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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0269

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REZENSIONEN.

JAN FASTENAU, Romanische Bau-
ornamentik in Süddeutschland. Studien
zur deutschen Kunstgeschichte. Heft 188.
Straßburg, Heitz. 1916.
Untersuchungen über Formenwanderung gehören
noch immer zu den dankbarsten Aufgaben der
Kunstgeschichte und beweisen jedesmal, wie sehr
wir noch in den Anfängen der wissenschaftlichen
Erkenntnis stecken. Fastenau unternimmt es, das
reiche Thema der romanischen Bauornamentik in
Süddeutschland aufzurollen und die Fäden des
Gewebes auseinanderzulegen. Aber anstatt daß
die Fülle nun überquölle, erhält man den Ein-
druck der Armut. Fastenau verfolgt die verschie-
denen Einflüsse, Wirkungsgebiete und stamm-
bedingten Unterschiede. Wenigstens kann man
diese Absicht der Kapiteleinteilung entnehmen.
Es soll nicht geleugnet werden, daß einige neue
Abhängigkeiten und Zusammenhänge erkannt
worden sind, Die richtigen Bemerkungen aber
sind in diesem Buche so spärlich, als ob der
Verfasser sie hätte auf Karten beziehen müssen.
So stellt sich die Arbeit im ganzen als eine sorg-
fältige Zusammenstellung eigener und fremder
Torheiten dar, die kritiklos übernommen worden
sind. Man sollte sich doch darüber klar sein,
daß Untersuchungen über Herleitung von Formen
solange unvollkommen bleiben müssen, immer
wieder überholt werden und zu ergänzen sind
als sie auf ein mehr oder weniger zufälliges Ver-
gleichsmaterial angewiesen sind. Ehe z. B. nicht
die oberitalienische Kunst des Mittelalters nach
ihren Hauptstätten und lokalen Ausstrahlungen
festgelegt ist, wird man nicht über das hinaus-
kommen, was die ersten Wegweiser über lom-
bardischen Einfluß schon erkannt hatten. Es
müßte weiter, um hier zu endgültigen Resultaten
zu gelangen, erst einmal die Datierung der ober-
italienischen Bauten klargestellt sein. Fastenau
datiert wieder alles Oberitalienische sehr früh und
nimmt diesen schwankenden Boden als festen
Baugrund. Unbesorgt zieht er dann die Trug-
schlüsse, läßt etwa die ornamentale Ausstattung
der Dome in Speier und Mainz in der ersten Hälfte
des 12. Jahrhunderts entstanden sein und setzt im
Verfolg dieser Irrtümer auch die niedersächsischen
Bauten zu früh an. Wie konnte er bei seiner
Schürfarbeit überhören, daß er in Speier und Mainz
ganz andere Adern anschlug! Da genügt es nicht
zu sagen, daß am Mittelrhein die lombardische
Ornamentik feiner ausgebildet sei. Die korinthi-

schen Kapitäle und antiken Gesimse hier sind
Elemente einer Protorenaissance, wie sie gleich-
zeitig in Frankreich und Italien auch zu spüren
ist. Das hätte herausgearbeitet werden müssen
und eine prächtige thematische Steigerung er-
geben. Fastenau hat nicht stehen bleiben wollen
beim Nachweis der Herkunft der Formen, son-
dern gruppiert die im Ornament verwandten
Bauten zu Schulzusammenhängen. Das trifft in
vielen Fällen zu, wenn man Vorsicht walten läßt
und sich an Bekanntes hält, wie der Verfasser es
getan hat, darf aber nicht als allgemein verbind-
lich hingestellt werden. Grundsätzlichen Ein-
spruch aber erhebe ich gegen die Bemerkung,
daß sich aus dem Ornament mit größerer Sicher-
heit als aus den tektonischen Formen die kunst-
geschichtliche Stellung eines Baus bestimmen lasse.
Die Geschichte des Ornaments darf nicht mit der
Geschichte der Architektonik verquickt werden
und nur letztere entscheidet über die kunstgeschicht-
iche Stellung. Die elsässischen Bauten, deren
Ornamentik aus Basel Nahrung zog, will Fastenau
ohne ausreichende Gründe wieder bis 1200 hinauf-
datieren. Augenscheinlich hat ihn der derbe
rustikale Charakter der elsässischen Plastik zu
Beginn des 13. Jahrhunderts dazu verführt, die
Bauten älter zu schätzen. Dadurch, daß der Ver-
fasser sein Augenmerk auf die Wiederkehr gleicher
oder ähnlicher Formen gerichtet hielt, sind ihm
die Änderungen, die die Formen durchmachen,
überhaupt entgangen. Für die Geschichte der
romanischen Bauornamentik Süddeutschlands ist
mit Fastenaus Arbeit nichts geschehen. Der
nächste Pflüger wird noch alle Arbeit leisten und
überdies noch die Steine auflesen müssen, die
Fastenau auf den Acker warf.
93 Abbildungen auf 40 Lichtdrucktafeln sind
der weniger schlechte Teil der Arbeit. Einiges
französische Vergleichsmaterial wäre erwünscht
gewesen. Die meist guten Vorlagen aber sind im
Lichtdruck schwarz und unerfreulich geworden
nach der bekannten Unart des Straßburger Ver-
lages. Kurt Gerstenberg.
EDUARD FIRMENICH-RICHARTZ: Die
Brüder Boisseree? I. Band. Sulpiz und
Melchior Boisseree als Kunstsammler. Ein
Beitrag zur Geschichte der Romantik.
Bei Eugen Diederichs in Jena, 1916.
Der erste Band des umfangreichen Werkes von
Firmenich-Richartz, das die Sammeltätigkeit der

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