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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Antworten auf Emile Mâles "Studien über die deutsche Kunst"
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Supka, Géza: Dr. Géza Supka-Budapest, Custos am ung. Nationalmuseum
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Grautoff, Otto: Schlusswort
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0146
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DR. GEZA SUPKA-BUDAPEST, custos am ung.
NATIONALMUSEUM

Pasquino, der Schuster, ist unsterblich!
Im gleißenden Gewände einer sprühenden Sprache tritt er diesmal auf den
Plan, um das Mal der Unehrlichkeit einer ganzen Wissenschaft, einem ganzen Volke
auf die Stirne zu kleben.
Emile Male stellt in dem ersten • Teile seiner oben1) wiedergegebenen Schrift
wahre Tatsachen, verschwiegene Ursachen, Verallgemeinerungen und bewußt-falsche
Schlüsse zu einem bestrickenden Pasquill zusammen, dem entgegenzutreten im
Interesse einer sachlichen, von Kriegsströmungen unbeeinflußten Wissenschaft liegt.
Um dem Kerne des ersten Teiles der Mäleschen Schrift näherzukommen, sei in
folgenden Sätzen der kurze Aufbau wiederholt:
I. Die Völkerwanderungskunst und in deren richtiger Folge: die mittelalterliche
Kunst Innereuropas wurde bisher für rein-germanisch angesehen.
2. Die neuere Forschung bringt es zutage, daß es sich hierbei vielmehr um asia-
tische Einflüsse handelt.
3. Infolgedessen sind die Deutschen, als hervorstechendste Vertreter des Ger-
manentums, auf einer wissenschaftlichen und geschichtlichen Lüge ertappt, und in
weiterer Folge haben sie
4. jedes Recht verspielt, auf dem Gebiete der Kunst mitreden zu dürfen, da sie —
wie die unter 2. herangezogenen Beispiele zeigen — vollständig unkünstlerisch,
jedes formengestaltenden Wollens und Könnens bar sind. Ceterum censeo .
Wenn ich nun im folgenden trachte, der Beweisführung Emile Males zu wider-
sprechen, so gereicht mir das zu einer um so leichteren Aufgabe, als es mir, dem
Nicht-Deutschen, gerade in deutschen Zeitschriften, ermöglicht wurde, für die
innerasiatische Herkunft der frühmittelalterlichen Kunst Europas einzutreten, ja
manchmal sogar mit scharfer Hand an die Zerstörung „des Traumes von der All-
wesenheit der Germanenkunst" zu greifen: der schlagendste Beweis für die be-
dingungslose Objektivität der deutschen Wissenschaftlichkeit.
Die mir erwachsene Aufgabe besteht daher, im schroffen Gegensätze zu den
vier Mäleschen Punkten, darin, den Beweis zu erbringen, daß
I. die frühmittelalterliche Kunst — auch abgesehen von dem durch Male allein,
und zwar mit einer Art Bedauern herangezogenen Courajod durch außer-deutsche
Gelehrte, noch dazu bis zur jüngsten Zeit, als germanisch angesprochen wurde;
daß es hinwieder
2. gerade deutsche Forscher waren, die mit Einsetzung ihrer ganzen Lebens-
arbeit für die Anerkennung der orientalischen Art der „frühgermanischen" Kunst
und Kultur sich durchrangen;
3. daß also weder auf deutscher, noch auf außerdeutscher Seite in diesen Fragen
von geschichtlichen Lügen und Verstellungen gesprochen werden kann, sondern
einfach von dem Gange jedes Erkennens, das durch Irrwege zum Lichte, vom
kleineren Wissenskreise zu dem breiteren Horizonte vertiefter Erkenntnisse führt,

(1) Vgl. Monatsh. f. Kwiss. 1916, S. 387—403.

(2) Monatshefte für Kunstwissenschaft (Leipzig), Orientalisches Archiv (Leipzig), Ostasiatische Zeit-
schrift (Berlin), Österreichische Monatsschrift f. d. O. (Wien), Römische Quartalschrift (Rom), Zeit-
schrift f. Christl. Kunst (Köln).

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