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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Rintelen, F: Dante über Cimabue II
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0112

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uns durch das dunkle Deutsch jenes Dvorakschen i4-ZeiIensatzes hindurchgedrückt
haben, gelangen wir in die schönste Freiheit; ein klarer italienischer Satz erwartet
uns: ein Zitat aus Bartoli, mit welchem Dvorak Dante zu belehren wünschte, was
er hätte über Guinicelli schreiben sollen, um dem heutigen Kunsthistoriker nutz-
bringend zu sein. Tutto e preparazione lautet das prächtige Wort. Natürlich:
Guinicelli, das ist die Vorbereitung, „non e ancora l'ingegno sovrano"; er ist noch
nicht die Höhe, aber eben — er bereitet sie vor. Die neueste Wissenschaft ist
also ganz auf Dantes Standpunkt. Dem Guinicelli ist der Ruhm genommen worden
— sagt Dante, Guinicelli ist noch nicht die Höhe gewesen — sagt Bartoli;
Guinicelli ist mein Vater — sagt Dante, Guinicelli ist die Vorbereitung — sagt
Bartoli. Ich kann mir keine bessere Übereinstimmung denken.
Aber nun verdunkelt Dvorak die Situation noch einmal und gründlicher als je
zuvor. Sein Bartoli-Zitat gibt ihm zu der Frage Anlaß: „Ist dies nicht ein ganz
ähnliches Verhältnis, wie wir es zwischen Giotto und jenen Malern des ausgehen-
den Ducento beobachten können, deren Werke sich erhalten haben?" Zu ihnen
zähle zwar auch Cimabue, aber irgend etwas besonderes gebühre diesem nicht. Man
sieht, das Wort von der „alten, überwundenen Richtung" konnte angesichts des
Zweigespannes Dante-Bartoli nicht wiederholt werden, aber, wenn schon die „Vor-
bereitung" zugestanden werden mußte, so sollte doch Cimabue keine Ehre davon
haben. Diese gebührt ja doch der ganzen Zeit. Gewiß. Nur Dante spricht nicht
über die Zeit im allgemeinen, er will uns nicht über das Ducento belehren, son-
dern er redet nur von Cimabue und von diesem als dem letztvergangenen be-
rühmten Maler; der hat geglaubt, das Feld sei sein und sein Ruhm ist es, der
durch Giotto verdunkelt worden ist. Bezieht sich die Parallele mit Guinicelli auf
ihn oder auf „die Maler des ausgehenden Ducento" im allgemeinen? Räumt Dante
ihm eine besondere Stellung ein oder sieht er ihn als einen gleich vielen an?
Mir scheint, mit aller Unzweideutigkeit führe er ihn uns als den ersten Maler
seiner Generation vor Augen.
Hier sollte ich nun zu Ende sein, denn das ist die These, um derentwillen ich
meine erste kleine Abhandlung über diese Frage geschrieben habe. Aber Dvorak
läßt mich nicht los; er fährt mit seinen Vorhaltungen fort, ja er hebt noch einmal
ganz von frischem an und nun erst bringt er das vor, was er das „schwerste
Gravamen gegen meine Deutung" nennt: Ich hätte überhaupt viel zu viel aus der
Stelle geschlossen. Nichts weiteres dürfe man aus den Worten folgern, als daß
Dante den Cimabue für einen von Giotto überwundenen Künstler angesehen habe;
alles andere sei höchstens Vermutung, ohne objektive Beweiskraft.
Dvorak nimmt es mit den Worten nicht genau. Was er einen erlaubten Schluß
nennt, ist überhaupt kein Schluß, sondern eine bloße Inhaltsangabe, und noch dazu
eine ganz oberflächliche, in ihrer Unbestimmtheit geradezu falsche. Lange bevor
man auch nur anfängt, historische Schlüsse aus der Stelle zu ziehen, steht aus
dem bloßen Wortlaut unanfechtbar fest: 1. Daß Cimabue hellen (später „verdun-
kelten") Ruhm genossen hat; 2. daß Cimabue in einer künstlerischen Bewegung
gestanden hat, deren Lebhaftigkeit Dante an die ihm selbst voraufgehende glänzende
Entwicklung der Literatur hat denken lassen. Dies ergibt die allerroheste Aufmerk-
samkeit auf die Verse und mehr ist gar nicht nötig, um die Geschichtskonstruktion,
Cimabue sei halb legendarisch oder habe für die Kunstgeschichte keine Wichtig-
keit, zu zerstören. Nichts also von weitgehenden historischen Folgerungen, und
es war darum eigentlich ganz unnütz, daß Dvorak nunmehr zwei berühmte Gelehrte
heranholte, damit deren Namen und Worte gegen solche Folgerungen zeugen möchten.

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