Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

DOI article:
Rintelen, F: Dante über Cimabue II
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0108

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
hatte mit der These, Vasaris Vita des Cimabue sei keine gute kunstgeschichtliche
Quelle, unbedingt recht, und indem er die Vorgeschichte der Vita durch zwei
Jahrhunderte zurückverfolgte, stellte er ein in unserer Wissenschaft denkwürdiges
Beispiel systematischer Quellenuntersuchung auf.
Aber, um ein früher von mir gebrauchtes, von einigen anderen Verehrern Wick-
hoffs gern akzeptiertes Wort zu wiederholen: dieser Gelehrte war ebenso seltsam
wie hervorragend, und es geschah ihm, daß er mitten im Eintreten für die leben-
digste Wahrheit den verderblichsten Irrtümern den Weg eröffnete. Auch in
unserem Falle; denn so vortrefflich das Ziel seiner Quellenkritik gewesen ist, in
der Durchführung bekundete Wickhoff doch eher eine gewisse Brillanz im Kom-
binieren, als das ganz eigentliche, rechte, philologische Zartgefühl. Er hatte recht,
den Kunsthistorikern die vielfältige Willkür vor Augen zu führen, die beim Zu-
standekommen der geläufigen Cimabue-Vorstellungen mitgewirkt haben; aber er
begab sich ins Unrecht, in das Gebiet des Unbeweisbaren und der Mißdeutungen,
als er nun schlechterdings alles Willkür nannte und einfach vergaß, daß die drei
Verse in der Göttlichen Komödie, die den Cimabue nennen, eine sehr solide Basis,
ja vielmehr ein gesunder organischer Keim für die spätere Geschichtsschreibung
hatten sein müssen. Im Streit gegen Vaseris Autorität ließ Wickhoff die des
Dante zu kurz kommen; fast gleichgültig ging sein Aufsatz über die so importante
Erwähnung Cimabues durch Dante hinweg1).
Und nicht nur das, sondern er leitete die ganze Diskussion über die Cimabue-
Frage auf einen schwankenden Boden, indem er die seit dem 15. Jahrhundert auf-
kommende historische Konstruktion, die Cimabue als Schöpfer einer neuen Kunst-
weise und der modernen italienischen Malerei überhaupt betrachtete, mit der alten
ganz naiven Berichterstattung, Cimabue sei ein ausgezeichneter Maler gewesen,
durcheinander brachte. Solange aber diese Dinge: Nachricht und späte konstruie-
rende Interpretation nicht sauber getrennt bleiben, ist eine Klarheit unmöglich,
und es ist sehr bezeichnend, daß Dvorak die sämtlichen rhetorischen Effekte seiner
gegen mich gerichteten Erwiderung aus dem durch Wickhoff verschuldeten Doppel-
sinn der Fragestellung gewonnen hat. Wiederholt macht er mich zu einem An-
hänger der von Vasari repräsentierten Geschichtskonstruktion, während ich doch
einzig dafür eingetreten bin, man solle die Worte Dantes wichtiger nehmen als
Wickhoff getan hat, und noch ausdrücklich, trotz mancher Bedenken, den Satz ge-
schrieben habe, Wickhoffs „grundsätzlicher Zweifel an Vasari sei gewiß besser als
die unbesonnene Hinnahme, gegen die er kämpfte". Was ich forderte, war, daß
wir den Namen Cimabue nicht, weil die Zeit soviel Irrtümliches auf ihn gehäuft
hat, für eine Irreführung, vor der man sich in acht zu nehmen habe, ansehen
möchten, sondern für ein wissenschaftliches Postulat, das uns zu erfüllen obliege.
Ich bin nun in der Tat der Meinung, daß selbst die Vasarischen Aufstellungen
nicht so vollkommen belanglos sind, wie Wickhoff behauptete. Vasari ist keine
Autorität, und wir brauchen uns kaum Sorge darüber zu machen, wenn unsere
Erkenntnisse mit ihm nicht in Einklang stehen, aber der Beweis, daß alles, was
er über das Ducento berichtet, wertlos sei, gleich irgendeinem betrügerischen oder
(1) So hält es auch J. v. Schlosser, indem er Cimabue trotz der Erwähnung durch Dante eine „durch-
aus legendenhafte und anekdotische Gestalt" nennt. (Materialien zur Quellenkunde der Kunstgeschichte.
Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Band 177, Hefts. ^M) Der Aufsatz bringt, wie es bei
J. v. Schlosser nicht anders zu erwarten, die reichste Belehrung, aber den Danteversen ist darin ge-
wiß weder nach vorwärts noch nach rückwärts die richtige Stelle angewiesen.

98
 
Annotationen