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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Antworten auf Emile Mâles "Studien über die deutsche Kunst"
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Supka, Géza: Dr. Géza Supka-Budapest, Custos am ung. Nationalmuseum
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Grautoff, Otto: Schlusswort
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0151
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ihm die deutschen Forschungen über die westliche Bernsteinstraße, über die
kelto - gallo - gälisch - galatische Wanderstraße vorgehalten werden, dann mag er
Weises Beiträge zur Geschichte des Weinbaues in Gallien, den fünften Band von
Mommsens Römischer Geschichte, Vöges Arbeit im VII. Ergänzungsheft der
Westdeutschen Zeitschrift und sonst in der ganzen reichen diesbezüglichen Lite-
ratur nach sehen: es ist schon ein Lustrum her, daß der Unterzeichnete diese
ganze Frage abschließend behandelte.
Und nun das Lombardische, womit Male den ärgsten „Faustschlag" der deut-
schen Wissenschaft zu verabreichen vermeint! Mit einer köstlichen Naivetät, hinter
welcher stets der Schelm einer vollständigen Unkenntnis der Tatsachen hervor-
lächelt, versetzt da Male die feinsten Tiraden mit einigen Tatsachen, von denen
er irgendwo einmal läuten hörte. Außer seinem etwas fadenscheinigen Beweis-
material möge ihm zur Kenntnis dienen, daß, seitdem die Wissenschaft ergründet
hatte, in welch naher Beziehung die Langobarden schon auf pannonischer Erde
(im Gebiete der sogen. Keszthelykultur) zu den Syrern standen, seitdem man weiß,
daß die heil. Reparata, eine syrische Heilige, schon im fünften Jahrhundert in
Firenze eine Kirche besaß, seitdem wir wissen, daß die Stukkoheiligen in Cividale
das syrische Maphorion tragen, seitdem bekannt ist, daß von io Päpsten im Zeit-
raum 685—741 fünf Syrer, vier Griechen und einer Römer war, seitdem überhaupt
etwas Näheres über das ravennatische Exarchat, über Cividale und Parenzo be-
kannt ist, seitdem nun am Janiculus selbst ein syrisches Heiligtum aufgetan wurde,
daß seither wohl wirklich Wenige waren, die an das reine Germanentum der Lom-
barden Norditaliens glaubten. Ich glaube sogar, daß Male hiermit offene Türen
einrennt und daß er keinesfalls Strzygowskis hier beziehende Arbeiten las. Wenn
aber Male denkt, daß mit der Entstehung dieser südöstlichen Einflüsse in Nord-
italien die Sache abgetan ist, und er über die Zusammenstellung des ganz wesens-
fremden longobardischen „Korbbodengeflechts" mit dem Davidschilde aus Bawit
höllisch triumphiert, so muß ihm gesagt werden, daß er sich stark irrt, und daß
er die Lösung dieser recht verworrenen Kunst sich zu einfach vorstellte. Es dürfte
ihn, bei der Differenziertheit dieser Kunstübung, Wunder nehmen, wenn er erfährt,
daß die Skulptur der langobardischen Parapets aufs engste mit jener der arme-
nischen Kirchenbauten zusammenhängt, daß in der langobardischen Kleinkunst
schon längst das Vordringen skytho-siberischer Motive bis zum Trastevere nach-
gewiesen ist, daß im Wege der mannigfaltigen Übernahmen aus dem künstle-
rischen Nachlasse des Theoderichschen Gotenreiches selbst hunnobuddhistische
Einflüsse aufs Longobardische wahrscheinlich gemacht wurden — und dies auf
deutschem Papier mit deutschen Worten und Lettern ....
Der Wettstreit auf dem breiten Felde der über den Nationen stehenden Wissen-
schaft gilt um die herrlichen Amphoren — gleich jenen der panathenäischen —,
darinnen immer nur der klare Wein der Wahrheit kredenzt werden sollte. Aber
Wehe über den, der den Giftbecher des Vorurteils, der Unobjektivität, des Natio-
nalitätenhasses über die Amphoren schwenkt!
Es ist ein anderes, für die eigene Nation so viel Kulturwerte als nur möglich,
aus dem Werdegänge der menschlichen Geistesbildung herausschlagen zu wollen,
und ein anderes wieder, hierbei das ehrliche Trachten nach sachlicher Erkenntnis,
also das ureigenste Menschenrecht den anderen abzusprechen, es — mit dem be-
zeichnenden fränkischen Worte — als „quantite negligeable" zu behandeln, kurz
und bündig: die Forscherergebnisse der Leute anderer Flaggen zu unterschlagen.

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