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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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ziemlich seinem ganzen Umfang nach kennen gelernt und mich überzeugt, daß er
nirgends so hohe künstlerische Fähigkeit aufweist, daß ihm der prächtige Aufbau
und die feine Zeichnung dieses Metallschnittes zugetraut werden könnten, ebenso-
wenig die freie Phantasie für die beträchtlichen Änderungen mehrerer Figuren und
Gruppen, womit ich dem Formschneider allerdings noch nicht jede zeichnerische
Fähigkeit abgesprochen haben will. In den mehrfachen wirklichen Kopien1) des
C. V. nach Holbeins Kleopatra-Entwürfen ist die Qualität allgemein viel geringer
und gleichzeitig klebt er, hier kann man sogar sagen sklavisch, an den beiden
echten Vorlagen, die er zwar manchmal beide in einem Blatt und sogar in einer
und derselben Figur miteinander verschmilzt, aber immer bis ins einzelne Abhängig.
Ist es schon von vornherein unglaubhaft, daß der Mann, der einmal so großes Ge-
schick im freien Variieren gezeigt hätte, nachher so ganz ohne neue Einfälle sich
selbst und seine Vorlagen wieder abschreiben sollte, so sind noch obendrein die
Veränderungen an dem Basler Metallschnitt-Probedruck gar keine solchen, auf die
man nach dem Holzschnitt kommen würde, sondern es sind Vorstufen für diesen.
Das zeigt unter anderem der weniger statuarische Charakter der beiden Götterbilder
und die noch wenig tektonisch in den ganzen Aufbau einbezogene Lagerung der
Kleopatra, auch das Näherstehen der Götterbilder an den Menschen, die sich noch
nicht so zu ihnen hinaufstrecken müssen, wodurch die Tat des Beraubens noch
nicht so eindrucksvoll hervortritt. Bezeichnend sind da auch Kleinigkeiten, auf
dem zeitlich früheren Metallschnitt-Entwurf läßt Dionysius den naturalistisch
weichen Bart des menschlich bewegten Götterbildes Esculaps, ihn abbiegend, durch
seine Hand gleiten, während er in dem reiferen Holzschnitt den Bart des steifer
dastehenden Bildnisses mehr nur anfaßt.
Da der Metallschnitt mit 1523 bezeichnet ist, der Holzschnitt aber schon im Fe-
bruar des gleichen Jahres in Büchern verwendet worden war, so kann der Vor-
gang kaum anders gewesen sein, als daß Holbein dem Formschneider nachträglich
einen seiner früheren Entwürfe zur Schnittausführung überließ, vermutlich für dessen
eigene Unternehmerzwecke 2).
7. Ein Alphabet mit spielenden Kindern, doppelte Quadrateinfassung, Lettern ein-
fach umstrichen und weiß, Grund horizontal schraffiert, Metallschnitt von C. V.,
0,029 m breit und hoch. Das Alphabet ist mir vorläufig erst im Jahr 1545 bei
Maturinus Dupuys in Paris begegnet in: Johannes Drosaeus juris universi Justine-
anea methodus 80, muß aber in Paris schon früher bekannt gewesen sein, denn es
kommen daselbst 1538 bei Christian Wechel deutlich kenntliche aber künstlerisch
schwache Kopien davon in der Größe von 0.03 m im Quadrat vor, die der für
Paris und Lyon um 1540 vielfach tätige Metallschneider J. F?) geschnitten und
wohl auch umgezeichnet hat. Die dem Originalalphabet zugrunde liegenden Ent-
würfe Holbeins stammen jedoch aus viel früherer Zeit, denn von einzelnen Buch-

(1) Die wichtigsten davon sind die in der Holbein - Literatur schon zitierten mit dem verschlungenen
,,C. V." und „1524" bei Walder in Basel, die mit dem verschlungenen ,,C. V." in Joh. Brenz Syn-
gramma clariss. viror. etc. 1526 und die unbezeichnete, mit dem Holbeinischen Scävolatitel in der
Komposition verschmolzene, die seit 1524 in Augsburg, später in Ingolstadt verwendet wurde.

(2) Der andere Probedruck des C. V. in Basel mit dem Holbeinischen Parisurteil und den Geschichten
von der Weibermacht hat beinahe ganz gleiche Maße.

(3) Von diesen auch der bekannte Schnitt Heinrich VIII. im Rat (Woltmann, Holbein Nr. 210). Auf
die naheliegende Frage der Identität desselben mit dem bekannten Holbein-Formschneider J. F. vom
Ende des 2. und Anfang des 3. Dezenniums in Basel, will ich hier trotz reichlich gesammelten Materials
noch nicht eingehen.

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