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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Zucker, Paul: Zur Kunstgeschichte des klassizistischen Bühnenbildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0080

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Gartenparterres mit großen Brunnenplastiken angeordnet, dazwischen Fabeltiere
und Gondeln in japanisierender Art. Während diese Kompositionen formal
immerhin noch keine besonders charakteristischen Momente darbieten, zeigt
das entzückende Wasserfest, das Servandoni 1740 gelegentlich der Hochzeits-
feierlichkeiten in Paris ausrichtete 9, architekturgeschichtlich eigenartige Anord-
nungen. Ein Pavillon war in der Mitte der Seine als Zentralbau errichtet (Abb. 1).
Er bildete gleichzeitig den Standort für die Musik, wie den Mittelpunkt der Illu-
mination und des Feuerwerks. Alle Architekturteile dieses umfangreichen Säulen-
baues mit Kolonnaden und Treppenanlagen waren, wie die Unterschrift ergibt,
transparent und von innen heraus erleuchtet. In der Gesamtansicht schließt sich
die Seine mit ihren Wasserarchitekturen, der erleuchteten Insel, ihren Gebäuden
und den schwimmenden riesenhaften Wassertieren zu einer großartigen Kom-
position zusammen, die bei aller Phantastik im einzelnen doch ihren strengen Stil
wahrt. Den Hintergrund bildete ein von Salley angeordnetes Feuerwerk, das
selbstverständlich sich der architektonischen Fügung vollständig einordnete. In
ähnlicher Form wurden die Feste der Stadt Straßburg von 1744 und das Hoch-
zeitsfest des Dauphin 1745 und 1747 in Paris, sowie die Krönungsfeier Franz I.
im Haag gefeiert und veröffentlicht2). Alle diese Feste waren zwar nicht von
Servandoni selbst mehr entworfen, aber doch noch von ihm beeinflußt. In
ihrer zeitlichen Folge erscheinen übrigens diese Festarchitekturen je später,
desto mehr gelockert in ihrem Aufbau und desto willkürlicher in ihrer Anord-
nung, woraus zu schließen ist, daß sein Einfluß gegenüber den allgemeinen
Zeittendenzen des Rokoko allmählich mehr zurücktritt.
Endlich muß noch bemerkt werden, daß Servandoni auch der Erfinder so-
genannter stummer Schauspiele ist, also der Anreger der späteren Dioramen und
Panoramen. Diese stummen Schauspiele zeigten lediglich Folgen von Deko-
rationen, die, unbelebt von Schauspielern, Architekturen und Landschaften auf
die Bühne brachten. Zu solchen stundenlang währenden „Spectacles de Deco-
ration" hatte Servandoni die Geschichte der Pandora, des Tasso, von Hero
und Leander verarbeitet und sie als reine Gemälde vor den Augen der Zuschauer
vorbeiziehen lassen. Die Figuren waren dabei als Staffage fest auf die wan-
delnden Dekorationen gemalt. Die Vorstellungen wurden von Musik begleitet
und erfreuten sich regelmäßig großen Beitalls des Publikums 8).
Ohne eine eigentliche Kampfstellung gegen den herrschenden Geschmack der Zeit
einzunehmen, brachte Servandoni in seinen Bühnenbildern, Festdekorationen
und diesen Wandeldioramen den gleichen strengen Stilwillen zum Ausdruck.
Eine Folgeerscheinung dieser einheitlichen Tendenz ist die Möglichkeit, seine
Phantasiebauten ohne weiteres in reale Steinkonstruktionen zu übertragen (St. Sul-

(1) Vgl. Description Des Festes Donnies Par La Ville De Paris A L'Occasion Du Mariage
De Madame Louise Elisabeth De France... Paris 1740. Stiche von Blondel.

(2) Vgl. I. M. Weis. Representation Des Fetes Donnies Par La Ville De Straßbourg
Pour La Convalescance Du Roi... Paris (1744) o. J. Ferner vgl. Fetes Publiques Donnies
Par la Ville De Paris, A L'Occasion Du Mariage De Monseigneur Le Dauphin. Le 23
et 26 Fevrier 1745. Paris 0. J. (1745!). Ferner vgl. Fetes Publiques Donnees Par La Ville
De Paris A L'Occasion Du Mariage De Monseigneur Le Dauphin Le 13 Fevrier 1747,
Paris 0. J. (1747) und endlich vgl. Description Des Principales Röjouissances ... A L'Oc-
casion Du Couronnement de. .. Francois I. A La Haye 1747.

(3) Vgl. Mercure de France. Paris 1748 und folgende Jahre. Ausführlich darüber bei

G. Bapst. Essai sur l'histoire des Panoramas und des Dioramas. Paris 1891.

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