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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Fuchs, Willy P.: Die Deutschmeister-Schlosskirche zu Mergentheim und ihre Baumeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0215
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Bildhauer Joh. Wagner ausgeführt). Demnach steht für mich fest, daß der Schöpfer
der Mergentheimer Westfassade und der Architekt der genannten Ellinger Bauten,
dessen Name bis jetzt m. W. unbekannt war, dieselben Personen sind, nämlich
eben der Ellinger Baumeister Roth. Franz Joseph Roth war ursprünglich Bild-
hauer und von Geburt Wiener, zwei Umstände, die eine Fülle und Beweglichkeit
des ornamentalen Schmucks seiner Bauten erklären, wie sie bis dahin selbst der
schmuckfrohe Bamberger Barrock der Dientzenhofer, nicht kannte1), auf dem Roths
Kunst fußte. (Vgl. Joh. Dientzenhofers Dom zu Fulda und Johann Leonhard
Dientzenhofers Fassade von St. Michael in Bamberg.) Nun zu den Straßenfronten
des Chors und des anschließenden, freien, Langhausteils. Sie zeigen, wie schon
erwähnt, im Prinzip den Typus des fränkischen Münsters nach dem Komburger
Vorbild. Er wurde nach Greising von vielen andern Baumeistern verwendet und
ist deshalb an sich unoriginell, sofern ihm nicht eine starke Persönlichkeit ihre
Eigenart aufdrückt. Diese Persönlichkeit war beim Mergentheimer Bau der große
Balthaser Neumann. Ich gründe meine Ansicht auf folgende Momente: Die straffe
und zugleich rythmisch schöne Komposition des architektonischen Gerüsts (im
Gegensatz zu den frei-malerischen Kompositionen des Bildhauers Roth), das Ver-
hältnis der auffallend schmalen Chorpilaster zur füllenden Wandfläche und den
Fenstern (vgl. Neumanns Schloß zu Werneck); das Motiv der Hauptfenster mit
aufgesetztem Oberlicht nach Art seiner Fenster am Mittelbau des Würzburger
Schlosses; die Einbeziehung der Turmwände in das Fassadensystem (vgl. Kirchen
von Vierzehnheiligen und Neresheim) und endlich das Motiv der Schneckenendi-
gungen der oberen Turmpilaster, für das Neumann an den Türmen von Joh. Dientzen-
hofers Fuldaer Dom ebenso gewiß sich das Vorbild geholt wie an dessen Mittel-
giebel für den Mittelrisalit des Klosters Ebrach. Zwar hat Roth an dem Dachreiter
einer im Jahre 1738 zu Ellingen erbauten Kirche2) dasselbe Motiv, aber viel weniger
klar und ziemlich gequält angewendet. Ich bin deshalb der festen Überzeugung,
daß die zeitlich frühere und doch durchaus reife Ausbildung des Motivs in Mergent-
heim nicht von Roth stammt, sondern wie gesagt von Neumann, der es ja auch
einige Jahre später (1740) ebenso frei und sicher an einem andern Gebäude, dem
Kapitelhaus des Klosters zu Oberzell, verwendete. Dagegen bin ich von meiner
früheren Ansicht, daß auch der schildartige Schmuck der Chor- und unteren Turm-
pilaster ein Beweis für die Urheberschaft Neumanns an den Straßenfronten sei"),
wieder abgekommen, und zwar weil ich nachher entdeckte, daß dieses Motiv auch
von andern Rokokomeistern (so u. a. von Dominicus Zimmermann, Cuvillies und
auch von Fr. Roth) verwendet wurde und deshalb nicht als Charakteristikum der
Neumannschen Kunst bezeichnet werden kann. Auf Fulda dürften auch die Stein-
balustraden der Schallöffnungen der Mergentheimer Türme zurückzuführen sein.
Ich glaube also nach dem vorstehenden nicht fehlzugehen, wenn ich Neumanns
Mitwirkung an der Gestaltung der Straßenfronten, zum mindesten in beratendem
Sinne, wiederherstelle. Daß Neumanns Name in den Bauurkunden fehlt, ist meiner

(1) Nur der ungefähr aus derselben Zeit wie Roths Bauten stammende Mittelbau des Würzburger
Schlosses und die Schönbornkapelle zeigen eine ebenso reiche Behandlung der ornamentalen Deko-
ration, aber auch bei ihnen hat bekanntlich der Wiener Barock Pate gestanden.

(2) Die Abbildung dieser Kirche (Franziskanerkirche) ebenso wie alle hier genannten Bauten von
Dientzenhofer und Neumann in dem Poppschen Barockwerk.

(3) Diese gründete sich auf das Vorkommen des Motivs in ähnlicher Form am Kloster Langheim,
aber einmal ist dieser Bau viel später (1750) ausgeführt und insbesondere ist die Urheberschaft Neu-
manns sehr ungewiß.

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