DIE GRABPLATTE DER HERZOGIN SOPHIE
V. MECKLENBURG IN WISMAR ein beitrag
ZU PETER VISCHER
Mit einer Abbildung auf einer Tafel. Von HUBERT STIERLING
Die Platte der Herzogin Sophie von Mecklenburg ist in der Vischerliteratur fast
unbekannt geblieben. F. Crull hat sie erstmalig behandelt und abgebildet in
der Zeitschrift für Christliche Kunst 1888; er schrieb sie jedoch unbedenklich dem
Thile Bruith oder Bruick zu, dessen Name in den ersten Buchstaben der Inschrift
(N) ganz klein eingraviert ist. An Vischer denkt er überhaupt nicht. Ihm folgt
Friedrich Schlie im Mecklenburger Inventar 1897. Anderer Meinung war dann
Georg Dehio, der im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler das Mittelstück mit
der Figur der Toten der Vischerwerkstatt als „eine der besten Arbeiten" zuschreiben
möchte. Für Thile Bruith will er nur den Rahmen in Anspruch nehmen. (Im
übrigen gibt er den Namen der Herzogin irrig als Sidonie statt Sophie an.) Mehrere
Jahre später kam er dann im Repertorium für Kunstwissenschaft 1910 in dem Auf-
satze „Über einige Künstlerinschriften des deutschen 15. Jahrhunderts" ebenso kurz
auf die Platte zurück. Er sagt dort, daß die Formauffassung, die Art der Model-
lierung und das Granatmuster des Grundes ihn lebhaft an Peter Vischer erinnert
hätten. Jedoch will er ihm auch hier nur das Mittelstück mit dem Bilde der Toten
zuerkennen; der Rahmen dagegen gehöre dem Thile Bruith, der ein lokaler Gießer
gewöhnlichen Schlages gewesen sei. Gegen diese Auffassung wendete sich dann
Felix Dettloff im Entwurf von 1488 zum Sebaldusgrab 1915, S. 84, indem er meint,
daß die Dehiosche Teilung eine zu leichte Lösung der Frage darstelle. Er sagt
dieses aus dem sehr berechtigten Gefühl heraus, daß es unerlaubt sei, bei allen
Gußwerken der Zeit um 1500 den Genius Peter Vischers anzurufen. So berechtigt
nun ein derartiger Zweifel den immer aufs neue ins Kraut schießenden Vischer-
zuweisungen gegenüber ist, so glaube ich trotzdem, daß hier der scharfe Blick
Dehios einmal wieder das Richtige getroffen hat. Nur ist die Frage noch ein
wenig komplizierter als er es angenommen hat, denn die Scheidung der beiden
Künstlerhände kann nur bedingt so getroffen werden, daß dem einen die Figur,
dem andern der Rahmen zugewiesen wird.
Bei genauer Besichtigung des Originals erkennt man nämlich, daß etwa die
untersten 5 cm vom Gewände der Herzogin mit dem unteren Stück des Rahmens
gleichzeitig gegossen sind. Noch in der Abbildung ist es sichtbar, daß eine Guß-
fuge hier wagerecht durch den Saum des Gewandes läuft, welche sich alsdann
nach der Hohlkehle des Rahmens hinzieht, hier schräg auf die Eckornamente zu-
läuft, jedoch vorher wieder wagerecht abbiegt, indem sie die letzten Buchstaben
der aufsteigenden Inschriften durchschneidet. Es ist damit also klar gesagt, daß
der Rahmen nicht etwa zu anderer Zeit und an anderem Orte gegossen sein könne,
denn der unterste Rand des Gewandes nimmt die oberen Faltenzüge so voll-
kommen auf, zeigt auch im Metall nicht nur das gleiche Material, sondern auch
die gleichen Gußnarben, wie es nur geschehen kann, wenn Figur und Rahmen in
derselben Werkstatt zur selben Zeit gegossen worden sind. Trotzdem aber ist
der Rahmen, welcher in vier Stücken gegossen ist, in jeder Beziehung wesentlich
schlechter als die Figur. Außerdem zeigt sich in ihm verschiedenes, das nicht der
Vischerschen Art entspricht. Zuerst ist es die größere Zahl der eingestreuten
Monatshefte für Kunstwissenschaft, X. Jahrg., 1917, Heft 8/9 22 ^97
V. MECKLENBURG IN WISMAR ein beitrag
ZU PETER VISCHER
Mit einer Abbildung auf einer Tafel. Von HUBERT STIERLING
Die Platte der Herzogin Sophie von Mecklenburg ist in der Vischerliteratur fast
unbekannt geblieben. F. Crull hat sie erstmalig behandelt und abgebildet in
der Zeitschrift für Christliche Kunst 1888; er schrieb sie jedoch unbedenklich dem
Thile Bruith oder Bruick zu, dessen Name in den ersten Buchstaben der Inschrift
(N) ganz klein eingraviert ist. An Vischer denkt er überhaupt nicht. Ihm folgt
Friedrich Schlie im Mecklenburger Inventar 1897. Anderer Meinung war dann
Georg Dehio, der im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler das Mittelstück mit
der Figur der Toten der Vischerwerkstatt als „eine der besten Arbeiten" zuschreiben
möchte. Für Thile Bruith will er nur den Rahmen in Anspruch nehmen. (Im
übrigen gibt er den Namen der Herzogin irrig als Sidonie statt Sophie an.) Mehrere
Jahre später kam er dann im Repertorium für Kunstwissenschaft 1910 in dem Auf-
satze „Über einige Künstlerinschriften des deutschen 15. Jahrhunderts" ebenso kurz
auf die Platte zurück. Er sagt dort, daß die Formauffassung, die Art der Model-
lierung und das Granatmuster des Grundes ihn lebhaft an Peter Vischer erinnert
hätten. Jedoch will er ihm auch hier nur das Mittelstück mit dem Bilde der Toten
zuerkennen; der Rahmen dagegen gehöre dem Thile Bruith, der ein lokaler Gießer
gewöhnlichen Schlages gewesen sei. Gegen diese Auffassung wendete sich dann
Felix Dettloff im Entwurf von 1488 zum Sebaldusgrab 1915, S. 84, indem er meint,
daß die Dehiosche Teilung eine zu leichte Lösung der Frage darstelle. Er sagt
dieses aus dem sehr berechtigten Gefühl heraus, daß es unerlaubt sei, bei allen
Gußwerken der Zeit um 1500 den Genius Peter Vischers anzurufen. So berechtigt
nun ein derartiger Zweifel den immer aufs neue ins Kraut schießenden Vischer-
zuweisungen gegenüber ist, so glaube ich trotzdem, daß hier der scharfe Blick
Dehios einmal wieder das Richtige getroffen hat. Nur ist die Frage noch ein
wenig komplizierter als er es angenommen hat, denn die Scheidung der beiden
Künstlerhände kann nur bedingt so getroffen werden, daß dem einen die Figur,
dem andern der Rahmen zugewiesen wird.
Bei genauer Besichtigung des Originals erkennt man nämlich, daß etwa die
untersten 5 cm vom Gewände der Herzogin mit dem unteren Stück des Rahmens
gleichzeitig gegossen sind. Noch in der Abbildung ist es sichtbar, daß eine Guß-
fuge hier wagerecht durch den Saum des Gewandes läuft, welche sich alsdann
nach der Hohlkehle des Rahmens hinzieht, hier schräg auf die Eckornamente zu-
läuft, jedoch vorher wieder wagerecht abbiegt, indem sie die letzten Buchstaben
der aufsteigenden Inschriften durchschneidet. Es ist damit also klar gesagt, daß
der Rahmen nicht etwa zu anderer Zeit und an anderem Orte gegossen sein könne,
denn der unterste Rand des Gewandes nimmt die oberen Faltenzüge so voll-
kommen auf, zeigt auch im Metall nicht nur das gleiche Material, sondern auch
die gleichen Gußnarben, wie es nur geschehen kann, wenn Figur und Rahmen in
derselben Werkstatt zur selben Zeit gegossen worden sind. Trotzdem aber ist
der Rahmen, welcher in vier Stücken gegossen ist, in jeder Beziehung wesentlich
schlechter als die Figur. Außerdem zeigt sich in ihm verschiedenes, das nicht der
Vischerschen Art entspricht. Zuerst ist es die größere Zahl der eingestreuten
Monatshefte für Kunstwissenschaft, X. Jahrg., 1917, Heft 8/9 22 ^97