Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0569
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ein kleines leicht übersehbares Detail weist uns auf den richtigen Weg, das Ver-
zieren des Einhornes mit Hermelinschwänzen; das ist eine Eigentümlichkeit franzö-
sisch beeinflußter Wappenkunst.
Mir scheint die Verwandtschaft der Auffassung dieses aus der bayerischen
Kunstentwicklung nicht zu erklärenden Stückes mit der jenes Epitaphs, das
Nikolaus von Leyden im Straßburger Münster für Konrad von Busang schuf, auf-
fallend. Dieselbe hoheitsvolle, dabei zierliche Erscheinung der Madonna, dieselbe
innige Verbindung von Gottheit und Stifter, im einzelnen dieselbe Gesichtsbildung
und Kopfhaltung der Madonna, die gleiche Art das Kind zu halten, das dort dem
Stifter das Spruchband aus der Hand nimmt. Der zunächst verschiedene Gesamt-
eindruck liegt in dem verschiedenen Material und der dadurch bedingten verschie-
denen Technik begründet. Die Übersetzung des Christkindes aus dem Dreidimen-
sionalen in die Fläche erklärt auch die verunglückte Haltung des Christkindes auf
dem Nußdorffer Stein. Es verhält sich zu dem des Straßburger Epitaphs wie eine
Pflanze im Herbarium zur lebenden. Einzelheiten, wie das rundliche Lockenköpf-
chen mit dem Doppelkinn, das hochgezogene Beinchen, weisen direkt auf den
gleichen Urheber. Auch die Gesichtsbildung des Ritters entspricht dem oben
mehrfach geschilderten Idealtypus des Straßburger Meisters, der nur im Halb-
profil nicht so stark zur Geltung kommt wie bei den vorbehandelten Stücken.
Die Zurückführung auf die sicher Valkenauersche Madonna in Regensburg scheint
mir weniger befriedigend. Das Laufener Stück ist doch wesentlich zierlicher,
die Proportionen der Madonna sind gänzlich andere. Auf die Vergröberung der
Haarbehandlung weist Halm selbst hin; auch die Augenbildung vermag ich nicht
als die gleiche zu erkennen; während die Augen der Laufener Madonna noch
flach mandelförmig unter den Brauen liegen, wird, schon ganz auf den späteren
Valkenauer hinweisend, der Augapfel kugelig-rund herausgearbeitet. Noch in der
doch um zwei, wenn nicht drei Jahrzehnte jüngeren Madonna des Keutschach-
monumentes in Maria - Saal kehrt der Typus der Regensburger so gänzlich unver-
ändert wieder, daß mir zwischen den beiden kein Raum für die Laufener zu sein
scheint. Letztere ist das Vorbild beider; Valkenauer hat sich auch hier an Niko-
laus von Leyden angeschlossen und charakteristischerweise den schlanken Typus
des westdeutschen Künstlers ins Bayerisch-rundliche umgesetzt.
Auch auf andere Steinmetzen ist die Kunst des Straßburger Meisters nicht ohne
Einfluß geblieben. Aus der großen Zahl von Marienepitaphien zwischen Salzburg
und Passau, die in mehr oder minder großer Abhängigkeit von den besprochenen
stehen, greife ich nur das zweifellos beste heraus, das trotz großer Selbständigkeit
im einzelnen den Schulzusammenhang deutlich erkennen läßt. Es steht in der
Klosterkirche Ranshofen bei Braunau. Unter einem aus merkwürdigem Rankenwerk
geflochtenen dreiteiligen Baldachin schwebt die Madonna auf der Mondsichel; musi-
zierende Engel begleiten sie. Zwei durch ihre Wappen bezeichnete Kanoniker knien,
von der hl. Elisabeth und Magdalena in Schutz genommen, zu ihren Füßen, Spruch-
bänder mit den Worten: „Salva omnes qui te glorificant" und „Agnosce omnes te
diligentes" nennen ihr Gebet. Es sind die Pröpste Blasius Rosenstingel, welcher
1498 die Marienkapelle, deren ehemalige Stelle der Stein noch bezeichnet, stiftete,,
und Caspar Türndl, der seinem Freund und Vorgänger das schöne Denkmal er-
richtete; die Umschrift1) nannte nur den letzteren. Auf die oben hervorgehobene
(1) Sie lautet aufgelöst: „Anno domini M°CCCCC° quarto 140.... July Obyt Reverendus in Christo
pater et dominus . . (vermauert) ... praelatus pauperumque amator qui in capella beate virginis quiescit
quam et a novo construxit Cuius anima des vivat“.

555
 
Annotationen