ERICH PETZET, Der Briefwechsel
von Jakob Burckhardt und Paul
Heyse. München 1916. Lehmanns Verlag.
Die Freundschaft, aus der dieser Briefwechsel
erwuchs, war während der gemeinsam durchlebten
Zeit im Berliner Kreise Kuglers geschlossen worden.
Sie überstand die Zeit schwärmerischer Jugend-
begeisterung, weil sie in einer Ergänzung der
Charaktere und in einer gleichgerichteten Welt-
anschauung begründet lag. Sie kreisten beide
um die gleiche Sonne, Italien. Anfangs über-
wiegen die Briefe Heyses, die in liebenswürdiger
Anmut an den älteren Freund heranbranden. Burck-
hardt antwortet heiter überlegen, gibt Ratschläge
und zieht den Ahnungslosen noch rechtzeitig zurück,
als er sich um eine Dissertation in das Labyrinth
der mittelalterlichen Hüttengeheimnisse verirren
will. Dann gewähren diese ersten Briefe noch
Einblick in die scheuen Regungen der Dichter-
seele Burckhardts.
In der Blüte seiner Kraft streift Burckhardt die
Lyrik ab: „Ich hinter meinem Ofen sollte über-
haupt nicht mehr dergleichen tun als ob ich dazu-
gehörte" (7. Mai 1855). Sein innerster Beruf, er-
kennt er, ist der des Historikers, aber nicht mehr
im Sinne Rankescher Geschichtsschreibung, sondern
genährt von einer kraftvoll gesunden Subjektivität.
Nach dem Tode Kuglers 1858 bittet Heyse den
Freund, er möge Kuglers unabgeschlossene Werke
zu Ende führen. Burckhardt lehnt ab, um schließ-
lich doch aus Pietät gegen Kugler und Freund-
schaft für Heyse die Redaktion des Handbuchs
der Kunstgeschichte zu übernehmen und die Ge-
schichte der Baukunst nach dem Manuskript Kuglers
herauszugeben. „O wenn ich nur diese Last vom
Nacken hätte", seufzt er wenige Monate später.
Dies Seufzen begleitet auch die Entstehung seiner
eigenen Arbeiten, die er schwer austrug. „Mein
Werk über die Renaissance bleibt ungeschrieben
oder es schrumpft doch zu ein paar Aufsätzen zu-
sammen", heißt es 9. April 1858. Es wurde dann
doch die Kultur der Renaissance daraus, „ein
Buch, das niemals nach dem Schrank schmecken
wird" (Heyse). Die Kunst der Renaissance hat
er erst als Werk von drei Bänden gedacht, um
sich schließlich zu dem einbändigen Grundriß der
Architektur (erschienen 1867) zu entschließen. Am
3. April 1864 schreibt Burckhardt: „Meine Kunst
der Renaissance habe ich im Winter 1862 3 zu
7/8 ausgearbeitet, dann aber im Prinzip und Aus-
führung ungenügend befunden und wieder in den
Pult getan, wahrscheinlich für immer usw.".
Wieder hört man, wie Burckhardt sich lieblos von
seinen Werken abwandte und Neuauflagen von
anderen besorgen ließ. Er dachte mit unerhörter
Bescheidenheit über seine geistige Leistung, die
fast bis zur Apologie der Kultur der Renaissance
getrieben wurde in der Antwort auf Heyses Wid-
mung des italienischen Liederbuchs (16.N0V. 1860).
Es gibt nichts Prächtigeres in den Briefen zu lesen
als die Charakteristik von Burckhardts Kultur der
Renaissance, mit der Heyse die Sendung des Lieder-
buchs begleitete. Hier waren die beiden Freunde
einander ganz nahe. Burckhardt liebte an Heyse
die sonnenklare Schönheit der Empfindungen. „In
der lebensfrischen Veisinnlichung des Gottes
(Meleager) bist du geistesverwandt mit den ita-
lienischen Malern des 16. Jahrhunderts." Er folgt
der Dichterlaufbahn Heyses mit innerer Anteil-
nahme und voll Bewunderung für dieses spielend
leichte Schaffen. Heyse schickt Werk um Werk.
Burckhardt begutachtet und hat über die Stellung
Heyses in der Literaturgeschichte des 19. Jahr-
hunderts schon das klarste Urteil. Der Briefwechsel
geht rege durch 15 Jahre von 1849 — 1864. Dann
fahren noch einige Spätlinge hinterdrein. Und
wieder läuft sie die Färbung an, die die Freund-
schaft im Morgenschein hatte. „Teuerster Eminus",
„Liebster Paul". Die Art der Anreden gibt Über-
haupt durch den ganzen Briefwechsel den Grad-
messer der Freundschaft.
Der Herausgeber Petzet hat diese Dokumente
zur Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts mit
einer bündigen Einleitung und aufschlußreichen
Anmerkungen gerahmt. Die Anmerkungen sind
im wesentlichen von Heyse aus gesehen und
widmen sich in knappster Form den Wandlungen
und Bearbeitungen, die Heyses Werke erfahren.
Hier spürt man, wie der Herausgeber aus der Fülle
seiner Kenntnisse schöpft. Die Ausgabe der Briefe
darf wohl als Vorbote zu einer großen Heyse-
biographie betrachtet werden.
Kurt Gerstenberg (z. Zt. im Felde).
LA BELGIQUE MONUMENTALE. 100
Planches en phototypie tirees de:
Sluytermar.n, interieurs anciens en Bel-
gique et des Documents classees de l'art
par van Ysendyck. La Haye, Martinus
Nijhoff, 1915.
In hundert Tafeln von der belgischen Baukunst
eine Vorstellung zu übermitteln, ist eine einfache
Aufgabe. Zumal wenn die Abbildungen, wie es
geschehen ist, einem schon bestehenden, sehr um-
fangreichen Werke, das das Gesamtgebiet der
belgischen Baukunst und des Kunstgewerbes um-
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von Jakob Burckhardt und Paul
Heyse. München 1916. Lehmanns Verlag.
Die Freundschaft, aus der dieser Briefwechsel
erwuchs, war während der gemeinsam durchlebten
Zeit im Berliner Kreise Kuglers geschlossen worden.
Sie überstand die Zeit schwärmerischer Jugend-
begeisterung, weil sie in einer Ergänzung der
Charaktere und in einer gleichgerichteten Welt-
anschauung begründet lag. Sie kreisten beide
um die gleiche Sonne, Italien. Anfangs über-
wiegen die Briefe Heyses, die in liebenswürdiger
Anmut an den älteren Freund heranbranden. Burck-
hardt antwortet heiter überlegen, gibt Ratschläge
und zieht den Ahnungslosen noch rechtzeitig zurück,
als er sich um eine Dissertation in das Labyrinth
der mittelalterlichen Hüttengeheimnisse verirren
will. Dann gewähren diese ersten Briefe noch
Einblick in die scheuen Regungen der Dichter-
seele Burckhardts.
In der Blüte seiner Kraft streift Burckhardt die
Lyrik ab: „Ich hinter meinem Ofen sollte über-
haupt nicht mehr dergleichen tun als ob ich dazu-
gehörte" (7. Mai 1855). Sein innerster Beruf, er-
kennt er, ist der des Historikers, aber nicht mehr
im Sinne Rankescher Geschichtsschreibung, sondern
genährt von einer kraftvoll gesunden Subjektivität.
Nach dem Tode Kuglers 1858 bittet Heyse den
Freund, er möge Kuglers unabgeschlossene Werke
zu Ende führen. Burckhardt lehnt ab, um schließ-
lich doch aus Pietät gegen Kugler und Freund-
schaft für Heyse die Redaktion des Handbuchs
der Kunstgeschichte zu übernehmen und die Ge-
schichte der Baukunst nach dem Manuskript Kuglers
herauszugeben. „O wenn ich nur diese Last vom
Nacken hätte", seufzt er wenige Monate später.
Dies Seufzen begleitet auch die Entstehung seiner
eigenen Arbeiten, die er schwer austrug. „Mein
Werk über die Renaissance bleibt ungeschrieben
oder es schrumpft doch zu ein paar Aufsätzen zu-
sammen", heißt es 9. April 1858. Es wurde dann
doch die Kultur der Renaissance daraus, „ein
Buch, das niemals nach dem Schrank schmecken
wird" (Heyse). Die Kunst der Renaissance hat
er erst als Werk von drei Bänden gedacht, um
sich schließlich zu dem einbändigen Grundriß der
Architektur (erschienen 1867) zu entschließen. Am
3. April 1864 schreibt Burckhardt: „Meine Kunst
der Renaissance habe ich im Winter 1862 3 zu
7/8 ausgearbeitet, dann aber im Prinzip und Aus-
führung ungenügend befunden und wieder in den
Pult getan, wahrscheinlich für immer usw.".
Wieder hört man, wie Burckhardt sich lieblos von
seinen Werken abwandte und Neuauflagen von
anderen besorgen ließ. Er dachte mit unerhörter
Bescheidenheit über seine geistige Leistung, die
fast bis zur Apologie der Kultur der Renaissance
getrieben wurde in der Antwort auf Heyses Wid-
mung des italienischen Liederbuchs (16.N0V. 1860).
Es gibt nichts Prächtigeres in den Briefen zu lesen
als die Charakteristik von Burckhardts Kultur der
Renaissance, mit der Heyse die Sendung des Lieder-
buchs begleitete. Hier waren die beiden Freunde
einander ganz nahe. Burckhardt liebte an Heyse
die sonnenklare Schönheit der Empfindungen. „In
der lebensfrischen Veisinnlichung des Gottes
(Meleager) bist du geistesverwandt mit den ita-
lienischen Malern des 16. Jahrhunderts." Er folgt
der Dichterlaufbahn Heyses mit innerer Anteil-
nahme und voll Bewunderung für dieses spielend
leichte Schaffen. Heyse schickt Werk um Werk.
Burckhardt begutachtet und hat über die Stellung
Heyses in der Literaturgeschichte des 19. Jahr-
hunderts schon das klarste Urteil. Der Briefwechsel
geht rege durch 15 Jahre von 1849 — 1864. Dann
fahren noch einige Spätlinge hinterdrein. Und
wieder läuft sie die Färbung an, die die Freund-
schaft im Morgenschein hatte. „Teuerster Eminus",
„Liebster Paul". Die Art der Anreden gibt Über-
haupt durch den ganzen Briefwechsel den Grad-
messer der Freundschaft.
Der Herausgeber Petzet hat diese Dokumente
zur Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts mit
einer bündigen Einleitung und aufschlußreichen
Anmerkungen gerahmt. Die Anmerkungen sind
im wesentlichen von Heyse aus gesehen und
widmen sich in knappster Form den Wandlungen
und Bearbeitungen, die Heyses Werke erfahren.
Hier spürt man, wie der Herausgeber aus der Fülle
seiner Kenntnisse schöpft. Die Ausgabe der Briefe
darf wohl als Vorbote zu einer großen Heyse-
biographie betrachtet werden.
Kurt Gerstenberg (z. Zt. im Felde).
LA BELGIQUE MONUMENTALE. 100
Planches en phototypie tirees de:
Sluytermar.n, interieurs anciens en Bel-
gique et des Documents classees de l'art
par van Ysendyck. La Haye, Martinus
Nijhoff, 1915.
In hundert Tafeln von der belgischen Baukunst
eine Vorstellung zu übermitteln, ist eine einfache
Aufgabe. Zumal wenn die Abbildungen, wie es
geschehen ist, einem schon bestehenden, sehr um-
fangreichen Werke, das das Gesamtgebiet der
belgischen Baukunst und des Kunstgewerbes um-
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