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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Hammer, Heinrich: Andrea Pozzos frühestes Freskowerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0125

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Stadt Mondovi hatten — so erzählt Baldinucci — eine stattliche Kollegiatkirche
gebaut, deren Kuppel aber in den Verhältnissen mißglückt war. Auf ihre Bitten
wurde nun Pozzo im Jahre 1676 dorthin geschickt, dem es „nach einjähriger Arbeit
durch eine Scheinkuppel gelang, den Fehler zu beseitigen".
Nach dem Wortlaut der Quelle lag die Vermutung nahe, dort eine architekto-
nische Scheinkuppel ähnlich jener zu finden, die der Meister 1685 in S. Ignazio
auf eine Leinwand über den wirklichen Kuppelraum malte und später in seinem
Perspektivwerk wiedergab. Statt dessen fand ich zu meiner Überraschung in der
auf hohem Bergvorsprung das malerische Städtchen überragenden Kirche ein um-
fangreiches, farbenprangendes figurales Freskowerk unzweifelhaft pozzesken Ur-
sprungs, das als solches völlig unbekannt und als frühes Zeugnis seiner Decken-
kunst von großem Interesse ist.1)
S. Francesco Xaverio, ein hochbarocker Bau von beträchtlichen Dimensionen,
umschließt eine einschiffige Halle, deren Seitenwände nur je eine wenig vertiefte
Seitenaltarnische unterbricht (Taf. 18). Um so wuchtiger werden sie durch eine Kolos-
salordnung korinthischer Halbsäulen aus rotgeflecktem Marmor gegliedert, die oben
ein nicht minder kräftiges, stark verkröpftes Gebälk tragen. Der Chor, in den sich
diese Kolossalordnung fortzieht, ist etwas eingezogen und halbrund geschlossen
Diesen machtvoll einheitlichen, eher schmal-hohen Raum schließt eine mehrfach
durch breite Gurtbögen unterteilte Decke. Im Langbaus nimmt die Mitte eine
flach gewölbte Hängekuppel ein; vor und hinter ihr sind vollends nur schmale,
rechteckige Flachdecken eingefügt. Der Chor trägt ein drittes solches Rechteck
und eine Halbkuppel als Abschluß. Diese Deckengestaltung mag kleinlich und ge-
drückt gewirkt haben und erhielt nun durch Pozzos brillante illusionistische Male-
reien Höhe, Leichtigkeit und Zusammenschluß: vielleicht ist das der Sinn jener von
Baldinucci gebrachten Anekdote, die, sicherlich etwas aufgebauscht, uns immer-
hin den ehrlichen Glauben der Zeitgenossen an die Macht der perspektivischen
Deckenkunst zeigt.
Die Deckenteilung gönnte es dem Maler nicht, im Langhaus und Chor nur je
ein einziges Riesenbild zu entrollen, wie später in S. Ignazio. Doch zeigt sich
schon hier ein gewisses Streben nach Konzentration darin, daß für die eigentlichen
Gegenstände der Darstellung nur die zwei großen Flächen in der Hänge- und
Halbkuppel verwendet, die schmalen, von den Gurten eingeschnürten ebenen Kom-
partimente hingegen mehr nur dekorativ gefüllt wurden. Diese letzteren sind je-
weils wieder in drei Kassetten geteilt, in denen sich verschieden umrahmte Öff-
nungen ins Leere aufzutun scheinen. Aufs genaueste wird dabei durch gemalte
Schatten der Lichtfall — von Osten her — einheitlich für die ganze Kirche an-
gegeben. Die Öffnungen sind mit Engelchen bevölkert, die, von unten gesehen,
in der Luft schweben oder auf dem Rahmenrand sitzen und die Füße hereinhängen:
in der hintersten dieser Deckenflächen spielen sie auf Instrumenten, streuen Blumen
und entleeren Füllhörner; in der mittleren tragen sie die Leidenswerkzeuge Christi,
in der vordersten einen großen Kronenreif. Die Seitenflächen der Gurtbögen sind
mit großen allegorischen Frauengestalten ausgefüllt; vor dem Frontispiz halten zwei
große Engel, in brillanten Farben gemalt, ein Schild mit dem Namenszug Christi.
(1) Pascoli, Vite dei pittori etc. (Roma 1736) 2. Bd. S. 248 nennt allerdings die Fresken der Kirche
„S Franc. Xaverio" in Modena als ersten kirchlichen Auftrag. Diese Angabe kann sich nur au
S. Bartolomeo in Modena beziehen, deren Gewölbe große Deckenbilder schmücken, die dort noch als
Pozzo gelten: sie sind aber besten Falles nach einem Entwurf desselben von einem Schüler gearbeitet
und ganz sicher wesentlich später.

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