Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0429
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
der Darstellung des feinen, frommen Gegenstandes
liegt freilich etwas von der mystischen Andacht
der außeritalienischen Länder — das rührende
Madonnenstilleben auf dem Schränkchen zur Linken
hat gar einen niederländisch anmutenden Zug, der
es fast außerhalb des übrigen stellt.
Erwähnenswert ist noch, daß der Künstler auf
dem Hintergründe des „Martyrium und Tod des
hl. Sebastian" seine Vertrautheit mit antiken römi-
schen Bauten — Kolosseum und Konstantinsbogen
— zeigt. Auch hier ist die Behandlung der Zier-
glieder eine vereinfachende, der Innenarchitektur
des Verkündigungsbildes entsprechend. In der
diagonalen Schiebung der Kulissen wieder geben
sich Ähnlichkeiten mit der Darstellung der „Ver-
lobung" zu erkennen. — Alles in allem haben wir
bei den Bildern in Philadelphia wie bei jenen von
Avignon und Brüssel den Eindruck eines Schwankens
zwischen verschiedenen Stilen, von denen doch
der italienische obzusiegen scheint — ein getreues
Spiegelbild der kulturell- künstlerischen Stellung
der Provence zu Eingang des XVI. Jahrhunderts-
Hermann Voss.
DÜRERS BILDNISZEICHNUNG DES
KÖNIGS CHRISTIAN II.
Mit zwei Abbildungen auf einer Tafel.
Genau an dem Tag, an dem Dürer nach langem
Aufenthalt in den Niederlanden die Heimreise an-
treten wollte, hat bekanntlich König Christian II.
von Dänemark, der auf seiner Flucht durch Ant-
werpen kam, nach ihm geschickt. „An unser
Frauen Heimsuchung, do ich gleich weg von An-
torff wollt, do schicket der König von Dennen-
marck zu mir, dass ich eilend zu ihm käm und
ihn conterfeiet. Das thät ich auch mit dem Kohln."
An diesem 2. Juli 1521 aß Dürer mit dem König,
und folgte ihm nach Brüssel wo er insgesamt
noch acht Tage und eine Nacht verweilte um
den König in Ölfarben zu konterfeien. Wie
Christian ihn bewundert haben muß, um sich
diese Bildnisse zu sichern, da er doch in den
Tagen den Kopf mit politischen Dingen von
größter Wichtigkeit genügend gefüllt gehabt haben
muß, so staunte auch Dürer den „mannlich schön
Mann" an, schenkte ihm „die besten Stuck" aus
seinem „ganzen Druck" und stimmte in das all-
gemeine Urteil ein, daß den Mut des Königs pries,
der mit nur zwei Begleitern die lange Strecke
durch Feindesland geritten war.
Das Ölbildnis — es wird sich wohl um ein
kleines Format handeln, da Dürer ein Futteral
dafür besorgte, — ist bislang noch nicht auf-
getaucht. Dagegen nimmt es mich wunder, daß

noch niemand die Zeichnung wieder erkannt hat,
auch Dodgson nicht, der im Burlington eine Reihe
von Neubestimmungen Dürerischer Zeichnungen
brachte. Das fragliche Blatt befindet sich in Lon-
don und ist in Lippmanns Werk, im III. Band
unter Nr. 288 abgebildet. Das beste Vergleichs-
material bietet der Holzschnitt von Hans Cranach
(Schuchardt, L. Cranach, II, 309, Nr. 177). Die
Ähnlichkeit der nicht ganz gewöhnlichen Mütze
und der sonstigen Tracht, sowie des geteilten
Bartes und der Stellung der ungleichen Augen
springt in die Augen. Auch die Nasen sind, so-
weit man es an der leider verriebenen Zeichnung
noch verfolgen kann, dieselben. Für die in der
Mitte in eine Spitze herabhängende Oberlippe, die
man auf der Zeichnung deutlich sieht, bietet das
andere Holzschnittbildnis Christians von Hans
Cranach (Schuchardt 178) noch besseren Beleg.
Endlich hilft noch die echte Jahreszahl 1521 das
Urteil bekräftigen, daß wir hier in der Tat den
Christian II. von Dürer gezeichnet, vor uns haben.
Hans W. Singer.
Die einzige Zeichnung von Greco
in der Madrider National-Bibliothek.
Mit einer Abbildung auf einer Tafel.
Man hat bisher angenommen, Greco habe seine
Gemälde ohne vorhergehende Studien, selbst ohne
kompositionelle Entwürfe geschaffen, und man ist
zu dieser Annahme durch die Tatsache hingeführt
worden, daß nur eine einzige Zeichnung von seiner
Hand sich erhalten hat. Doch wie vorsichtig
man in der Erzeugung von Hypothesen sein soll,
— der Fall liegt ähnlich wie bei Velasquez, —
wird durch die urkundliche Erwähnung von
150 Zeichnungen im Nachlasse erwiesen, den
J. Roman vor kurzem veröffentlicht hat1). Ver-
mutlich gehören die 149 fehlenden Zeichnungen
mehr Anfang und Mitte seiner Entwicklung an.
Später wird Greco wohl unmittelbar auf die Lein-
wand die Linien der Komposition rasch aufgezeich-
net haben.
Es soll hier von der einzigen, erhaltenen Zeich-
nung, die zudem zum ersten Male in guter Abbil-
dung vorliegt2), die Rede sein! Sie befindet sich in
der Nationalbibliothek zu Madrid, hat Höhe 0,255
und Breite 0,155 m, ist B 1eistiftzeichnung auf grob-
(1) Francisco de Borja de Jan Roman y Fernandez: „El
Greco en Toledo". Madrid 1910.
(2) Bei M. B. Cossio: „El Greco", Madrid 1908, Bd, I, p. 471
und 633, nur flüchtig behandelt, dazu die gänzlich unbrauch-
bare Abbildung Taf. 21, dazu Angel M. de Barcia: „Catä-
logo de la Coleccion de dibujos originales de la Biblio-
teca Nacional", in: „Revista de Archivos, Bibliotecas y
Museos". Madrid 1908, 19.

415
 
Annotationen