Auffassung der Renaissance, die die Decke als Fläche dekorierte und daher rahmte
und einteilte und die zugleich das verschiedene Wesen der Architektur, Plastik
und Malerei bewahren, nicht aber ihre Gebilde vermengen wollte, war eben im
17. Jahrhundert nicht mit einem Schlage verlassen worden. Aber das Barock
drängte nach Weite, Höhe und vor allem Einheit der Raumwirkung. Die Grenzen
der Künste sollten aufgehoben werden, um aus Bau und Deckenmalerei einen ein-
heitlichen, gewaltigen Raumeindruck zu schaffen; Diesseits und Jenseits sollten
sich verbinden, die Scharen des Himmels zwischen die Endigungen des weit ge-
öffneten Säulenhofes hereinschweben, die steinernen Wände hinwieder die Wolken
berühren, um die kirchliche Feier mit den Schauern des Unendlichkeitsgefühls zu
erfüllen. Dem Barock schwebte ein architektonisch-malerisches Einheits-
kunstwerk vor, wie das 19. Jahrhundert ein dichterisch-musikalisches verwirk-
lichte. Dieses Ideal erfüllte sich vielleicht am vollkommensten in S. Ignazio.
Pozzo warf hier die letzten Reste und Hemmungen ab; ihm gelang durch eine
bisher nie so folgerichtig geglückte Verschmelzung der früher gefundenen illusio-
nistischen Elemente eine völlig harmonische Verbindung des Wirklichen und
Visionären: das ist die künstlerische Tat, die fast alle Deckenmaler der nächsten
Zeit in sein Gefolge zwang. Er begnügte sich nicht mit einem dekorativen Ge-
simse, über dem unmittelbar das figurale Deckenbild folgte: er baute zunächst die
wirkliche Wand in einem kühnen, luftig durchbrochenen, gemalten Geschoß weiter,
das schließlich ins Leere ausging und die Vorboten des Himmels in seine Öffnungen
aufnahm. Damit gab er das Rahmenbild endgültig auf; Wand und Deckenbild
gingen ineinander über, Architektonisches und Figurales, Wirkliches und Imaginäres
durchdrangen sich völlig. Zugleich brach Pozzo grundsätzlich mit jeder Decken-
teilung: die Illusion konnte nur dann ganz wirksam werden, wenn jedes Gewölbe
ein einziges Kolossalbild erhielt, in dem die pompösen Säulen- und Bogenstellungen
mit der Flut schwebender und flatternder Gestalten ein rauschendes Ganzes
bildeten. — Gemessen an dieser reifen Ausgestaltung seines Systems erscheinen
nun allerdings die Malereien in Mondovi noch nicht durchwegs folgerichtig. Im
Langhausbild wächst die gemalte Architektur nicht aus der wirklichen heraus, das
Gewölbefeld ist durch Rahmen unterteilt. Auch hat der Scheinbau selbst nur
sparsam Figuren in sich aufgenommen und übertönt durch seine Schwere auch
die dichtere Gruppe in der Mittellücke: das wirkungsvolle Hinstreuen von Figuren
über den ganzen Bildraum fehlt noch, das in S. Ignazio der Architektur jede
Schwere nimmt, die innere Verschmelzung beider Elemente ist noch unvollkommen.
Nimmt man aber den gemalten Kuppelbau für sich, so hat er schon hier die
spezifisch pozzeske Konstruktion. Die Motive dieser Kuppel finden sich nicht nur
einzeln in der „Malerperspektive" wieder (I. Fig. 56, II. Fig. 55), es nähert sich
überhaupt die ganze Anlage dem Kuppelentwurf von 1685 (I. Fig. 91), welch letz-
terer allerdings geschlossen statt offen ist: was sie aber so brauchbar zur Ein-
ordnung der Figuren macht, ist, wie dort, seine Gestaltung als Umgang mit Ge-
ländern und Balkonen, auf denen die Akteure Platz fanden. Es ist ein System,
das nicht so sehr an frühere Deckenmaler anknüpft, als vielmehr den barocken
Theaterprospekt, in dem Pozzo so sehr zu Hause war, auf das Gewölbefresko an-
wandte: diesen entscheidenden Griff tut Pozzo schon hier in Mondovi. Und auch
die optische Einstellung wählt er schon hier grundsätzlich wie später: er denkt
sich den Beschauer nicht unter der Mitte des Bildes, sondern exzentrisch vor dem-
selben, näher dem Eingange der Kirche. Daher liegt der ideale Scheitelpunkt der
Kuppel nicht in der Mitte des Malfeldes, sondern rückt ganz gegen den dem Be-
und einteilte und die zugleich das verschiedene Wesen der Architektur, Plastik
und Malerei bewahren, nicht aber ihre Gebilde vermengen wollte, war eben im
17. Jahrhundert nicht mit einem Schlage verlassen worden. Aber das Barock
drängte nach Weite, Höhe und vor allem Einheit der Raumwirkung. Die Grenzen
der Künste sollten aufgehoben werden, um aus Bau und Deckenmalerei einen ein-
heitlichen, gewaltigen Raumeindruck zu schaffen; Diesseits und Jenseits sollten
sich verbinden, die Scharen des Himmels zwischen die Endigungen des weit ge-
öffneten Säulenhofes hereinschweben, die steinernen Wände hinwieder die Wolken
berühren, um die kirchliche Feier mit den Schauern des Unendlichkeitsgefühls zu
erfüllen. Dem Barock schwebte ein architektonisch-malerisches Einheits-
kunstwerk vor, wie das 19. Jahrhundert ein dichterisch-musikalisches verwirk-
lichte. Dieses Ideal erfüllte sich vielleicht am vollkommensten in S. Ignazio.
Pozzo warf hier die letzten Reste und Hemmungen ab; ihm gelang durch eine
bisher nie so folgerichtig geglückte Verschmelzung der früher gefundenen illusio-
nistischen Elemente eine völlig harmonische Verbindung des Wirklichen und
Visionären: das ist die künstlerische Tat, die fast alle Deckenmaler der nächsten
Zeit in sein Gefolge zwang. Er begnügte sich nicht mit einem dekorativen Ge-
simse, über dem unmittelbar das figurale Deckenbild folgte: er baute zunächst die
wirkliche Wand in einem kühnen, luftig durchbrochenen, gemalten Geschoß weiter,
das schließlich ins Leere ausging und die Vorboten des Himmels in seine Öffnungen
aufnahm. Damit gab er das Rahmenbild endgültig auf; Wand und Deckenbild
gingen ineinander über, Architektonisches und Figurales, Wirkliches und Imaginäres
durchdrangen sich völlig. Zugleich brach Pozzo grundsätzlich mit jeder Decken-
teilung: die Illusion konnte nur dann ganz wirksam werden, wenn jedes Gewölbe
ein einziges Kolossalbild erhielt, in dem die pompösen Säulen- und Bogenstellungen
mit der Flut schwebender und flatternder Gestalten ein rauschendes Ganzes
bildeten. — Gemessen an dieser reifen Ausgestaltung seines Systems erscheinen
nun allerdings die Malereien in Mondovi noch nicht durchwegs folgerichtig. Im
Langhausbild wächst die gemalte Architektur nicht aus der wirklichen heraus, das
Gewölbefeld ist durch Rahmen unterteilt. Auch hat der Scheinbau selbst nur
sparsam Figuren in sich aufgenommen und übertönt durch seine Schwere auch
die dichtere Gruppe in der Mittellücke: das wirkungsvolle Hinstreuen von Figuren
über den ganzen Bildraum fehlt noch, das in S. Ignazio der Architektur jede
Schwere nimmt, die innere Verschmelzung beider Elemente ist noch unvollkommen.
Nimmt man aber den gemalten Kuppelbau für sich, so hat er schon hier die
spezifisch pozzeske Konstruktion. Die Motive dieser Kuppel finden sich nicht nur
einzeln in der „Malerperspektive" wieder (I. Fig. 56, II. Fig. 55), es nähert sich
überhaupt die ganze Anlage dem Kuppelentwurf von 1685 (I. Fig. 91), welch letz-
terer allerdings geschlossen statt offen ist: was sie aber so brauchbar zur Ein-
ordnung der Figuren macht, ist, wie dort, seine Gestaltung als Umgang mit Ge-
ländern und Balkonen, auf denen die Akteure Platz fanden. Es ist ein System,
das nicht so sehr an frühere Deckenmaler anknüpft, als vielmehr den barocken
Theaterprospekt, in dem Pozzo so sehr zu Hause war, auf das Gewölbefresko an-
wandte: diesen entscheidenden Griff tut Pozzo schon hier in Mondovi. Und auch
die optische Einstellung wählt er schon hier grundsätzlich wie später: er denkt
sich den Beschauer nicht unter der Mitte des Bildes, sondern exzentrisch vor dem-
selben, näher dem Eingange der Kirche. Daher liegt der ideale Scheitelpunkt der
Kuppel nicht in der Mitte des Malfeldes, sondern rückt ganz gegen den dem Be-