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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Steinmann, Ernst: Raffael im Musée Napoléon
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0034

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Annibal Caracci und eine hl. Jungfrau von Perugino - — halb gesäubert aufstellen, da-
mit das Publikum sehen könne, wie nötig das Säubern war, und mit welcher Vor-
sicht und Kunst diese Arbeit vorgenommen wird." Miß Berry, deren Schilderungen
aus Paris damals die weiteste Verbreitung fanden, sah bei genauer Untersuchung,
daß die Restauration der alten italienischen Meister „vernichtend" gewesen war1).
„Ich meine", fügt sie hinzu, „vernichtend den Charakter der Malerei und die Eigen-
art des Malers". Noch härter lautet das Urteil von John Scott, dessen „Besuch
in Paris" von 1814 —1816 fünf Auflagen erlebte, „Raphael — so schreibt er —
darf nicht nach seinen Arbeiten im Louvre beurteilt werden. Ach! es ist nicht ein
einziges Werk von ihm da — mit Ausnahme der Vision des Ezechiel aus alten
königlichen Besitz — das nicht verstümmelt, übermalt, gescheuert und fast zur
Ruine entstellt wurde von den gefühllosen, abscheulichen Franzosen!" Allerdings
John Scott war kein Bewunderer der „grande Nation" aber ein klarer Kopf und ein
feiner Beobachter, der zwar seine Antipathien nicht verbarg, aber immer bestrebt war,
seinen Lesern die Wahrheit zu sagen. Wir haben deshalb auch keinen Grund, an
der Richtigkeit einer Anekdote zu zweifeln, welche die Restauration eines Correg-
gio betrifft. „Girodet, der französische Maler", schreibt er, „übermalte jüngst alle
Köpfe eines der köstlichsten Gemälde von Correggio. Man machte Denon Vor-
würfe über diese Entweihung, aber er antwortete gelassen: Man müsse doch zu-
geben, daß Correggios Köpfe nichts weniger als schön seien",.
Aber nicht nur Laien haben über die Restauration der italienischen Meister damals
den Kopf geschüttelt. Ein Mann, der in Paris als höchste schöpferische Kraft und
als größte Autorität in Kunstsachen galt, David, das bewunderte und gefürchtete
Haupt der Französischen Schule, hat sich nicht minder abfällig geäußert. Der
Schweizer Ulrich Hegner, der im Jahre 1801 in Paris war, schildert ausführlich
eine Unterredung, die er mit dem Maler der Sabinerinnen in seinem Atelier gehabt
hat: „Auf die Restaurationen", schreibt er, „die mit den eroberten Kunstsachen —
denen er, wie alle Künstler, die in Italien gewesen, lieber den alten Platz in ihrem
Vaterlande gegönnt hätte — vorgenommen werden, war er übel zu sprechen: C'est
comme si l'on m'egratignait le visage, quand je vois cela; man hätte sie lassen
sollen wie sie sind, meinte er, man sei nicht einmal mit dem bloßen Ausbessern
zufrieden, ils les peignent; die Dominichine haben sie ganz übermalt; in zehn Jahren
werde man den Schaden sehen. So mache man es auch mit den Statuen, den
Apollo sogar haben sie geseift und gekratzt [savonne et grate], um das Rötliche
des Altertums, das sich an den Marmor setze und das man so gerne darauf
sehe, wegzubringen. Er habe es dem Konsul und den Ministern gesagt, aber es
helfe nichts"4).

(1) Extracts of Journals and correspondance of Miss Berry, London 1865, II, 134... their reparations
are destroying. I mean destroying the identity of the picture and the touch of the masters.

(2) A visit to Paris in 1814, 5th edition, London 1816, S.254: Raphael must not be judged by his
works in the Louvre. Alas! there is not a single work of his there — except the vision of Ezechiel,
which was in the old Royal collection — which has not been mutilated, stippled, scrubbed and over-
whelmed almost to ruin by the unfeeling, detestable French. Ein anderes, wohl beglaubigtes Exem-
plar der Vision Ezechiels hatte sich tatsächlich in Paris in der Sammlung Orleans befunden und
gelangte später nach England (Filhol, Galerie du Musee de France III, Lief, 33, Pl. I). Das im Musee
Napoleon ausgestellte Exemplar stammte aus dem Palazzo Pitti.

(3) a. a. O., S. 74.

(4) Hegners gesammelte Schriften I: Auch ich war in Paris. Berlin 1824, S. 308. David führte
unter dem Konsulat den Titel: peintre du Gouvernement, später: premier peintre de l'Empereur.

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