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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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des S. Sebastian eine Magdalena getreten ist. Wenn diese Indizien die Annahme
stützen, daß Raffael als Gehilfe Peruginos dessen Zeichnungen für die Komposition
seiner eigenen Gemälde benutzte, so ist andererseits hervorzuheben, daß Einzel-
heiten an dem Peruginer Altarwerk, wie die doppelten Kreise der Heiligenscheine,
die sich auf allen früheren Bildern Raffaels, bei Perugino aber fast nie finden, und
ferner, wie Knapp richtig bemerkt, die Bildung der Hand, die breiter als bei Peru-
gino ist, die weichen, rundlichen Formen des Gesichtes, besonders der Madonna
und die unbestimmte, faltenreiche Behandlung des Mantels der Madonna, an Raffael
erinnern, der freilich damals noch ganz unter dem Einfluß seines Meisters stand1).
Am 2. März 1499 erhielt Perugino den Auftrag auf eine Auferstehung Christi,
ferner auf ein Fresko mit der Darstellung des heiligen Rochus und Dekorations-
malereien für die Kirche S. Francesco dei Conventuali in Perugia. Das Altarbild ist
nach mancherlei Schicksalen in die vatikanische Gemäldegalerie gelangt. An seiner
Ausführung hat der junge Raffael einen nicht unbedeutenden Anteil. Die schlafen-
den Wächter und die beiden anbetenden Engel sind ganz im Geiste Raffaels.
Durchaus peruginesk aber ist die Gestalt Christi und die weiträumige, sonnen-
helle Landschaft. Der Lohn von 50 Fiorini, der dem Meister für ein so großes
Altarstück, ein Fresko und Dekorationsmalereien ausgesetzt war, erscheint recht
gering und der Lieferungstermin, kaum zwei Monate, recht kurz, so daß ihn Peru-
gino bei seiner außerordentlich rührigen Tätigkeit im Jahre 1499 doch nicht hätte
einhalten können. Beide Umstände, der geringe Lohn und der kurze Lieferungs-
termin, mögen ihn bewogen haben, einen großen Teil der Ausführung seinem jungen
Gehilfen zu überlassen. Die Vollendung des Bildes aber hat sich gewiß bis in den
Anfang des neuen Jahrhunderts hingezogen.
Auch in dem Hauptwerk Peruginos, den wahrscheinlich im Jahre 1500 vollendeten
Fresken des Cambio, sucht die neuere Stilkritik nach einem Anteil Raffaels.
Unter den Schülern Peruginos, die an der Ausschmückung des Cambio mitarbei-
teten, erwähnt Vasari den Alovigi di Assisi, genannt L'Ingegno, und aus den
Zahlungsvermerken der Bücher des Cambio geht hervor, daß Giovanni Ciambella,
genannt Fantasia, und Roberto da Montevarchi während der Arbeiten im Cambio
Gehilfen Peruginos waren2). Solange aber keine sicheren Werke dieser Meister
nachgewiesen sind, läßt sich über ihre Beteiligung nichts feststellen. Lancellotti,
ein Peruginer Autor des XVII. Jahrhunderts, erzählt in seiner Scorta Sagra, daß
Raffael die Gewölbe und in wenigen Stunden zum größten Erstaunen des Meisters
den Kopf des Christus der Transfiguration gemalt habe3).
Daß Perugino ein so großes Werk nicht ohne Gehilfen ausgeführt hat, wäre selbst-
verständlich, auch wenn man nicht wüßte, in welchem Maße er sich schon damals
der Arbeit seiner Schüler bediente, um sich der zahlreichen Aufträge zu entledigen.
Wenn der Meister auch die Wandbilder zum größten Teil eigenhändig ausgeführt
hat, so ist die Decke hingegen ganz von Schülern nach Zeichnungen des Meisters
vollendet worden. Ob aber Raffael daran beteiligt ist, bleibt eine offene Frage.
Jedenfalls ist sein Anteil nicht mehr festzustellen.
Als ein Werk Raffaels galt in früheren Zeiten das Abendmahl in S. Onofrio zu
Florenz. Schmarsow war der erste, der es mit schwerwiegenden Gründen für

(1) F. Knapp, Perugino, Künstler-Monographien, Bd. 87, Bielefeld und Leipzig, 1907, p. 98.

(2) Siehe Adamo Rossis „Storia artistica del Cambio di Perugia, compilata sopra nuovi documenti"
im Giornale di Erudizione artistica, Bd. 3, 1874, p. 3—32.

(3) Ms. der Comunale zu Perugia, c. 201 t.

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