Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Zitierlink:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0043
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
bis 1810, und zwar auf englischem und nord-
deutschem Gebiet: wenn Grisebach an Lorrain er-
innert, um das Naturgefühl, zu charakterisieren,
das den strengen französischen Garten geschaffen
hat, so wird man das gleich starke Naturgefühl
zur Blütezeit des englischen Gartens in den zeit-
genössischen Landschaften der englischen Schule,
Gainsboroughs, Girtins und besonders Constables
finden. Die Wirkung der großen englischen Parks
dieser Epoche, die übrigens nie die architektonischen
Grundlagen, besonders in Rücksicht auf die Ge-
bäude aus den Augen setzen, ist von derselben
Stärke wie die der Schöpfungen Lenötres, nur
anderer Art. Wenn der neuromantische englische
Gartenstil nach den 20er Jahren des XIX. Jahr-
hunderts die Grundgedanken des wahren englischen
Gartenstils immer mehr vernachlässigt hat, so
kann man deshalb die ganze einem kräftigen künst-
lerischen Gefühl notwendig entspringende Be-
wegung dafür nicht verantwortlich machen, aus
Prinzip. Sonst könnte Jacob von Falke dasselbe
von Grisebachs Darstellung dieses Teils der Garten-
kunst sagen, was Grisebach über Falkes 1884 er-
schienenes Gartenbuch sagt, es sei in den An-
schauungen seiner Zeit befangen. Sobald man
indes das für unsere Zeit notwendigste ins Auge
faßt und den modernen Gartenkünstlern aus der
Geschichte heraus eine praktische Richtschnur
geben will, wird man auf den architektonischen
Garten und nur auf diesen als vorbildliche Schöpfung
hinweisen müssen. Von diesem Gesichtspunkt
aus ist Grisebachs einseitige Stellungnahme ein
Verdienst. Hermann Schmitz.
LUDWIG PASTOR, Geschichte der
Päpste seit demAusgang des Mittel-
alters. Vierter Band. Erste Abteilung
Leo X. Zweite Abteilung, Adrian VI.
und Klemens VII. Fünfter Band.
Paul III. Freiburg i/B., Herdersche Ver-
lagshandlung 1906, 1907, 1909.
Ludwig Pastors monumentales Werk der Ge-
schichte der Päpste bietet auch dem Kunsthistoriker
dauernd so reichen und wertvollen Stoff für seine
Arbeit, daß sich heute niemand mehr mit der
Kunst der Renaissance in Italien beschäftigen kann,
ohne auch in diese Bände Einsicht zu nehmen.
So haben auch schon die früheren Bände bei den
Kunsthistorikern die höchste Beachtung gefunden.
Daß des Verfassers erstaunliche Arbeitskraft sich
dauernd auf erfreulicher Höhe erhält, haben die
letzten Jahre bewiesen: 1906 erschien Band IV,

1. Leo X.; 1907 Band IV, 2. Adrian VI. und
Klemens VII.; 1909 Band V: Paul III.
Kunst und Kultur im Vatican in der für das
Papsttum so verhängnisvollen ersten Hälfte des
XVI. Jahrhunderts erfahren bei Pastor in den drei
letzten Bänden seiner Werke eine sehr eingehende
Würdigung. Im allgemeinen ist die Darstellung
ebenso fließend wie belehrend und erschöpfend. Der
Kunsthistoriker von Fach allerdings wird sich
schwerlich alle Urteile des Verfassers ohne weiteres
aneignen; für ihn sind zunächst vor allem wieder
die Quellenangaben von Wert, die Pastor in be-
sonderen Anhängen gesammelt hat. Will man
Spezialfragen der Kunst jener Tage im Zusammen-
hänge mit der Zeitgeschichte behandeln, so ist ein
solches Unternehmen ohne Benutzung der Bände
Pastors schlechterdings nicht denkbar. Das gilt
nicht nur im Großen sondern auch im Kleinen.
Auch die Literatur über die Sixtinische Madonna
in Dresden findet man z. B. bei Pastor vollständig
angegeben. Möchte man etwas über die heute
noch immer nicht völlig aufgeklärte Frage über
die Majolika-Industrie der Medici erfahren, Pastor
weiß, daß sich vor allem im Musee de Cluny
höchst merkwürdige Stücke mit dem Medici-Papst-
Wappen befinden, und er gibt uns auch hier die
einschlägige Literatur.
Vor allem aber gelingen diesem Forscher bei
seiner einzigartigen Kenntnis der Archive Italiens,
bei seinem rastlosen Streben nach Vollständigkeit
und abschließenden Resultaten, immer wieder
größere und kleinere Entdeckungen, die für unsere
kunsthistorische Quellenkunde oft von einschneiden-
der Bedeutung sind.
Wie seltsam berührt der von Pastor erbrachte
Nachweis, daß an den Wänden der Sixtinischen
Kapelle noch zum letztenmal vor ihrer Zerstreuung
in alle Winde Raffaels Teppiche prangten, als
dort im Schreckensjahre 1527 die Leiche Bourbons
geborgen wurde! Wie wertvoll sind alle seine
Ausführungen zu Raffaels Arbeiten in den Loggien!
Wie merkwürdig ist der Auszug aus einem Briefe
Castigliones an Isabella d'Este, in dem er das
sorglose Leben Leos im Vatikan schildert, seine
Freude an der Musik, seine Teilnahme für die
Bauunternehmungen im Vatikan und vor allem für
die Loggien, die er als seine eigenste Schöpfung be-
trachten konnte. Mit Recht weist Pastor bei dieser
Gelegenheit wieder auf die merkwürdigen Kopien
der Loggien-Gemälde im Vatikan und in der
Wiener Hofbibliothek hin, mit Recht betont er
den Wert des libro di ricordi v. J. 1513 im Archiv von
St. Peter, wo sich gerade über Bramantes Bauten
noch kostbare Belege finden.

29
 
Annotationen