderung des
Verfassers für Raffaels Architektur, und gewiß in-
teressant, daß es Hofmanns möglich war, die Ober-
Unterteile von Raffaels Architekturen auseinander
zu reissen und zu neuen harmonischen Werken
anders zu kombinieren. Mir will es aber scheinen,
als ob da mit einem Beispiel genug getan gewesen
wäre, ja an die Erwähnung dieser Möglichkeit
schon ausgereicht hätte. Denn anderseits habe ich
das Gefühl, als ob gerade sie eher gegen das
absolut Organische und streng Zusammengehörige

jeder Raffaelischen Architektur spräche — während
man bei ihr doch immer die überzeugende Ge-
schlossenheit und Einheit bewundert.
Man kann aber den Beweis wenigstens als
geführt ansehen, daß Raffaels einzelne Geschosse
wieder so eigenartig und in sich fertig sind, daß
sie, ganz wie eine Säulenordnung, zu weit aus-
einanderliegenden Aufgaben beliebige Verwendung
finden können; also als Nachweise gelten müssen da-
für, daß Raffael überall typische Architekturen prägte.
Übrigens glaube ich, daß auch die ersten Archi-
tekturschöpfungen G. Romanos in Mantua unbe-
dingt hierher gehörten. Der Palazzo del Te, den
dieser, sozusagen eben vom Totenbette Raffaels
gekommen, dort entstehen ließ, erscheint mir so
durchaus als eine Nachwirkung Raffaelischer Archi-
tektur, daß ich selbst versucht bin zu glauben, daß
ihm eine Raffaelische Erfindung zugrunde liege.
Jedenfalls ist er das klarste Ergebnis seiner Archi-
tekturschule, die G. Romano nachher völlig verließ.
Und so gehört er sozusagen zu Raffaels Vermächt-
nissen.
Im übrigen muß gesagt werden, daß dieser neue
Band sich seinen Vorgängern in gleicher Art und
Bedeutung anreiht; daß er ein gleich reiches Material
in ebenso klarer Aufreihung wie jene enthält und
uns gestattet, wie der Verfasser es beabsichtigt,
die Entstehung des einzelnen wie des ganzen so-
zusagen neu zu erleben.
Die Zeichnungen und Photographien beleuchten
die Objekte von allen Seiten und bis zum heuti-
gen Tage. Die Rekonstruktionen, insbesondere des
Pal. Raffaello - Bramante und vor allem des Pal.
dell'Aquila, sind glänzend und für Raffaels Werk
von wirklichem Werte.
Eine Marotte des trefflichen Verfassers ist es frei-
lich, daß er wichtige Grundrisse auf dem Mappen-
umschlage bringt. Ein nochmaliger Abdruck für
das eigentliche Werk wäre doch wohl nötig.
Auf weiteres im einzelnen will ich mich hier
nicht einlassen. Es würde gleich ein zu dem Buche
gehöriges Kapitel daraus. Ich will nur noch das
eigentlich selbstverständliche aussprechen, daß auch
dieser Band wieder ein glänzendes Zeugnis für des
Verfassers Liebe und Verständnis für Raffaels
Architektur bildet, wie in Fülle des beigebrachten
einschlägigen Materials überreich ist. Und daß er
in der Tat beweist, welche gewaltige Rolle Raffaels
Architektur gerade zur Höchstentwicklung der
italienischen Renaissancebaukunst zu spielen be-
rufen war. Es ist kaum auszudenken, welchen
Weg diese genommen hätte, wenn die so wenig
zahlreichen und doch so mächtig wirkenden Bauten
Raffaels dabei gefehlt hätten. Albrecht Haupt.

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