solcher großen Schnitzaltäre war immer eine ganz andere, mehr dekorativ skizzen-
hafte als die der Innenseiten. Lebhafte Farbenwirkungen, strahlender Goldgrund
wurden hier absichtlich vermieden, die angestrebte Wirkung war eher die eines
Steinreliefs, wie denn in den Niederlanden solche Außenflügel tatsächlich in
Steinfarbe ausgeführt wurden. Auch diese beiden Figuren in Großgmain (Abb. 8
u. 9) sind bis zu einem gewissen Grad als Grisaille gedacht, in dem jeder Farb-
ton dem matten Und kühlen Eindruck des Ganzen untergeordnet ist. Beide Ge-
stalten heben sich von einem roten Hintergrund ab und stehen auf grauen Stein-
sockeln. Vergoldetes spätgotisches Maßwerk bildet den oberen Abschluß der
Nischen, in welchen die Figuren stehend gedacht sind, also eine ganz architek-
tonische Darstellung. Beide Figuren sind überlebensgroß. Die Maria (Abb. 8)
hat volles offen niederfließendes blondlockiges Haar und ein feines blasses Ge-
sichtchen. Ich kann die von Robert Stiaßny hervorgehobene Übereinstimmung
ihrer Züge mit den Frauentypen der anderen vier Tafeln nicht sehen, ebenso
wenig finde ich eine Ähnlichkeit zwischen dem Jesuskind auf ihren Armen und
dem zwölfjährigen Jesus im Tempel. Im Gegenteil, eben die zarte anmuts-
volle Schönheit dieses Frauenkopfes ließ mich längere Zeit schwanken, ob man
sie dem Maler jener dicht verhüllten nonnenhaften Frauen des anderen Bildes
zuschreiben könnte. Was mich schließlich doch dazu bestimmte, ist die Haltung,
die Farbengebung und der Fall der Gewandung, ferner auch die Überlegung, daß
kaum zwei so bedeutende Künstlerpersönlichkeiten wie der Schöpfer dieser
Madonna und der, welcher die vier kleineren Tafeln machte, gleichzeitig in
Großgmain am Werk gewesen sein könnten. Das Kleid der Madonna, nur wenig
sichtbar über der Brust und an den Ärmeln, hat einen feinen hellbräunlichen
Ton, ein Meisterwerk ist dann der große, weite, sehr faltige Mantel, dessen
warmes, schönes Weiß dem Maler des jungen weißgekleideten Gelehrten des
Pfingstfestes vollkommen entspricht.
Der Salvator der anderen Tafel (Abb. 9) ist leider ganz übermalt. Der Gesichts-
typus ist dadurch völlig verändert, daß der spitze Bart übermalt wurde und
Christus jetzt bartlos erscheint. Das weiße, violett abgetönte Gewand mit
schmalem Goldsaum scheint weniger gelitten zu haben. Hände und Füße sind
so roh übermalt, daß nichts mehr von der ursprünglichen Behandlung zu er-
kennen ist.
Die monumentale Wirkung der beiden Gestalten legt die Vermutung nahe, daß
die Begabung des Meisters in dieser Linie unterschätzt wird. Das Großzügige
mancher Figur, wie der Maria des Pfingstfestes und der beiden vordersten Apostel
ebendort, der Maria und des Hohenpriesters in der Darbringung sind in dieser
Hinsicht analoge Erscheinungen. Ganz im Gegensatz zu anderen Forschern er-
scheint mir dieser Hang zum Monumentalen bei dem Meister von Großgmain
viel ausgeprägter als der zur Detailmalerei. Wie wuchtig und schwer wirkt z. B.
der dunkle Baldachin über dem Bett der Maria in der Sterbeszene. Wie sind
hier alle jene kleinbürgerlich gemütlichen Zutaten vermieden, welche die deutschen
Maler sonst mit liebevoller Treue nachahmten. Alles ist in großen Formen ge-
geben, gleichsam als sollten hier die großen Massen zur Beruhigung des Ge-
wimmels kleinerer Formen in der Figurengruppe dienen. Aber auch im Ein-
zelnen läßt sich die Liebe zur großen Linie beobachten. In der Tempeldispu-
tation steht der eine Schriftgelehrte links kerzengerade aufgerichtet da, während
sein Mantel in steilen Falten herabfällt. Der unter ihm sitzende Pharisäer, der
äußerste auf der Bank links, ist ebenso in großen ruhigen Maßen aufgebaut, so
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hafte als die der Innenseiten. Lebhafte Farbenwirkungen, strahlender Goldgrund
wurden hier absichtlich vermieden, die angestrebte Wirkung war eher die eines
Steinreliefs, wie denn in den Niederlanden solche Außenflügel tatsächlich in
Steinfarbe ausgeführt wurden. Auch diese beiden Figuren in Großgmain (Abb. 8
u. 9) sind bis zu einem gewissen Grad als Grisaille gedacht, in dem jeder Farb-
ton dem matten Und kühlen Eindruck des Ganzen untergeordnet ist. Beide Ge-
stalten heben sich von einem roten Hintergrund ab und stehen auf grauen Stein-
sockeln. Vergoldetes spätgotisches Maßwerk bildet den oberen Abschluß der
Nischen, in welchen die Figuren stehend gedacht sind, also eine ganz architek-
tonische Darstellung. Beide Figuren sind überlebensgroß. Die Maria (Abb. 8)
hat volles offen niederfließendes blondlockiges Haar und ein feines blasses Ge-
sichtchen. Ich kann die von Robert Stiaßny hervorgehobene Übereinstimmung
ihrer Züge mit den Frauentypen der anderen vier Tafeln nicht sehen, ebenso
wenig finde ich eine Ähnlichkeit zwischen dem Jesuskind auf ihren Armen und
dem zwölfjährigen Jesus im Tempel. Im Gegenteil, eben die zarte anmuts-
volle Schönheit dieses Frauenkopfes ließ mich längere Zeit schwanken, ob man
sie dem Maler jener dicht verhüllten nonnenhaften Frauen des anderen Bildes
zuschreiben könnte. Was mich schließlich doch dazu bestimmte, ist die Haltung,
die Farbengebung und der Fall der Gewandung, ferner auch die Überlegung, daß
kaum zwei so bedeutende Künstlerpersönlichkeiten wie der Schöpfer dieser
Madonna und der, welcher die vier kleineren Tafeln machte, gleichzeitig in
Großgmain am Werk gewesen sein könnten. Das Kleid der Madonna, nur wenig
sichtbar über der Brust und an den Ärmeln, hat einen feinen hellbräunlichen
Ton, ein Meisterwerk ist dann der große, weite, sehr faltige Mantel, dessen
warmes, schönes Weiß dem Maler des jungen weißgekleideten Gelehrten des
Pfingstfestes vollkommen entspricht.
Der Salvator der anderen Tafel (Abb. 9) ist leider ganz übermalt. Der Gesichts-
typus ist dadurch völlig verändert, daß der spitze Bart übermalt wurde und
Christus jetzt bartlos erscheint. Das weiße, violett abgetönte Gewand mit
schmalem Goldsaum scheint weniger gelitten zu haben. Hände und Füße sind
so roh übermalt, daß nichts mehr von der ursprünglichen Behandlung zu er-
kennen ist.
Die monumentale Wirkung der beiden Gestalten legt die Vermutung nahe, daß
die Begabung des Meisters in dieser Linie unterschätzt wird. Das Großzügige
mancher Figur, wie der Maria des Pfingstfestes und der beiden vordersten Apostel
ebendort, der Maria und des Hohenpriesters in der Darbringung sind in dieser
Hinsicht analoge Erscheinungen. Ganz im Gegensatz zu anderen Forschern er-
scheint mir dieser Hang zum Monumentalen bei dem Meister von Großgmain
viel ausgeprägter als der zur Detailmalerei. Wie wuchtig und schwer wirkt z. B.
der dunkle Baldachin über dem Bett der Maria in der Sterbeszene. Wie sind
hier alle jene kleinbürgerlich gemütlichen Zutaten vermieden, welche die deutschen
Maler sonst mit liebevoller Treue nachahmten. Alles ist in großen Formen ge-
geben, gleichsam als sollten hier die großen Massen zur Beruhigung des Ge-
wimmels kleinerer Formen in der Figurengruppe dienen. Aber auch im Ein-
zelnen läßt sich die Liebe zur großen Linie beobachten. In der Tempeldispu-
tation steht der eine Schriftgelehrte links kerzengerade aufgerichtet da, während
sein Mantel in steilen Falten herabfällt. Der unter ihm sitzende Pharisäer, der
äußerste auf der Bank links, ist ebenso in großen ruhigen Maßen aufgebaut, so
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