denen Baron de Baye, der langjährige Präsident der Societe nationale des Anti-
quaires de France nicht vergessen werden darf, höher einschätzen, dann kann diese
These doch nicht so ganz verkehrt sein.
Da Male keine Namen nennt, könnte man ruhig warten, bis er es tut. Es
scheint aber doch richtiger zu sein, das Gift der Verleumdung nicht zu lange wirken
zu lassen. Deshalb soll seiner Kenntnis der deutschen Literatur etwas nachgeholfen
werden, und es mögen einige Stimmen folgen, die zeigen, daß die deutsche Wissen-
schaft die fortschreitenden archäologischen Ergebnisse und Entdeckungen stets
berücksichtigt und fremde Einflüsse auf die germanische Kunst anerkannt hat.
Bereits im Jahre 1873, zu einer Zeit, als der dürftige Denkmälerbestand kaum
einen Ausblick auf die Entwicklung der germanischen Kunst gestattete und man
eben erst begann, sich mit dem Thema zu beschäftigen, warf v. Cohausen an-
gesichts der Wolfsheimer Platte die Frage auf, „ob dieser persische Schmuck uns
hinweist auf den Orient als Bezugsquelle der Edelsteine in den fränkischen Schmuck-
gegenständen des 5. und 6. Jahrhunderts"1). Ferner urteilt Lindenschmit über
den Fund von Petrossa: „alles von orientalischer, römischer und gotischer Arbeit"2).
In den Jahren, als der Franzose Baron de Baye so energisch für den gotischen
Ursprung der südrussischen Cloisonnekunst eintrat, betonte Grempler, sie sei
„beeinflußt von der antiken und betreffs der Inkrustation von der asiatischen Ge-
schmacksrichtung"3). Hampe sah byzantinische und spätantike Einflüsse4), v. Stern,
seit mehreren Jahren Professor an der Universität Halle, leugnet geradezu den
gotischen Charakter auf Grund einer allerdings anfechtbaren Datierung des Fundes
von Glinischtsche, hält ihn für vorgotisch und leitet den Ursprung des Stils vom
griechischen Kunsthandwerk des Bosporus unter Einwirkung der in Ephesus und
Bithynien entstandenen Industrie her5). Riegl sucht den Ursprung der Granat-
kunst innerhalb der spätrömischen Kunstindustrie 6). Gröbbels äußert sich bei
Besprechung der germanischen Spangenhelme folgendermaßen: „Wahrscheinlich
ist die konische Helmform der Germanen während der Völkerwanderungszeit aus
dem Osten zugeführt worden; daß aber die Helme nicht im Orient, sondern in
einem Fabrikationszentrum verfertigt sein müssen, wo spätrömische Kunstübung,
frühchristliche Symbolik und naive germanische Verzierungskunst zusammengewirkt
haben, zeigt ein Blick auf den Dekor der einzelnen Helmteile"7). Reinecke schließt
sich der Ansicht v. Sterns an8). Verfasser vertritt die Ansicht, daß die Goten
die bosporanische Kunst, die im wesentlichen auf der griechisch-römischen beruht,
aber auch manche fremde, namentlich auch skythische Elemente enthält, über-
nommen und weiterentwickelt haben9). Nach Ebert soll der gotische Schmuck
(1) v. Cohausen, Römischer Schmelzschmuck. Sonderdruck aus den Annalen des Vereins für Nassauische
Altertumskunde und Geschichtsforschung XII.
(2) Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altertumskunde I, 1880 —1889, S. 501.
(3) Korrespondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
1891, S. 135.
(4) Mitteilungen aus dem Germanischen Museum 1899, S. 42.
(5) Sitzungsberichte der Altertumsgesellschaft Prussia XXI, 1900, S. 243ff.
(6) A. Riegl, Die spätrömische Kunstindustrie, 1901.
(7) Gröbbels, Der Reihengräberfund von Gammertingen, München 1905.
(8) Mainzer Zeitschrift I, 1906, S. 47 und Anm. 30.
(9) Mannus I, 1909, S. 122, 123; Amtliche Berichte aus den Königl. Kunstsammlungen XXXV, Nr. 3,
1913, S. 121 ff.; Katalog zur Sonderausstellung Frühgermanischer Kunst im Kaiser Friedrich-Museum.
1915, Einleitung.
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quaires de France nicht vergessen werden darf, höher einschätzen, dann kann diese
These doch nicht so ganz verkehrt sein.
Da Male keine Namen nennt, könnte man ruhig warten, bis er es tut. Es
scheint aber doch richtiger zu sein, das Gift der Verleumdung nicht zu lange wirken
zu lassen. Deshalb soll seiner Kenntnis der deutschen Literatur etwas nachgeholfen
werden, und es mögen einige Stimmen folgen, die zeigen, daß die deutsche Wissen-
schaft die fortschreitenden archäologischen Ergebnisse und Entdeckungen stets
berücksichtigt und fremde Einflüsse auf die germanische Kunst anerkannt hat.
Bereits im Jahre 1873, zu einer Zeit, als der dürftige Denkmälerbestand kaum
einen Ausblick auf die Entwicklung der germanischen Kunst gestattete und man
eben erst begann, sich mit dem Thema zu beschäftigen, warf v. Cohausen an-
gesichts der Wolfsheimer Platte die Frage auf, „ob dieser persische Schmuck uns
hinweist auf den Orient als Bezugsquelle der Edelsteine in den fränkischen Schmuck-
gegenständen des 5. und 6. Jahrhunderts"1). Ferner urteilt Lindenschmit über
den Fund von Petrossa: „alles von orientalischer, römischer und gotischer Arbeit"2).
In den Jahren, als der Franzose Baron de Baye so energisch für den gotischen
Ursprung der südrussischen Cloisonnekunst eintrat, betonte Grempler, sie sei
„beeinflußt von der antiken und betreffs der Inkrustation von der asiatischen Ge-
schmacksrichtung"3). Hampe sah byzantinische und spätantike Einflüsse4), v. Stern,
seit mehreren Jahren Professor an der Universität Halle, leugnet geradezu den
gotischen Charakter auf Grund einer allerdings anfechtbaren Datierung des Fundes
von Glinischtsche, hält ihn für vorgotisch und leitet den Ursprung des Stils vom
griechischen Kunsthandwerk des Bosporus unter Einwirkung der in Ephesus und
Bithynien entstandenen Industrie her5). Riegl sucht den Ursprung der Granat-
kunst innerhalb der spätrömischen Kunstindustrie 6). Gröbbels äußert sich bei
Besprechung der germanischen Spangenhelme folgendermaßen: „Wahrscheinlich
ist die konische Helmform der Germanen während der Völkerwanderungszeit aus
dem Osten zugeführt worden; daß aber die Helme nicht im Orient, sondern in
einem Fabrikationszentrum verfertigt sein müssen, wo spätrömische Kunstübung,
frühchristliche Symbolik und naive germanische Verzierungskunst zusammengewirkt
haben, zeigt ein Blick auf den Dekor der einzelnen Helmteile"7). Reinecke schließt
sich der Ansicht v. Sterns an8). Verfasser vertritt die Ansicht, daß die Goten
die bosporanische Kunst, die im wesentlichen auf der griechisch-römischen beruht,
aber auch manche fremde, namentlich auch skythische Elemente enthält, über-
nommen und weiterentwickelt haben9). Nach Ebert soll der gotische Schmuck
(1) v. Cohausen, Römischer Schmelzschmuck. Sonderdruck aus den Annalen des Vereins für Nassauische
Altertumskunde und Geschichtsforschung XII.
(2) Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altertumskunde I, 1880 —1889, S. 501.
(3) Korrespondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
1891, S. 135.
(4) Mitteilungen aus dem Germanischen Museum 1899, S. 42.
(5) Sitzungsberichte der Altertumsgesellschaft Prussia XXI, 1900, S. 243ff.
(6) A. Riegl, Die spätrömische Kunstindustrie, 1901.
(7) Gröbbels, Der Reihengräberfund von Gammertingen, München 1905.
(8) Mainzer Zeitschrift I, 1906, S. 47 und Anm. 30.
(9) Mannus I, 1909, S. 122, 123; Amtliche Berichte aus den Königl. Kunstsammlungen XXXV, Nr. 3,
1913, S. 121 ff.; Katalog zur Sonderausstellung Frühgermanischer Kunst im Kaiser Friedrich-Museum.
1915, Einleitung.
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