und innerer Musik. Der äußerste Gegenpol ist England, das Oskar A. H. Schmitz in
einem amüsanten Buch ,Das Land ohne Musik' nennt. Die bildnerische Sprache
ist vielleicht gar nicht wie für den Romanen unser stärkstes künstlerisches Aus-
drucksmittel. Und unsere bildende Kunst ist immer Ausdruck gewesen des deut-
schen Charakters und ein Spiegelbild des deutschen Wesens in all seiner Inner-
lichkeit und seinem rastlosen Eifer, zu lernen, alles beobachtend, bei allen Fremden
in die Schule gehend, von allen das beste heimholend (das wird unser Ziel und
unser Stolz auch künftighin sein), aber dies Fremde in uns anfsaugend, ver-
schmelzend zu einem Ganzen umformend. Nie hat sich der deutsche Geist bei der
bloßen Folie der Erscheinung beruhigen und sich an der äußeren Wirkung genügen
lassen. Er hat immer gesucht, zu der ratio naturae vorzudringen und das Gesetz-
mäßige alles Wesens zu ergründen. Und darum wird das mühsame Ringen mit
der Form, so durchtränkt mit dem starken Inhalt, die innere Belastung mit dem
Verstandesmäßigen, das Abgrundtiefe, Erdenschwere, das oft als Schwerfälligkeit
erscheint, auch denen nur eingehen, die eben für sie „jene innere Sympathie
empfinden, die doch den Anfang jeglichen Verstehens bildet". Dem Romanen
Emile Male, der uns so grausam mißverstand, möchte man jenes Wort Nietzsches
entgegenrufen: „Denn er sucht, der deutsche Geist! Und Ihr haßt ihn deshalb, weil
er sucht und weil er Euch nicht glauben will, daß Ihr schon gefunden habt, was
Ihr sucht." Und ein anderes bekanntes Wort von Jacob Burckhardt möchte man
an den Schluß setzen: „Man wird viele einzelne Kontraste und Nuancen zwischen
den Völkern nachweisen können, die absolute Summe des Ganzen aber zu ziehen,
ist menschliche Einsicht zu schwach. Die große Verrechnung von National-
charakter, Schuld und Gewissen bleibt eine geheime, schon weil die Mängel eine
zweite Seite haben, wo sie dann als nationale Eigenschaften, ja als Tugenden
erscheinen. Solchen Autoren, welche den Völkern gern allgemeine Zensuren und
zwar bisweilen im heftigsten Ton schreiben, muß man ihr Vergnügen lassen. Abend-
ländische Völker können einander mißhandeln, aber glücklicherweise nicht richten.
Eine große Nation, die durch Kultur, Taten und Erlebnisse mit dem Leben der
ganzen neueren Welt verflochten ist, überhört es, ob man sie anklage oder ent-
schuldige; sie lebt weiter mit oder ohne Gutheißen der Theoretiker."
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einem amüsanten Buch ,Das Land ohne Musik' nennt. Die bildnerische Sprache
ist vielleicht gar nicht wie für den Romanen unser stärkstes künstlerisches Aus-
drucksmittel. Und unsere bildende Kunst ist immer Ausdruck gewesen des deut-
schen Charakters und ein Spiegelbild des deutschen Wesens in all seiner Inner-
lichkeit und seinem rastlosen Eifer, zu lernen, alles beobachtend, bei allen Fremden
in die Schule gehend, von allen das beste heimholend (das wird unser Ziel und
unser Stolz auch künftighin sein), aber dies Fremde in uns anfsaugend, ver-
schmelzend zu einem Ganzen umformend. Nie hat sich der deutsche Geist bei der
bloßen Folie der Erscheinung beruhigen und sich an der äußeren Wirkung genügen
lassen. Er hat immer gesucht, zu der ratio naturae vorzudringen und das Gesetz-
mäßige alles Wesens zu ergründen. Und darum wird das mühsame Ringen mit
der Form, so durchtränkt mit dem starken Inhalt, die innere Belastung mit dem
Verstandesmäßigen, das Abgrundtiefe, Erdenschwere, das oft als Schwerfälligkeit
erscheint, auch denen nur eingehen, die eben für sie „jene innere Sympathie
empfinden, die doch den Anfang jeglichen Verstehens bildet". Dem Romanen
Emile Male, der uns so grausam mißverstand, möchte man jenes Wort Nietzsches
entgegenrufen: „Denn er sucht, der deutsche Geist! Und Ihr haßt ihn deshalb, weil
er sucht und weil er Euch nicht glauben will, daß Ihr schon gefunden habt, was
Ihr sucht." Und ein anderes bekanntes Wort von Jacob Burckhardt möchte man
an den Schluß setzen: „Man wird viele einzelne Kontraste und Nuancen zwischen
den Völkern nachweisen können, die absolute Summe des Ganzen aber zu ziehen,
ist menschliche Einsicht zu schwach. Die große Verrechnung von National-
charakter, Schuld und Gewissen bleibt eine geheime, schon weil die Mängel eine
zweite Seite haben, wo sie dann als nationale Eigenschaften, ja als Tugenden
erscheinen. Solchen Autoren, welche den Völkern gern allgemeine Zensuren und
zwar bisweilen im heftigsten Ton schreiben, muß man ihr Vergnügen lassen. Abend-
ländische Völker können einander mißhandeln, aber glücklicherweise nicht richten.
Eine große Nation, die durch Kultur, Taten und Erlebnisse mit dem Leben der
ganzen neueren Welt verflochten ist, überhört es, ob man sie anklage oder ent-
schuldige; sie lebt weiter mit oder ohne Gutheißen der Theoretiker."
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