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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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die beiden ersten Kreise noch in Gewaltschritten
durchmessen und auf kleinem Raum abgetan, was
nach heutigen Grundsätzen viele Bände ergeben
würde. Man denke, daß bei ihm Stuttgart mit kaum
30, Heilbronn mit etwa 18, Reutlingen mit kaum
20 Seiten Text erledigt sind. Auf kleinere Orte
kommen oft nur wenige Zeilen. Und diese sind
nicht immer den Denkmälern gewidmet. Hier
fesselt den Dichter eine schöne Aussicht, dort eine
Stimmung oder eine geschichtliche Begebenheit.
Oder seine Notizen sind so kurz, trocken und
nichtssagend, daß man über den Bestand wenig
oder nichts Greifbares erfährt. Das ist nicht Un-
vermögen oder Gleichgültigkeit, sondern Grund-
satz. Denn an hohen und großen Werken flammt
seine Begeisterung lebendig empor und seine
Werturteile sind oft klassisch, auch im sprach-
lichen Ausdruck. Aber er glaubte sich berechtigt
aus dem Vollen zu schöpfen, vom Guten nur das
Beste zu geben und seine Leser vor aller Bekannt-
schaft mit geringeren Sachen, mit jeder Art von
Detail behüten zu müssen. Der Fernstehende be-
greift die Wirkung nicht, die von diesem Manne
mit seiner echt schwäbischen Einseitigkeit und
Beschränktheit doch unleugbar ausgegangen ist.
Und man versteht auch nicht, warum von dem
ersten vergriffenen Bande ein Neudruck veranstaltet
wurde, da doch das ganze Gebiet neubearbeitet
werden muß.
E. Gradmann hat den Jagstkreis noch in der
Weise seines Vorgängers begonnen, doch etwas
eingehender und ausführlicher, so daß nun wenig-
stens die Einzelheiten für sich mit Namen und
Jahreszahlen genannt werden. Im Laufe der Arbeit
wird die Darstellung dann immer breiter und far-
biger. Die Gegenstände werden nach Form und
Inhalt beschrieben und kurz charakterisiert. Das
liest sich recht genußreich. Denn da Gradmann
als Kunsthistoriker über eine tiefe allgemeine Bil-
dung verfügt, wird man überall gut und aus-
reichend unterrichtet. Der alte enge Rahmen ist
dabei allerdings gesprengt worden. Trotz vielen
Kleindrucks ist der Jagstkreis schon in seiner ersten
Hälfte zu einem stattlichen Bande angewachsen.
Die Fortsetzung wird wohl noch viel mehr Raum
erfordern.
Schließlich ist man im Donaukreis zu der
anderwärts längst bewährten Form der Inventare
übergegangen, und die beiden Bearbeiter des ersten
Heftes haben ihre Aufgabe gleich musterhaft ge-
löst. Eine kunststatistische Übersicht geht voraus,
vor jedem Ort werden die Quellen genannt. Im
Text ist die Übersicht durch Rubriken und Absätze
gewahrt. Ohne Weitschweifigkeit werden die Denk-
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mäler jeder Gattung beleuchtet und gewürdigt.
In jedem Satz kommt ein reifes, abgeklärtes Urteil
zum Ausdruck. Kurz, hier ist der Bestand wirk-
lich sachkundig aufgearbeitet, wie es von einem
guten Inventar verlangt werden kann.
Was die Abbildungen anlangt, so sind die
ersten Bände durch Maßaufnahmen und Feder-
zeichnungen der beiden hervorragenden Zeichner
Loesti und Cades illustriert, welche oft Bilder von
entzückender Schönheit geschaffen haben. Später
überwiegt die Autotypie und der Lichtdruck. Die
Hauptmasse der Abbildungen ist aber in dem
großen Tafelwerke (Atlas) vereinigt, welcher 12
Mappen zu je 12 M. umfaßt. Diese Trennung
bietet manche Vorteile. Es lassen sich Haupt-
werke in größerem Maßstabe darstellen, und die
Reproduktion ist unabhängig vom Format und der
Erscheinungsweise des Textes. Die Benutzung
wird freilich dadurch sehr erschwert, daß man Zu-
sammengehöriges immer an mehreren Stellen, auch
auf Ergänzungstafeln und Nachträgen zusammen-
suchen muß. Bayern hat die Trennung deshalb
aufgegeben und es geht auch so ganz vorzüglich.
Vielleicht entschließt man sich auch in Württem-
berg dazu, beim Fortgang der Arbeit den ganzen
Stoff in handliche Buchform zu bringen. Der Ein-
druck ist in jeder Beziehung, besonders auch für
den Laien, gesammelter und anschaulicher.
Dr. H. Bergner;
CASIMIR V. CHLEDOWSKI, Der Hof
von Ferrara. Deutsch von Rosa Scha-
pire. Verlag Julius Bard, Berlin.
Es ist gewiss eine verdienstliche Tat, daß Ca-
simir von Chledowski den Versuch unternahm,
die Resultate seiner langjährigen Studien zur fer-
rarischen Kulturgeschichte, in einem Buche „Der
Hof von Ferrara" niederzulegen, das nunmehr
auch in einer deutschen Übersetzung von Rosa
Schapire in schmucker Ausstattung vorliegt
Der Verfasser schildert im Eingangskapitel erst
Land und Leute von Ferrara. Man lernt die ver-
schiedenen prächtigen Bauten kennen: den Dom,
den Palazzo dei Diamanti, den Palazzo Roverella,
Naseli Crispi u. a. Er charakerisiert die Estes als
ein strenges kriegerisches begabtes Geschlecht,
das in der Politik geschickt und verschlagen, im
Kriege tapfer und kühn sich benahm, das daneben
den neuen Strömungen in Kunst und Literatur
zugängig war, fanatisch Musik und Gesang liebte
und eine ausgesprochene Leidenschaft für Luxus,
glänzende Feste und grandiose Empfänge besaß.
Die sieben Herrscher aus jener ruhmreichen Epoche
 
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