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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Zwei völlig unbekannte Breven Leos X. hat
Pastor in der Ambrosiana entdeckt. Beide sind
v. J. 1514 datiert und beziehen sich auf Fra
Giocondos Ernennung zum Oberarchitekten von
St. Peter und Giuliano da Sangallos Bestimmung
zum Administrator. Pastor weist dann weiter aus
dem Diarium des Paris de Grassis nach, daß
bereits Raffael durch seine Bauten v. J. 1514 den
Kanonikern von St. Peter die Möglichkeit gab,
wieder in der alten Peterskirche zu amtieren. Die
große Mauer zwischen dem Langhaus der alten
Basilika und dem Kuppelbau, deren Zeichnung
uns Grimaldi erhalten hat, wurde ja bekanntlich
erst viel später von Paul III. ausgeführt.
Adrians VI. kurzes Pontifikat konnte der Ver-
fasser auch was die Kunst anlangt in aller Kürze
behandeln. E. Müntz hat in der Tat in den
Rechnungsbüchern dieses Papstes nur eine einzige
Ausgabe für künstlerische Zwecke gefunden, die
sich auf Goldschmiedearbeiten zum Schmuck einer
Madonna beziehen. Aber Pastor kann diesem
vielverkannten Papste noch ein anderes Verdienst
um die Kunst nachweisen: Adrian ließ die von
Leo X. verpfändeten Teppiche Raffaels wieder
einlösen und in der Sixtina aufhängen. Selbst-
verständlich finden wir bei Pastor auch über das
glänzende Grabmal Adrians mit der bekannten
vielsagenden Inschrift die gesamte Literatur zu-
sammengetragen.
Klemens VII. künstlerisches Mäcenat wurde
durch den Sacco di Roma jäh unterbrochen. Da-
mals löste sich die Schule Raffaels auf; ein großer
Teil der in Rom beschäftigten Künstler verloren
Leben oder Vermögen. Bei dieser Gelegenheit
wird Lorenzo Lotto (p. 558) versehentlich als Bild-
hauer aufgeführt; das Missale Romanum KlemensVII.
befindet sich nicht, wie Pastor angibt, im Berliner
Kupferstichkabinett. Ich selbst suchte es dort
vergebens, und es dürfte schwer sein zu erfahren,
wo es sich heute befindet. Wichtig sind vor allem
zwei bis dahin unbekannte Breve von 1531 und
1533, welche die Ernennung Peruzzis zum Archi-
tekten von St. Peter betreffen. Ferner hat Pastor
im Staatsarchiv zu Florenz Zahlungsanweisungen
an G. Barile entdeckt, der die berühmten Türen
der Loggien schnitzte. Er bringt auch ein neues
Dokument bei, Bandinellis Kopie des Laocoon
betreffend.
Wir alle wissen ja, wie sich Klemens VII. schon
als Kardinal als Gönner Michelangelos betätigt
hat. Und wenn er auch nicht immer glücklich
war in der Behandlung eines Charakters, der
selbst den Päpsten Furcht einflößte, so verdanken
wir seiner Munifizenz doch die Bibliothek der

Laurenziana und die Medici-Kapelle in Florenz.
Kurz vor seinem Tode bestimmte Klemens VII.
noch den Widerstrebenden, die Altarwand in der
Sixtinischen Kapelle auszumalen. Auch hierfür
bringt Pastor aus einem Briefe datiert aus Venedig
vom 2. März 1534 einen merkwürdigen Beleg bei,
in dem es heißt, daß es dem Papst endlich ge-
lungen sei, Michelangelo zu bestimmen, in der
Kapelle die „Auferstehung" zu malen. Im Anhang
publiziert dann Pastor noch einen für die Michel-
angelo-Regesten nicht unwichtigen Brief des Fran-
cesco Gonzaga an den Herzog von Mantua, der
sich für seinen Palazzo del Te ein Werk Michel-
angelos wünschte, aber natürlich nicht erhielt.
Das Pontifikat Pauls III. bedeutet einen letzten
Höhepunkt des päpstlichen Mäcenats im Cinque-
cento, den selbst Pius IV. und Gregor XIII. nicht
wieder erreicht haben. Die Quellen, welche Pastor
hier erschlossen hat, fließen besonders reichlich.
Kaum jemals voher haben die Kunstbestrebungen
der Farnese eine gleich umfassende kritische
Würdigung erfahren wie hier. Das Mäcenat der
Rovere und der Medici kennen wir ziemlich genau.
Für alles, was die Farnese getan haben um sich
der Nachwelt in Bauten und Bildern zu erhalten,
hat erst Pastor die Grundlage geschaffen, auf der
wir getrost weiter bauen können. Was haben Paul III.
und seine Nepoten nicht alles in Rom gebaut!
Die Befestigung der Stadt, der Umbau des Kapi-
tols, Umbau und Ausschmückung der Engelsburg,
die Anlage des Kloster-Palastes von Aracoeli, die
Fortsetzung des Neubaues von St. Peter — das
waren Aufgaben, wie sie sich seit Julius II. kein
Papst mehr gestellt hatte. Auch hierzu publiziert
Pastor eine Reihe von Breven vor allem Guiliano
da Sangallo betreffend zum erstenmal; er hat für
die Übertragung der Marc-Aurels-Statue vom
Lateran aufs Kapitol ein neues Datum aufgestellt;
er bringt auch für die Beurteilung des Jüngsten
Gerichtes durch die Zeitgenossen, für seine Er-
klärung und Geschichte mehr als ein neues Moment
bei. Wer endlich über die Baugeschichte von
St. Peter feste Daten und vollständige Literatur
sucht, wird sie bei Pastor mit manchen neuen und
wertvollen Angaben finden.
Die Kunstwissenschaft hat es seit langem mit
Dankbarkeit anerkannt, was ihr ein Forscher wie
Pastor an grundlegenden Bereicherungen zuge-
führt hat. Jetzt öffnet sich dem Verfasser mit
den Pontifikaten Julius III.,Pius IV. und Gregors XIII.
vor allem ein neues von der kunsthistorischen
Forschung wenig bearbeitetes Feld. Möchten ihm
auch hier reiche Früchte die rastlose Arbeit
lohnen! E. Steinmann.

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