wobei eben deutsche Forschung eine unleugbar führende und streng sachliche
Rolle innehat,
4. und daß endlich die diakritische Frage nach dem Kunstwollen und Kunst-
vermögen der Germanen in ganz anderen Gefilden zu lösen ist als im Wege kriegs-
politischer Pamphlets.
Die Durchführung dieses Verfahrens ist um so dringlicher, als auf derselben Seite,
wo einst schon die als verleumderisch erkannten Irrworte: „Vandalen", „Barbaren"
und „Goten" in die Lüfte sprangen, auch diesmal daran gearbeitet wird, Brand-
marken, wie „Hunnisch" ') und „Germanisch" zu prägen, um damit Verwirrungen
in längst geklärte Wahrheiten zu bringen, an deren Ausmerzen wieder Generationen
von geistiger Kraft zu unproduktivem Wirken verurteilt wären. Und das liegt
wahrlich nicht im Interesse der über den Nationen stehenden Wissenschaft.
* *
*
Seit dem famosen Taktstocke, der — zur Unterstützung der rechts-rheinischen
Politik Napoleons I. — als Szepter Karls d. Gr. ausgespielt wurde, hatte man des
öfteren Gelegenheit zu beobachten, wie die französische Altertumswissenschaft sich
gefügig am Gängelbande der jeweiligen äußeren Politik Frankreichs führen ließ. Als
eines der bestbekannten Beispiele möge nur die unleidliche Campagne in Sachen
des Abtes Suger dienen, samt der damit innig verbundenen Frage nach der Her-
kunft und Priorität des limousiner und rheinischen Emails: ein würdiges Vorspiel
jenes Hexenbräues, das heute um die Berechtigung oder Nichtberechtigung der
„Kulture" in den verschiedenen Spalten der Ententepresse im Wallen ist, und das
seinerzeit berufen war, die wissenschaftliche Generalbrühe des Boulangerismus und
der Verbrüderung mit Rußland abzugeben. Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet,
wäre ja Males Pamphlet leicht beiseite geschoben, wenn es eben nicht Males
sonst so geschätzte Feder zum Urheber hätte, die diesmal augenscheinlich eben-
falls der Kriegspsychose zum Opfer fiel und solcherart eine Reihe von Tatsachen
— überging, die seinen Konklusionen wohl eine andere Richtung gegeben hätten.
Es ist einmal die Tatsache, daß ja unter den Forschern unserer heutigen Gegner
eine Reihe — und nicht die letzten ihres Faches — selbst bis in die jüngsten
Zeiten, für das Schöpferische des Germanentums im frühen Mittelalter eintraten.
Emile Male wird doch die Autorität eines Baron de Baye nicht unwillkürlich mit
Schweigen übergangen haben, der in der langen Folge seiner Arbeiten (besonders
in den Memoires de la Societe des Antiquaires de France) stets mit Emphase für
das Germanische seine Lanzen brach? Oder um von den älteren zu sprechen:
Lasteyries stets objektive Untersuchungen dürften wohl auch Male nicht un-
bekannt geblieben sein, wenn er schon den Schatz von Guarrazar in seine Beweis-
folge heranzog. Und erst die Engländer! Seit Akermans prächtigen „Remains
of pagan saxondom" hat ja bald jeder Band der „Archaeologia" sein Scherflein zur
gemein-germanischen Altertumskunde beigetragen, so daß es als verwegener Schritt
betrachtet werden mußte, wenn Dalton ebenda mit seinem feingeführten Beweis-
material zur orientalischen Herkunft der Völkerwanderungskunst auf den Plan trat
— wovon aber Male wieder nichts erwähnt, um nur ja die Spuren zu vermeiden,
die Dalton selbst aus der deutschen Forschung für sein Werk verwendete. Oder
wie würde sich Male zu dem Engländer Hodgkin, und zu dem anderen, H. Munro
Chadwick stellen, von denen der erstere in seiner monumentalen Arbeit über
Italiens „Invaders", und der zweite in seinem glänzend geschriebenen Buche über
(1) Diesem Worte ist selbst ein so kluger Kopf wie Evans zum Opfer gefallen!
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Rolle innehat,
4. und daß endlich die diakritische Frage nach dem Kunstwollen und Kunst-
vermögen der Germanen in ganz anderen Gefilden zu lösen ist als im Wege kriegs-
politischer Pamphlets.
Die Durchführung dieses Verfahrens ist um so dringlicher, als auf derselben Seite,
wo einst schon die als verleumderisch erkannten Irrworte: „Vandalen", „Barbaren"
und „Goten" in die Lüfte sprangen, auch diesmal daran gearbeitet wird, Brand-
marken, wie „Hunnisch" ') und „Germanisch" zu prägen, um damit Verwirrungen
in längst geklärte Wahrheiten zu bringen, an deren Ausmerzen wieder Generationen
von geistiger Kraft zu unproduktivem Wirken verurteilt wären. Und das liegt
wahrlich nicht im Interesse der über den Nationen stehenden Wissenschaft.
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Seit dem famosen Taktstocke, der — zur Unterstützung der rechts-rheinischen
Politik Napoleons I. — als Szepter Karls d. Gr. ausgespielt wurde, hatte man des
öfteren Gelegenheit zu beobachten, wie die französische Altertumswissenschaft sich
gefügig am Gängelbande der jeweiligen äußeren Politik Frankreichs führen ließ. Als
eines der bestbekannten Beispiele möge nur die unleidliche Campagne in Sachen
des Abtes Suger dienen, samt der damit innig verbundenen Frage nach der Her-
kunft und Priorität des limousiner und rheinischen Emails: ein würdiges Vorspiel
jenes Hexenbräues, das heute um die Berechtigung oder Nichtberechtigung der
„Kulture" in den verschiedenen Spalten der Ententepresse im Wallen ist, und das
seinerzeit berufen war, die wissenschaftliche Generalbrühe des Boulangerismus und
der Verbrüderung mit Rußland abzugeben. Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet,
wäre ja Males Pamphlet leicht beiseite geschoben, wenn es eben nicht Males
sonst so geschätzte Feder zum Urheber hätte, die diesmal augenscheinlich eben-
falls der Kriegspsychose zum Opfer fiel und solcherart eine Reihe von Tatsachen
— überging, die seinen Konklusionen wohl eine andere Richtung gegeben hätten.
Es ist einmal die Tatsache, daß ja unter den Forschern unserer heutigen Gegner
eine Reihe — und nicht die letzten ihres Faches — selbst bis in die jüngsten
Zeiten, für das Schöpferische des Germanentums im frühen Mittelalter eintraten.
Emile Male wird doch die Autorität eines Baron de Baye nicht unwillkürlich mit
Schweigen übergangen haben, der in der langen Folge seiner Arbeiten (besonders
in den Memoires de la Societe des Antiquaires de France) stets mit Emphase für
das Germanische seine Lanzen brach? Oder um von den älteren zu sprechen:
Lasteyries stets objektive Untersuchungen dürften wohl auch Male nicht un-
bekannt geblieben sein, wenn er schon den Schatz von Guarrazar in seine Beweis-
folge heranzog. Und erst die Engländer! Seit Akermans prächtigen „Remains
of pagan saxondom" hat ja bald jeder Band der „Archaeologia" sein Scherflein zur
gemein-germanischen Altertumskunde beigetragen, so daß es als verwegener Schritt
betrachtet werden mußte, wenn Dalton ebenda mit seinem feingeführten Beweis-
material zur orientalischen Herkunft der Völkerwanderungskunst auf den Plan trat
— wovon aber Male wieder nichts erwähnt, um nur ja die Spuren zu vermeiden,
die Dalton selbst aus der deutschen Forschung für sein Werk verwendete. Oder
wie würde sich Male zu dem Engländer Hodgkin, und zu dem anderen, H. Munro
Chadwick stellen, von denen der erstere in seiner monumentalen Arbeit über
Italiens „Invaders", und der zweite in seinem glänzend geschriebenen Buche über
(1) Diesem Worte ist selbst ein so kluger Kopf wie Evans zum Opfer gefallen!
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