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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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NEUE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE VOM
„WERDEN DER GOTIK" von ernst gall
Mit neun Abbildungen auf sechs Tafeln •.....•.•.•...... ......

UNTERSUCHUNGEN ZUR BAUGESCHICHTE der NORMANDIE
Seitdem Dehio zunächst im Repertorium für Kunstwissenschaft und später in
der kirchlichen Baukunst des Abendlandes1) seine Untersuchungen über das
hier zu behandelnde Thema veröffentlicht hat, sind von deutscher Seite diese
Forschungen nicht weiter fortgesetzt worden. Man kann auch nicht sagen, daß
seine so wohlbegründeten Ausführungen jenen durchschlagenden Erfolg bei den
französischen Forschern hatten, der ihnen zu wünschen gewesen wäre. Man hat
niemals im ganzen darauf geantwortet, und wenn man etwa den letzten Band des
Congres Archeologique de France, Caen 1908, aufmerksam durchliest, kann man die
Wahrnehmung machen, daß seine Forschungsergebnisse im allgemeinen abgelehnt
worden sind, wenn man auch im einzelnen hier und da sich stillschweigend manche
seiner Ergebnisse aneignete.
Indessen hat Dehio von anderer Seite eine wesentliche Unterstützung erfahren
durch die sehr bedeutenden Artikel, die der Engländer Bilson in verschiedenen
Zeitschriften veröffentlichte, vor allem durch seine Untersuchungen über die Kathe-
drale von Durham 2).
Es ist hier mit großer historischer Sicherheit festgestellt worden, daß die Erbauer
der Rippengewölbe auf dem Hochschiffe des Chores — und eben solche deckten
die Seitenschiffe — der Ile de France in ihrer bedeutungsvollen bautechnischen
Neuerung gar nichts verdanken konnten, denn die erwähnten Bauteile sind gegen
1104 entstanden, zu einer Zeit also, wo nach allem, was wir mit Sicherheit sagen
können, in der Ile de France niemand an derartige Dinge dachte.
Die nächste Folge war, daß Robert de Lasteyrie3) trotz mancher Zweifel doch
sich gezwungen sah, wenigstens einzuräumen, in diesem Falle müsse in der nor-
männischen Schule der wahre Ursprung dieses neuen, so wichtigen Konstruktions-
prinzips der Rippengewölbe gesucht werden. Im gleichen Sinne wurden dann
auch Bilsons Ergebnisse in Enlarts Handbuch4) aufgenommen.
Man hätte nun erwarten sollen, daß die Aufforderung Lasteyries, auf dem eigent-
lichen Mutterboden der anglo-normännischen Schule, der Normandie selbst, darauf
bezügliche Untersuchungen anzustellen, neue Resultate hätte veranlassen müssen.
Allein dem war nicht so. Im Congres Archeologique von 1908 steht das alte non
liquet: „Die normännischen Wölbungen können so gut von 1130 wie von 1160
sein5)", und es hat den Anschein, als stehe der Fall Durham jetzt erst recht
isoliert da.

(1) Dehio, die Anfänge des gotischen Baustiles. Rep. f. Kunstw. Band 19, 1896, p. 169. Dehio-Bezold,
Kirchliche Baukunst des Abendlandes. Band II, p. 38 ff.

(2) John Bilson, Les origines de l'architecture gothique: Les premieres croisees d ogives en Angleterre.
Rev. de l'art chretien 1901—1902. Weiter die Aufsätze im Bulletin Monumental 1908, p. 128 u. p. 498.

(3) Robert de Lasteyrie, Discours sur les origines de l'arch. gothique, Caen 1901. Auch Rev. de 1 art
chretien 1902, p. 213.

(4) Enlart, Manuel d'archeologie francaise, 1902 I, p. 440 n. 3.

(5) I, p. II. Stammt von L. Regnier. Cf. Mem. de la Soc. hist, et archeol. de Pontoise, 1895, t. XVI:
Les origines de l'architecture gothique.

Monatshefte für Kunstwissenschaft, IV. Jahrg. 1911, Heft 7

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