PROF. DR. ARTHUR HASELOFF, halle a.s.
Sie fordern mich auf, mich zu den Mäleschen Aufsätzen zu äußern. Ich muß
gestehen, daß diese Aufsätze meines unmaßgeblichen Erachtens keinen ge-
eigneten Gegenstand einer Diskussion bilden können. Es genügt, diese Aufsätze
aufzuschlagen, um sich zu überzeugen, daß hier überall die vorgefaßte Absicht, den
politischen Haß in das Gebiet der Kunstgeschichte hineinzutragen, die Feder ge-
führt hat — und damit scheiden sie für eine rein wissenschaftliche Beurteilung
aus. Sie gehören zu den Zeugnissen der Verwirrung, die die Kriegspsychose an-
gerichtet hat, und wir können getrost das Urteil der Geschichte über diese Tendenz-
schrift abwarten.
Es erübrigt sich daher, wie ich wiederhole, in eine wissenschaftliche Erörterung
der Streitfragen, die Widerlegung der Irrtümer einzutreten, da für die Absicht
Males nur die allgemeinen Schlußfolgerungen, nicht die Einzelbeispiele von Be-
lang sind.
Males Aufstellungen lassen sich in zwei Sätze zusammenfassen: die Germanen
seien seit ihrem ersten Auftreten ein künstlerisch ohnmächtiges Volk, das nur von
der Nachahmung zehre, das nichts zu erfinden, nur zu zerstören fähig gewesen sei
(wie einleuchtend, da ja die ersten dokumentarischen Äußerungen über ihr Ver-
hältnis zu Kunstwerken die bekannten Edikte König Theoderichs zur Erhaltung der
antiken Baudenkmäler sind), ein Volk, dessen Nachahmungen selbst noch senil,
gewohnheitsmäßig und mechanisch seien, dem kurzweg das Genie fehle, während
doch die deutsche Wissenschaft mit Lug und Trug die Vorstellung von der Herr-
lichkeit deutscher Kunst und deutschen Wesens und seiner Schöpferkraft hervor-
gezaubert habe. „Das alles war Lüge!"
Doch halt! Vielleicht lege ich Male einen falschen Sinn unter. Wenn er auch
in den ersten Aufsätzen mit bewundernswertem Feuer der germanischen Kunst
auf den Leib rückt, so klingt die Folge sehr viel gemäßigter aus in der Schluß-
wendung, daß dem deutschen Künstler das Genie fehle. Ob Male sich plötzlich
bewußt geworden sein sollte, daß seine geistige Halsabschneiderei sich nicht nur
gegen das verhaßte Deutschland richtet, daß vielleicht Skandinavien (von den Nie-
derlanden und England zu schweigen) in noch stärkerem Maße davon betroffen
wird? In seinen Vorwürfen an die Wissenschaft schweigt er von diesen Ländern.
Er nimmt wohl an, daß die skandinavische Wissenschaft nie eine andere Meinung
geäußert hat, als daß die germanische Kunst ohne Geist, senil und mechanisch sei.
Er bedeutet uns jedenfalls ausdrücklich, daß seine Beweisführungen von der roma-
nischen Baukunst in Deutschland die künstlerische Ohnmacht der Germanen be-
wiesen.
Die Art der Beweisführung Males ist von überraschender Einfachheit. Er geht
überall auf Binsenwahrheiten zurück. Die großen Ströme der Entwicklung, die Ost
und West verbinden: die persisch-byzantinische Kunst der Völkerwanderung, die
ägyptisch-syrische Kunst der Langobarden, sowie die cluniacensische und die lom-
bardische Strömung in der romanischen Baukunst, die Wanderung der Gotik, ja
selbst die fast sprichwörtliche Verbreitung des Zisterzienserstils mit der Ausdeh-
nung des Ordens müssen herhalten, die Abhängigkeit und Unfähigkeit des deutschen
künstlerischen Geistes zu beweisen. Wo immer die Germanen Träger einer dieser
großen Entwicklungen sind oder von ihr mitgerissen werden, ist für Male der Be-
weis, den er führen will, ohne weiteres erbracht. Nur widerwillig gesteht er den
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Sie fordern mich auf, mich zu den Mäleschen Aufsätzen zu äußern. Ich muß
gestehen, daß diese Aufsätze meines unmaßgeblichen Erachtens keinen ge-
eigneten Gegenstand einer Diskussion bilden können. Es genügt, diese Aufsätze
aufzuschlagen, um sich zu überzeugen, daß hier überall die vorgefaßte Absicht, den
politischen Haß in das Gebiet der Kunstgeschichte hineinzutragen, die Feder ge-
führt hat — und damit scheiden sie für eine rein wissenschaftliche Beurteilung
aus. Sie gehören zu den Zeugnissen der Verwirrung, die die Kriegspsychose an-
gerichtet hat, und wir können getrost das Urteil der Geschichte über diese Tendenz-
schrift abwarten.
Es erübrigt sich daher, wie ich wiederhole, in eine wissenschaftliche Erörterung
der Streitfragen, die Widerlegung der Irrtümer einzutreten, da für die Absicht
Males nur die allgemeinen Schlußfolgerungen, nicht die Einzelbeispiele von Be-
lang sind.
Males Aufstellungen lassen sich in zwei Sätze zusammenfassen: die Germanen
seien seit ihrem ersten Auftreten ein künstlerisch ohnmächtiges Volk, das nur von
der Nachahmung zehre, das nichts zu erfinden, nur zu zerstören fähig gewesen sei
(wie einleuchtend, da ja die ersten dokumentarischen Äußerungen über ihr Ver-
hältnis zu Kunstwerken die bekannten Edikte König Theoderichs zur Erhaltung der
antiken Baudenkmäler sind), ein Volk, dessen Nachahmungen selbst noch senil,
gewohnheitsmäßig und mechanisch seien, dem kurzweg das Genie fehle, während
doch die deutsche Wissenschaft mit Lug und Trug die Vorstellung von der Herr-
lichkeit deutscher Kunst und deutschen Wesens und seiner Schöpferkraft hervor-
gezaubert habe. „Das alles war Lüge!"
Doch halt! Vielleicht lege ich Male einen falschen Sinn unter. Wenn er auch
in den ersten Aufsätzen mit bewundernswertem Feuer der germanischen Kunst
auf den Leib rückt, so klingt die Folge sehr viel gemäßigter aus in der Schluß-
wendung, daß dem deutschen Künstler das Genie fehle. Ob Male sich plötzlich
bewußt geworden sein sollte, daß seine geistige Halsabschneiderei sich nicht nur
gegen das verhaßte Deutschland richtet, daß vielleicht Skandinavien (von den Nie-
derlanden und England zu schweigen) in noch stärkerem Maße davon betroffen
wird? In seinen Vorwürfen an die Wissenschaft schweigt er von diesen Ländern.
Er nimmt wohl an, daß die skandinavische Wissenschaft nie eine andere Meinung
geäußert hat, als daß die germanische Kunst ohne Geist, senil und mechanisch sei.
Er bedeutet uns jedenfalls ausdrücklich, daß seine Beweisführungen von der roma-
nischen Baukunst in Deutschland die künstlerische Ohnmacht der Germanen be-
wiesen.
Die Art der Beweisführung Males ist von überraschender Einfachheit. Er geht
überall auf Binsenwahrheiten zurück. Die großen Ströme der Entwicklung, die Ost
und West verbinden: die persisch-byzantinische Kunst der Völkerwanderung, die
ägyptisch-syrische Kunst der Langobarden, sowie die cluniacensische und die lom-
bardische Strömung in der romanischen Baukunst, die Wanderung der Gotik, ja
selbst die fast sprichwörtliche Verbreitung des Zisterzienserstils mit der Ausdeh-
nung des Ordens müssen herhalten, die Abhängigkeit und Unfähigkeit des deutschen
künstlerischen Geistes zu beweisen. Wo immer die Germanen Träger einer dieser
großen Entwicklungen sind oder von ihr mitgerissen werden, ist für Male der Be-
weis, den er führen will, ohne weiteres erbracht. Nur widerwillig gesteht er den
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