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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Schaefer, Karl: Der Lübecker Maler Hans Kemmer: Ein Beitrag zur Geschichte der Cranach-Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0012

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Reihen die Statuetten der zwölf Apostel; von diesen Skulpturen sind auf der Rück-
seite der Olaftafel die Umrisse noch auf dem Goldgrund sichtbar. Auf dem an-
deren Flügel stand dagegen — auffallend unsymmetrisch in der Wirkung — das
Gemälde der Kreuzabnahme; und wenn man den Schrein schloß, standen sich die
drei großen männlichen Heiligen und die drei Frauenbilder gegenüber. Der Auf-
trag erfolgte „na den Fansun (Fa^on, Entwurf), szo de mester by sick unde ge-
toget hefft", und es war der ausdrückliche Wunsch der Auftraggeber, daß alle die
Gemälde auf Goldgrund stehen sollten, eine Altertümlichkeit, die sonst ein Maler
aus der Schule Cranachs gewiß nicht von sich aus beliebt hätte. Auch der Quittungs-
zettel ist noch erhalten, in dem Hans Kemmer bestätigt, daß er die ganze ausbe-
dungene Summe von 190 Mark empfangen habe, und sich verpflichtet, den Schrein
nunmehr aufzustellen; er stammt vom März 1524.
Aus den Lübecker Archivalien hat sich über Hans Kemmers Leben nur noch das
feststellen lassen, daß ihm 1528 ein Haus in der Königstraße zugeschrieben wurde,
das zu den ansehnlichsten an Größe des Grundstücks gehört, und daß ihm in den
Jahren 1537 und 1540 zwei Kinder gestorben sind.
Der Versuch, aus der weitschichtigen und bisher so ungeordneten Masse des
Cranachischen Schulgutes auf rein stilkritischer Grundlage weitere Werke des wieder-
gefundenen Meisters zu suchen, versprach wenig Erfolg. Denn so ausgeprägt
persönlich sind die Charaktere seiner Hand doch nicht, daß sich allein auf Grund
des Bergenfahrer-Altars eine solche Liste von Arbeiten aufstellen ließe, wenn nicht
äußere Beweisstücke zu Hilfe kamen. Seitdem wir nun wissen, daß Johann Kemmer,
wie er in den Akten genannt wird, seine Arbeiten mit den Buchstaben H K zu
zeichnen pflegte, war das Suchen aussichtsreicher. Das erste Gemälde, das uns
darüber Gewißheit gab, tauchte mit der Wiener Sammlung Schwartz 1910 auf dem
Markte auf und ging bei der Versteigerung damals durch die Bemühung v. Lütgen-
dorffs in Lübecker Besitz über; ein Breitformat mit einer dichtgedrängten Schar
von Halbfiguren, wie sie Cranach gelegentlich liebte, aufgebaut hinter einer Mauer-
brüstung, die, wie sonst wohl eine Fensterbank, den vorderen Rand der Bildfläche
einnimmt. Friedländer sagt im Katalog der Sammlung Schwarz: Die Darstellung
Christi mit der Ehebrecherin hebt sich durch die Signatur HK (aneinander gefügt)
1530 aus der ungeordneten Masse des Cranachschen Schulgutes heraus und wird,
namentlich wenn es gelingen sollte, die Wappen zu deuten, zur historischen Auf-
klärung beitragen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat der zu Leipzig tätige Hans
Krell, der Fürstenmaler, diese Tafel geschaffen! — Die beiden Wappen in den
unteren Ecken des Bildes gegeneinander geneigt angebracht, deutete v. Lütgen-
dorff leicht und fraglos richtig als die eines Ehepaares aus bekannten Lübecker
Familien: Johann Wiggerinck, wahrscheinlich ein Sohn jenes Kaufmanns, der 1518
für sich und seine vier Ehefrauen aus Peter Vischers Werkstatt die bekannte
Frührenaissancegrabplatte in der Marienkirche setzen ließ, und Agneta Kerckring,
seine Gattin (Abb. 4).
Das zweite Werk Hans Kemmers mit seinem Monogramme und der Jahreszahl
1534 bezeichnet, ist ein kleines Frauenbildnis, eine Halbfigur in reicher und merk-
würdiger Tracht, von köstlicher Frische und dekorativer Schönheit. Es kam 1908
in der Sammlung Buttler in London zum Verkauf und wurde vom Museum der
bildenden Künste in Leipzig erworben, weil die Signatur damals von W. Bode
und Max Friedländer auf Hans Krell gedeutet wurde. Äußere Merkmale, aus
denen sich die Persönlichkeit der Dargestellten erraten ließe, trägt das Gemälde
nicht. Mit Ausnahme der ungewöhnlichen Haube, die wohl als provinzielle Be-

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