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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Rintelen, F: Dante über Cimabue II
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0110

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Anfang einer zeitgenössischen Nachricht ersten Ranges ausgeht, selbst auf die un-
klarsten Etappen in der Bildung der Cimabuevorstellungen immer noch der helle
Schein der ersten sicheren Erkenntnis sein Licht werfen.
Aber damit, daß man Danteverse zitiert, ist noch nicht viel getan; sie müssen
auch richtig verstanden, ihre Tragweite muß definiert werden. Um zu solcher
sicheren Deutung zu gelangen, habe ich — als erster — die wenigen Zeilen, die
immer als ein Stück für sich durch die kunstgeschichtliche Literatur geführt wor-
den sind, im Zusammenhang betrachtet, und zwar so, daß nicht nur ihre allgemeine
Verbindung mit dem Gedankengang der Komödie deutlich wurde, sondern daß die
bestimmten Momente hervortraten, die über den genauen Sinn und den Wert der
Verse wirklich entscheiden1). Ich holte ferner mehrere, bisher von keinem Kunst-
historiker verwertete Stellen aus Dante herbei, um von dort her noch stärkeres
Licht auf unsere Verse fallen zu lassen. Kurz, ich tat das, was, wenn das Re-
sultat nicht zufällig mit einem Wiener Glaubenssatz im Widerspruch gestanden
hätte, gerade bei jenen Gelehrten, die eine so rühmliche Tradition wissenschaft-
licher Arbeit (sind sie doch Urenkelschüler der Ecole des chartes!) hinter sich
haben, auf einigen Beifall hätte rechnen können. So aber gibt man mir zu ver-
stehen, es sei, was ich gesagt hätte, die pure Selbstverständlichkeit, und also wohl
— daß ich besser den Mund gehalten hätte. Es sei doch selbstverständlich, daß
man die Stelle aus dem Zusammenhang erklären müsse, sagt Dvorak, und bringt
dann wieder dieselbe wertlose, um alle Präzision herumhütende, allgemeine Inhalts-
angabe des Gesangs, aus deren Sterilität ich die Forschung herausgeholt zu haben
hoffte. Gewiß, was ich tat, war das Selbstverständliche, aber müßte nicht ein so
geübter Kritiker wie Dvorak wissen, daß nichts in der Welt seltener geschieht,
als das Selbstverständliche? Man mag jedes, noch so große, noch so kleine Ver-
dienst analysieren, stets wird man auf dem Grunde als den eigentlichen Wert
eine getane Selbstverständlichkeit finden. Für wie vieles muß uns diese Erkenntnis
Trost bringen!
Also jener kleine Schritt, dem ich die Interpretation der Cimabueverse vorwärts
gebracht hatte, mußte, da er selbstverständlich war, wieder zurückgetan werden.
Aber auch das war nach Dvoraks Ansicht überflüssig, daß ich ein paar Worte auf-
zeigte, aus denen hervorgeht, daß Dante den Dichter Guido Guinicelli, zu dem
nach Dvoraks Meinung Cimabue in der Komödie in die strengste Parallele gesetzt
wird, aufs höchste, ja zärtlichste verehrte. Mir war das um so notwendiger er-
schienen, als Dvorak den Guinicelli den Vertreter einer alten, überwundenen Rich-
tung genannt und gerade das geleugnet hatte, daß Dante den älteren Dichter hoch-
geschätzt und ihm viel verdankt habe.
Dvorak diskreditiert nun meine Zitate mit der Bemerkung, jene Äußerungen
Dantes könnte man fast in jeder kommentierten Ausgabe des Dichters finden. Er
will offenbar etwas anderes sagen: denn jene Danteworte finden sich nicht nur
in fast jeder kommentierten Ausgabe, sondern schlechthin in jeder, und nicht nur
in den kommentierten, sondern auch in den bloßen Textausgaben; es sind eben
Worte Dantes selber. Dvorak meint den Hinweis auf die Danteworte, und der
wird gewiß in vielen Kommentaren zu lesen sein. Ist es aber nicht doppelt
(i) Hierhin rechne ich meinen Hinweis darauf, daß Cimabue und Giotto in ganz anderer Art in der
Komödie figurieren als die beiden Miniaturisten Oderisi und Franco. Ein wenig malitiös sagt
J. v. Schlosser: ich hätte diese „nachweislich vor der Schwelle gelassen". Ich meine, man könnte
keinen glücklicheren Ausdruck für das finden, nicht was ich tat, sondern was Dante getan hat.

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