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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0130

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RICHARD KLAPHECK, Die Baukunst
am Niederrhein. Erster Band. Von
der Baukunst des Mittelalters bis zum
Ausgange des 17. Jahrhunderts. Düssel-
dorf 1915/16.
Der Kunstverein für die Rheinlande und West-
falen hat dies Buch der Heimatkunst seinen Mit-
gliedern zur Erinnerung an die hundertjährige
Vereinigung der Rheinlande mit der Krone Preußen
gewidmet. Der Verfasser Klapheck, durch wert-
volle baugeschichtliche Monographien als guter
Kenner niederrheinischer und westfälischer Kunst
erwiesen, hat sich in Gemeinschaft mit Queden_
feldt, der die Aufnahmen machte, die Kenntnis
niederrheinischer Kunst erwandert. So beginnt
dies Buch mit einem Vorspiel: Charakteristik der
niederrheinischen Landschaft. Die Grenzen dieses
Gebietes können nicht identisch sein mit den
politischen Grenzen. Klapheck faßt das Gebiet
von Aachen und Köln bis über das Clever Land
hinaus, das Gebiet zwischen Maas und Rhein als
einheitliche optische Zone zusammen. Das hol-
ländische Gelderland und das preußische Münster-
land bilden mit dem Niederrhein eine große Kunst-
provinz.
Das Buch ist ausdrücklich nicht für den Kunst-
historiker geschrieben. Damit ist der Maßstab für
die Beurteilung in die Hand gedrückt. Trotzdem
muß in dieser Zeitschrift darauf hingewiesen
werden, einmal weil eine Fülle neuen Materials
geboten wird, dann aber auch, weil mit Glück der
Anlauf gemacht wird, dieses Material in histo-
rischen Zusammenhang zu bringen. Allerdings
bescheidet sich der Verfasser von vornherein, er
weist immer wieder auf noch unentwirrte Knoten,
aber er tröselt sie nicht auf. Das Thema des Buches
bildet im engeren Sinne der niederrheinische Back-
steinbau und noch einmal eingeschränkt die Pro-
fanbaukunst. Eine erste Blüte des Backsteinbaus
bricht auf unter Herzog Adolf von Cleve um die
Mitte des 15. Jahrhunderts. Das ist die Gruppe des
clevischen Kastells. Französisch - burgundische Ein-
flüsse erklären bei der Verbindung der Höfe von
Cleve und Burgund die Regelmäßigkeit des Grund-
risses hier doch gewiß leichter als ein Zurück-
greifen auf römisch - rheinische Kastellanlagen.
Denn gleichzeitig entsteht mit polygonalem Grund-
riß die Gruppe der Landesburgen Kurkölns, das
keine Kulturgemeinschaft mit Burgund hatte, wohl
aber ebensosehr Einflüssen der Römerbauten aus-
gesetzt gewesen wäre. Was hier an Raumkunst zu-
grunde ging, kann man noch in Burg Lechenich,
dem stattlichsten Backsteinbau Kurkölns ahnen.

Linn, von Erzbischof Friedrich von Saarwerden
nach 1385 erbaut, soll nach Klapheck Hülchrath
zum Vorbild haben. Aber die Grundrisse stimmen
nur im gröbsten überein und die oberen Teile
der Türme Hülchraths können nach der Form
ihrer Konsolkränze nicht vor der Mitte des 15. Jahr-
hunderts entstanden sein. Der Verfasser zieht den
Kreis weiter und schildert die baukünstlerische
Bedeutung der Befestigungsgürtel rheinischer Städte,
die Anlage kastellartiger befestigter Plätze wie
Zons und Kempen und geht dann der Entwick-
lung verschiedener Tortypen nach. Hier kann
ich Klaphecks Ansicht nicht beipflichten, daß das
Doppeltor aus einer Verselbständigung der flan-
kierenden Tortürme, die vorgeschoben in einem
Vorbau zusammentreten, entstanden sei. Vielmehr
ist diese Anlage mit flankierenden Wehrgängen
zwischen zwei Torbauten schon viel früher vor-
handen, ihre Entwicklung läuft der des Zweiturm-
tors parallel.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts bekommt die
niederrheinische Kunst ein neues Gesicht unter
Herzog Wilhelm dem Reichen, dem Erbherzog
von Jülich, Cleve und Berg (1539—1592). Nach
dem Stadtbrand in Jülich 1547 wurde Alessandro
Pasqualini aus Bologna berufen. An seinen Na-
men knüpft sich die neue Formanschauung. Seine
erste Tat war Stadtplan, Zitadelle und Schloß von
Jülich zu entwerfen. Für das Jahrhundert Wil-
helms des Reichen ist nicht die Kirche, sondern
das Schloß der charakteristische Träger bau-
künstlerischen Schaffens am Niederrhein. Hier
sitzt Klapheck, der Monograph der Meister von
Schloß Horst, vorzüglich im Sattel. Fülle der
Typen erschwert eine Systematik, dazu die vieler-
lei Umbauten im Laufe der Jahrhunderte. Trotz-
dem gelingt dem Verfasser eine geschickte Grup-
pierung Eine strengere und eine freiere Rich-
tung laufen nebeneinander, bleiben aber territorial
getrennt. Im Herzogtum Jülich bleibt der Kreis
um Pasqualini und Joist de la Court von ent-
scheidendem Einfluß in der Wahl klassischer Bau-
elemente. Ins Herzogtum Cleve dagegen strömt
die Formenwelt niederländischer Renaissance, be-
sonders die von Utrecht, also aus dem Kreis des
Jacob Colyne de Nole. Beide Richtungen aber
zusammen gipfeln in einem in der Formenfülle
unerschöpflichen Bau, dem (abgetragenen) Schloß
Horst im Broiche bei Essen a. d. Ruhr. Klapheck
weist überzeugend nach, daß nicht nur durch Ver-
mittlung der Niederlande und unmittelbare Be-
ziehungen zu Italien die Renaissance am Nieder-
rhein eingeführt wird, sondern daß die nordfran-
zösische Schloßbaukunst in das niederrheinische

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