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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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West, Robert: Der Meister von Grossgmain
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0251

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war diese letzte Zeichnung: „1500 Jar zu Nhonn an der Saale1)." Petzolt, welcher
diese Zeichnungen noch gesehen hat, sagt: „Das geübte Kennerauge mußte diese
Rotstiftzeichnungen für Studien eines deutschen Künstlers halten, welcher auf
einer Reise durch die Lombardei und Venedig mit ausgezeichneter Treue nach
Meisterwerken jener Epochen angefertigt wurden."
Die Initialen B. Z. brachten Petzolt sowie eine Reihe anderer Sachverständiger
auf den Gedanken, daß es sich hier um Zeichnungen Bartholomäus Zeitbloms
handle. Von da war es nur ein Schritt zu der Annahme, daß Bartholomäus Zeit-
blom auch die Großgmainer Bilder gemalt habe. Die Gründe, welche für diese
Theorie vorgebracht wurden, waren folgende: Da für das Jahr 1492 kein anderer
Aufenthaltsort Zeitbloms bekannt ist, so kann er sehr wol in Italien gewesen sein,
da die sechs Rötelzeichnungen offenbar von ein und derselben Hand herrühren
und B. Z. unterzeichnet sind, so sind sie sicher von Bartholomäus Zeitblom, da
der Zeichner B. Z. sich im Jahre 1500 in Nonn bei Reichenhall befand, so hat
er sicher auch im Jahre 1499 die Bilder für die Großgmainer Kirche gemacht,
diese Gemälde sind demnach von Bartholomäus Zeitblom. Petzolt führte ferner
noch eine Reihe stilkritischer Gründe für die Identität des Meisters von Groß-
gmain mit Bartholomäus Zeitblom an, die jedoch von der inzwischen weiter
vorgeschrittenen Forschung längst erledigt worden sind. Er verglich den Tod
Mariae des Bartholomäus Zeitblom in der Pfarrkirche von Bingen bei Sig-
maringen mit dem Tod der Mariae in Großgmain und bemerkte: „Hier wie dort
stirbt die Mutter des Herren — ein eigenartiger; Zug der schwäbischen Schule —
im Kreise der Apostel außerhalb des Lagers." Robert Stiaßny widerlegte
diese Behauptung ganz richtig 2) durch den Hinweis auf ähnliche Kompositionen
in Oberdeutschland und in Salzburg selbst. Gewisse Ähnlichkeiten, welche die
Großgmainer Bilder mit der Malerei Zeitbloms aufweisen, wie der Madonnen-
typus, die kleinen Hände usw., sind ganz offenbar mehr auf den allgemeinen Stil-
charakter der Zeit zurückzuführen, als daß sie persönlicher Natur wären. Noch
im Jahre 1878 schrieb Petzolt: „Ich habe seitdem für meine Sammlungen das
Bild mit der Jahreszahl (Abb. 1) wieder gezeichnet, habe Pausen von Köpfen
der anderen Tafeln meinen Bekannten zur Vergleichung gesandt und jedesmal
die Übereinstimmung mit beglaubigten Werken Zeitbloms erfahren, daher ich
fest auf diesem Meister verharre ... Graf Reisach gab sich alle Mühe, in München
und in Nürnberg nach dem Verbleib jener Zeichnungen von Leopoldskron zu
forschen; allein das geheimnisvolle Verfahren des Verkäufers hatte keine Spur
zurückgelassen."
Obertribunalsrat Abel in Stuttgart, Münzdirektor Böhm und der Konservator
Hauser in Wien sowie Moritz von Schwind stimmten mit Petzolt in der Zu-
schreibung der Großgmainer Tafeln an Zeitblom überein. Nachdem A. Bayers-
dorfer „auf Grund genauer Untersuchungen die Urheberschaft Meister Barthels
verneint" hatte, nahm G. Dahlke im Jahr 1881 die Frage von neuem auf3), um
sich durchaus gegen die Urheberschaft Zeitbloms auszusprechen. Er sah in
den Großgmainer Bildern das, wodurch sie die Werke Zeitbloms bedeutend über,
ragen, „den weltlicheren Sinn, die freiere Anschauung, die stärkere Betonung des
menschlich Wahren, die tiefere Naturauffassung, das Streben nach realistischer

(1) Petzolt, Deutsches Kunstblatt 1852.

(2) Im Jahrbuch der Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses XXIV. 1903.

(3) G. Dahlke, Bartholomäus Zeitblom und die Flügelgemälde zu Großgmain. Reperto-
rium für Kunstwissenschaft IV. (1881).

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