J. P. RICHTER, The Mond Collection.
London, John Murray, 1910.
Die Publikation der berühmten Sammlung von
Dr. Ludwig Mond bedeutet ein Denkmal in der
Geschichte des Sammelwesens. Die hier in einem
großartigen Rahmen niedergelegte wissenschaftliche
Arbeit des Herausgebers ist nicht weniger bedeutend
wie die äußere Form, in der diese Publikation an
die Öffentlichkeit tritt. Beides darf schlechthin
als vorbildlich angesprochen worden.
Zwei reich mit Tafeln durchsetzte voluminöse
Textbände, deren technische Aufmachung dem
Verleger alle Ehre macht und dazu eine pracht-
volle Tafelmappe mit 41 Heliogravüren vermitteln
restlos eine Anschauung von dem Bestände der
Sammlung und der wissenschaftlichen Bedeutung
der einzelnen Werke, wie sie eindringlicher kaum
hätte gegeben werden können.
In dieser einzigen Sammlung ist die italienische
Kunstgeschichte in ihrer ganzen Entwicklung und
mit Hauptwerken ihrer prominentesten Erschei-
nungen beinahe lückenlos vertreten. Für die Dis-
position der Bearbeitung ergab sich deshalb wie
von selbst der nach Territorien eingestellte Ge-
sichtspunkt. So behandelt der erste Band, dem
das Porträt des Sammlers vorangestellt ist, zu-
nächst die venetianische Malerei, mit jenen Meister-
schöpfungen des Giovanni Bellini, Cima, Bissolo,
Palma und Tizian, denen sich die Künstler der
späteren Zeit anschließen. Ein zweiter Abschnitt
gilt Mantegna und der Malerschule von Verona.
Der zweite Band beginnt mit Lionardo und der
lombardischen Schule, leitet dann zur Malerei von
Toskana und von hier nach Umbrien über. Bologna
und Ferrara beschließen die Untersuchungen über
die italienische Kunst, während in einem Schluß-
kapitel die spanische Malerei gesondert zu Worte
kommt.
In einer besonderen Einleitung gibt Richter
einen Überblick über die Bedeutung und die Ge-
schichte der Sammlung im Großen. Er umschreibt
die allmähliche Entwicklung des öffentlichen und
privaten Sammlers, wie sie Hand in Hand mit
der fortschreitenddn Erkenntnis der Wissenschaft
gegangen ist, zeichnet das Ideal des Sammlers,
wie es Dr. Mond verkörpert hat und gibt nach
einigen kunstwissenschaftlich - theoretischen Er-
klärungen eine Aufstellung derjenigen Bilder, die
aus dem Besitz von Dr. Mond in den Bestand
anderer Sammlungen gekommen sind.
Mit diesen Andeutungen ist nur die Disposition
des Werkes im allgemeinen umschrieben. Die
Methode der wissenschaftlichen Untersuchung aber
hebt gerade diese Publikatoin weit aus dem Rahmen
ihrer ursprünglichen Aufgabe heraus. Dieser Katalog
der Sammlung Mond hat sich zu einem Oeuvre-
katalog der italienischen Malerei erweitert. Indem
er nämlich das einzelne Bild aus der Sammlung
nicht für sich, sondern stets im Zusammenhang
mit dem Lebenswerk seines Schöpfers betrachtet,
indem er zurückgreifend die Fäden der historischen
Evolution abspinnt und auf Grund von Dokumenten
und wissenschaftlichen Spezialuntersuchungen jeder
Arbeit chronologisch vergleichend ihre besondere
Stelle zuweist, gewinnt er erst die Grundlagen für
das logische Einordnen des in der Sammlung
Mond vertretenen Kunstwerkes. Damit aber wächst
sich seine Untersuchung zu einer fundamentalen
Arbeit über die Geschichte der italienischen Malerei
aus und unter solchem Gesichtspunkt darf die
wissenschaftliche Leistung des Bearbeiters als vor-
bildlich angesprochen werden. Dadurch erhält
letzten Endes erst die Publikation als solche ihren
ungeheueren Wert und mögen hier wie dort die
Ansichten der Forscher auch voneinander abweichen,
das Tatsächliche solcher vieljährigen Forscher-
arbeit bleibt bestehen. Es ist nicht zu viel gesagt,
wenn man die ungeheuere Arbeit, die hier nieder-
gelegt ist, als das monumentale Lebenswerk eines
Kunstgelehrten anspricht, der auch am Zusammen-
bringen jener Schätze selbst einen hervorragenden
Anteil gehabt hat. Denn Richters wissenschaft-
liche Unterstützung datierte von 1884 her. Er ist
den vom Sammler gewiesenen Direktiven „daß
diese Sammlung eine Repräsentation der italieni-
schen Kunst im Großen sein solle" mit Glück
gefolgt und daß es ihm im Verein mit jenem
opferfreudigen Besitzer gelungen ist, in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit etwas Mustergültiges zu schaffen,
beweist die an kunstgeschichtlichen Forschungs-
ergebnissen reiche Arbeit dieses Prachtkataloges.
Interessant wirkt im Hinblick auf das moderne
Sammelwesen jener Abschnitt der Einleitung, wo
sich Richter über den Nutzen der Morellischen
Methode für den Sammler äußert, die sich bei
der Mondcollection mehr als einmal praktisch be-
währt hat und der die Sammlung ganz allein ihre
hohe Qualität dankt. Morelli war der Freund des
verstorbenen Besitzers und ihm dankt auch der
Verfasser des Kataloges für seine Beihilfe.
Was im Einzelnen die wissenschaftlichen Er-
gebnisse für sich bedeuten, in wieweit sie die
kunstgeschichtlichen Forschungen auf dem Gebiet
der italienischen Malerei bereichern und beein-
flussen, werden wohl zur Genüge die Spezialarbeiten
der nächsten Jahre dartun, in denen mehr als ein-
mal auf die Richtersche Arbeit zurückgegriffen
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London, John Murray, 1910.
Die Publikation der berühmten Sammlung von
Dr. Ludwig Mond bedeutet ein Denkmal in der
Geschichte des Sammelwesens. Die hier in einem
großartigen Rahmen niedergelegte wissenschaftliche
Arbeit des Herausgebers ist nicht weniger bedeutend
wie die äußere Form, in der diese Publikation an
die Öffentlichkeit tritt. Beides darf schlechthin
als vorbildlich angesprochen worden.
Zwei reich mit Tafeln durchsetzte voluminöse
Textbände, deren technische Aufmachung dem
Verleger alle Ehre macht und dazu eine pracht-
volle Tafelmappe mit 41 Heliogravüren vermitteln
restlos eine Anschauung von dem Bestände der
Sammlung und der wissenschaftlichen Bedeutung
der einzelnen Werke, wie sie eindringlicher kaum
hätte gegeben werden können.
In dieser einzigen Sammlung ist die italienische
Kunstgeschichte in ihrer ganzen Entwicklung und
mit Hauptwerken ihrer prominentesten Erschei-
nungen beinahe lückenlos vertreten. Für die Dis-
position der Bearbeitung ergab sich deshalb wie
von selbst der nach Territorien eingestellte Ge-
sichtspunkt. So behandelt der erste Band, dem
das Porträt des Sammlers vorangestellt ist, zu-
nächst die venetianische Malerei, mit jenen Meister-
schöpfungen des Giovanni Bellini, Cima, Bissolo,
Palma und Tizian, denen sich die Künstler der
späteren Zeit anschließen. Ein zweiter Abschnitt
gilt Mantegna und der Malerschule von Verona.
Der zweite Band beginnt mit Lionardo und der
lombardischen Schule, leitet dann zur Malerei von
Toskana und von hier nach Umbrien über. Bologna
und Ferrara beschließen die Untersuchungen über
die italienische Kunst, während in einem Schluß-
kapitel die spanische Malerei gesondert zu Worte
kommt.
In einer besonderen Einleitung gibt Richter
einen Überblick über die Bedeutung und die Ge-
schichte der Sammlung im Großen. Er umschreibt
die allmähliche Entwicklung des öffentlichen und
privaten Sammlers, wie sie Hand in Hand mit
der fortschreitenddn Erkenntnis der Wissenschaft
gegangen ist, zeichnet das Ideal des Sammlers,
wie es Dr. Mond verkörpert hat und gibt nach
einigen kunstwissenschaftlich - theoretischen Er-
klärungen eine Aufstellung derjenigen Bilder, die
aus dem Besitz von Dr. Mond in den Bestand
anderer Sammlungen gekommen sind.
Mit diesen Andeutungen ist nur die Disposition
des Werkes im allgemeinen umschrieben. Die
Methode der wissenschaftlichen Untersuchung aber
hebt gerade diese Publikatoin weit aus dem Rahmen
ihrer ursprünglichen Aufgabe heraus. Dieser Katalog
der Sammlung Mond hat sich zu einem Oeuvre-
katalog der italienischen Malerei erweitert. Indem
er nämlich das einzelne Bild aus der Sammlung
nicht für sich, sondern stets im Zusammenhang
mit dem Lebenswerk seines Schöpfers betrachtet,
indem er zurückgreifend die Fäden der historischen
Evolution abspinnt und auf Grund von Dokumenten
und wissenschaftlichen Spezialuntersuchungen jeder
Arbeit chronologisch vergleichend ihre besondere
Stelle zuweist, gewinnt er erst die Grundlagen für
das logische Einordnen des in der Sammlung
Mond vertretenen Kunstwerkes. Damit aber wächst
sich seine Untersuchung zu einer fundamentalen
Arbeit über die Geschichte der italienischen Malerei
aus und unter solchem Gesichtspunkt darf die
wissenschaftliche Leistung des Bearbeiters als vor-
bildlich angesprochen werden. Dadurch erhält
letzten Endes erst die Publikation als solche ihren
ungeheueren Wert und mögen hier wie dort die
Ansichten der Forscher auch voneinander abweichen,
das Tatsächliche solcher vieljährigen Forscher-
arbeit bleibt bestehen. Es ist nicht zu viel gesagt,
wenn man die ungeheuere Arbeit, die hier nieder-
gelegt ist, als das monumentale Lebenswerk eines
Kunstgelehrten anspricht, der auch am Zusammen-
bringen jener Schätze selbst einen hervorragenden
Anteil gehabt hat. Denn Richters wissenschaft-
liche Unterstützung datierte von 1884 her. Er ist
den vom Sammler gewiesenen Direktiven „daß
diese Sammlung eine Repräsentation der italieni-
schen Kunst im Großen sein solle" mit Glück
gefolgt und daß es ihm im Verein mit jenem
opferfreudigen Besitzer gelungen ist, in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit etwas Mustergültiges zu schaffen,
beweist die an kunstgeschichtlichen Forschungs-
ergebnissen reiche Arbeit dieses Prachtkataloges.
Interessant wirkt im Hinblick auf das moderne
Sammelwesen jener Abschnitt der Einleitung, wo
sich Richter über den Nutzen der Morellischen
Methode für den Sammler äußert, die sich bei
der Mondcollection mehr als einmal praktisch be-
währt hat und der die Sammlung ganz allein ihre
hohe Qualität dankt. Morelli war der Freund des
verstorbenen Besitzers und ihm dankt auch der
Verfasser des Kataloges für seine Beihilfe.
Was im Einzelnen die wissenschaftlichen Er-
gebnisse für sich bedeuten, in wieweit sie die
kunstgeschichtlichen Forschungen auf dem Gebiet
der italienischen Malerei bereichern und beein-
flussen, werden wohl zur Genüge die Spezialarbeiten
der nächsten Jahre dartun, in denen mehr als ein-
mal auf die Richtersche Arbeit zurückgegriffen
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