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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Steinmann, Ernst: Die Zerstörung der Königsdenkmäler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0372

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wurde noch im März 1790 von Varenne und Janinet dem König der Entwurf eines
Doppeldenkmals vorgelegt, das Ludwig XVI. und Heinrich IV. darstellte, und der
König hatte seine Befriedigung mit den Worten kundgegeben: Ich bin in guter
Gesellschaft151). Tafel 63, Abb. 33. Aber dieser Entwurf wurde ebensowenig aus-
geführt, wie die glänzenden Entwürfe Lubersacs1^) und wie der Plan, dem Könige
in Brest ein Denkmal zu setzen. Die Statue Ludwigs XVI, die Attiret im Jahre
1783 in Dole errichtete, fiel zehn Jahre später der Revolution zum Opfer153).
In der Geschichte der monumentalen Plastik unserer Zeit gibt es keine merk-
würdigere Episode wie die der Königsdenkmäler in Frankreich. In anderen Län-
dern begegnen uns wohl vereinzelt Denkmäler in Erz von Monarchen und Heer-
führern — Preußen hatte seinen Großen Kurfürsten, Sachsen August den Starken,
Dänemark die Statuen Friedrichs und Christians, die Niederlande den Herzog Alba,
Florenz die Medici-Reiterstatuen und Petersburg Peter den Großen. Aber in Frank-
reich allein konnte man in der Errichtung monumentaler Reiterstatuen eine Ent-
wicklung verfolgen, die sich durch Künstlergenerationen fortgesetzt hat; in Frank-
reich allein erhielt der Königsgedanke diese monumentale Bestätigung. Aber ein
einziges Jahr zerstörte, was Jahrhunderte geschaffen hatten. Die Franzosen haben
sich dieses köstlichen Besitzes selbst entäußert!
Die Königsbildnisse. Die Königsstatuen in Saint-Germain-des-Pres, in
Notre-Dame und in Saint-Denis.
Die Zerstörung der Königsdenkmäler auf den Plätzen und Brücken von Paris war
aber nur der Auftakt ebenso schlimmer und viel allgemeinerer Verwüstungen in
den Kirchen und Palästen des ganzen Landes. Wir haben in Gregoires berühmten
drei Berichten über den Vandalismus ein, wenn auch, wie er selbst eingesteht,
unvollkommenes, so doch immer noch überwältigendes Zeugnis darüber, wie frevel-
haft in den nächsten Jahren in Frankreich die herrlichsten Kunstwerke zerstört worden
sind154). Auch weiß Gregoire von der Zerstörung von Königsdenkmälern und Königs-
statuen nichts zu berichten, weil er sie billigte. Dieser eiserne Charakter, dieser Mann,
der als Mitglied des Nationalkonvents den Mut hatte, Priester zu bleiben, der sich
durch nichts bestimmen ließ, seinen Glauben abzuschwören, dieser Patriot, dem
das Herz blutete, als er seinen Landsleuten einen Spiegel vorhielt, in dem sie die
an den Kunstwerken Frankreichs begangenen Verbrechen mit Schaudern erkennen
mußten, hatte in seinem Aufsatz über die Freiheitsbäume wörtlich geschrieben:
„Alles, was königlich ist, hat nur das Recht, in den Archiven des Verbrechens
vorzukommen. Der Totschlag einer wilden Bestie, das Aufhören einer Pest, der
Tod eines Königs sind für die Menschheit ein Grund, sich zu freuen. Die Ge-
schichte der Könige ist das Martyrologium der Nationen"155).
Gregoire hat seine Worte später selbst widerrufen, aber er dachte so, als er
seine Berichte im Nationalkonvent vorlas. Man kann also nicht erwarten, hier
Klagen zu finden über Zerstörung von Königsstatuen irgend welcher Art, über jene
nun folgenden entsetzlichen methodischen Verwüstungen in den Kirchen von Paris,
die Courajod den legalen Vandalismus der ersten Revolutionsepoche genannt hat156).
Denn was im ersten Anfänge das Volk in blinder, zügelloser Wut verrichtet hatte,
das setzten nun Bevollmächtigte des Nationalkonvents mit kaltblütiger Überlegung
fort, und der Pöbel half und brüllte Beifall.
Aber was Gregoire verschwiegen hat, weil er es billigte, das haben andere mit
lauter Stimme beklagt, das ist in den Archiven Frankreichs zum Zeugnis ewiger
Schande über die Zerstörer aufbewahrt worden.

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