Ansicht nach kein kräftiger Gegenbeweis. Denn das Beispiel eines andern großen
Barockkirchenbaues in Württemberg, der Klosterkirche in Schöntal a. Jagst (wahr-
scheinlich auch der benachbarten Neuen Abtei) zeigt, daß die Urkunden eben nicht
immer lückenlos sind, denn dort sprechen die stilistischen Beweise so deutlich für
eine Mitwirkung Neumanns, daß sie noch niemals angezweifelt wurde und wohl
allgemein als feststehend angenommen wird. Warum die Straßenfronten nicht
ebenso wie die Westfassade nach Roths Plänen ausgeführt wurden, darüber kann
man natürlich nur Vermutungen haben. Als eine solche möchte ich auch nach-
stehende Erklärung der Frage aufgefaßt wissen.
Roth hatte sich bisher nur im Privatbau betätigt und bewährt — auch seine
Mergentheimer Westfassade macht einen mehr profanen als kirchlichen Eindruck.
— Als deshalb der Bau soweit gediehen war, daß mit den kirchlich-monumentalen
und für das Stadtbild so überaus wichtigen Straßenfronten begonnen werden sollte,
kamen dem Bauherrn wohl Bedenken, ob der bisherige Architekt auch dieser Auf-
gabe gewachsen sei und seine Pläne den erforderlichen künstlerischen Wert be-
säßen. Die Folge dieser Überlegung war die Berufung des schon damals als Auto-
rität geltenden bedeutendsten Baumeisters des Deutschordens zur Abgabe seines
teils. Sollte sich dann — so denke ich mir den weiteren Gedankengang — als
Ergebnis des Neumannschen Gutachtens die Notwendigkeit einer Änderung der
Pläne herausstellen, so war diese umsoweniger schwer zu nehmen, als die beiden
Fronten, die des Hofes und die der Straße, nicht in räumlichem Zusammenhang
stehen, eine einheitliche Gesamtwirkung also doch nicht möglich war. Die Aus-
führung der Neumannschen Pläne bzw. Änderungsvorschläge hat wohl Roth weiter
übertragen bekommen und sich dabei allmählich ziemliche Selbständigkeit angeeignet,
wie es ja zu gehen pflegt, wenn ein Künstler, der selbst berechtigten Anspruch
auf einen Auftrag zu haben glaubt, dessen Ausführung nach den Plänen eines
andern zu übernehmen gezwungen wird. Ich glaube nämlich an gewissen Einzel-
heiten die Schrifts Roths erkannt zu haben, so an den mehrfach erwähnten Schild-
kapitalen der Chorpilaster, der Verkröpfung der Dachhelme über den Turmeckpilastern
(vgl. Ellinger Franziskanerkirche) und den Oberlichtbekleidungen der Hauptfenster
(Umrißzeichnung wie beim Gartensaal des Ellinger Schlosses).
Die beratende Mitwirkung Cuvillies am Äußern der Kirche, welche Klaiber an-
nimmt, kann nach dem vorhergehenden nicht von Bedeutung gewesen zu sein und
sich jedenfalls nicht auf den architektonischen Aufbau, sondern höchstens auf orna-
mentale Einzelheiten (z. B. das französisierende Detail jener Schildkapitäle) erstreckt
haben. Dagegen ist der Innenausbau, wenigstens in der Gesamtdisposition, zweifel-
los das Werk Cuvillies? Roth, der gleichfalls Pläne hiezu geliefert hatte, bekam
die Ausführung, jedoch wohl mit der bestimmten Weisung, die Pläne und Angaben
Cuvillies als maßgebende Unterlagen zu benützen. Aber in der Einzelbehandlung
hat sich Roth ihnen gegenüber noch mehr emanzipiert als bei der Ausführung der
Neumannschen Pläne für das Äußere. So kommt es, daß das Detail der inneren
Ornamentation dem deutschen Rokoko des Ellinger Baumeisters näher steht als
dem französischen Louis XVI. Cuvillies? Für eine, auch kompositionell, ganz selb-
ständige Arbeit Roths halte ich die vortrefflichen Stuckaturen der Sakristei und
namentlich der Gruft, Arbeiten aus einem Guß, voll natürlicher Empfindung und
frischer Durchführung.
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Barockkirchenbaues in Württemberg, der Klosterkirche in Schöntal a. Jagst (wahr-
scheinlich auch der benachbarten Neuen Abtei) zeigt, daß die Urkunden eben nicht
immer lückenlos sind, denn dort sprechen die stilistischen Beweise so deutlich für
eine Mitwirkung Neumanns, daß sie noch niemals angezweifelt wurde und wohl
allgemein als feststehend angenommen wird. Warum die Straßenfronten nicht
ebenso wie die Westfassade nach Roths Plänen ausgeführt wurden, darüber kann
man natürlich nur Vermutungen haben. Als eine solche möchte ich auch nach-
stehende Erklärung der Frage aufgefaßt wissen.
Roth hatte sich bisher nur im Privatbau betätigt und bewährt — auch seine
Mergentheimer Westfassade macht einen mehr profanen als kirchlichen Eindruck.
— Als deshalb der Bau soweit gediehen war, daß mit den kirchlich-monumentalen
und für das Stadtbild so überaus wichtigen Straßenfronten begonnen werden sollte,
kamen dem Bauherrn wohl Bedenken, ob der bisherige Architekt auch dieser Auf-
gabe gewachsen sei und seine Pläne den erforderlichen künstlerischen Wert be-
säßen. Die Folge dieser Überlegung war die Berufung des schon damals als Auto-
rität geltenden bedeutendsten Baumeisters des Deutschordens zur Abgabe seines
teils. Sollte sich dann — so denke ich mir den weiteren Gedankengang — als
Ergebnis des Neumannschen Gutachtens die Notwendigkeit einer Änderung der
Pläne herausstellen, so war diese umsoweniger schwer zu nehmen, als die beiden
Fronten, die des Hofes und die der Straße, nicht in räumlichem Zusammenhang
stehen, eine einheitliche Gesamtwirkung also doch nicht möglich war. Die Aus-
führung der Neumannschen Pläne bzw. Änderungsvorschläge hat wohl Roth weiter
übertragen bekommen und sich dabei allmählich ziemliche Selbständigkeit angeeignet,
wie es ja zu gehen pflegt, wenn ein Künstler, der selbst berechtigten Anspruch
auf einen Auftrag zu haben glaubt, dessen Ausführung nach den Plänen eines
andern zu übernehmen gezwungen wird. Ich glaube nämlich an gewissen Einzel-
heiten die Schrifts Roths erkannt zu haben, so an den mehrfach erwähnten Schild-
kapitalen der Chorpilaster, der Verkröpfung der Dachhelme über den Turmeckpilastern
(vgl. Ellinger Franziskanerkirche) und den Oberlichtbekleidungen der Hauptfenster
(Umrißzeichnung wie beim Gartensaal des Ellinger Schlosses).
Die beratende Mitwirkung Cuvillies am Äußern der Kirche, welche Klaiber an-
nimmt, kann nach dem vorhergehenden nicht von Bedeutung gewesen zu sein und
sich jedenfalls nicht auf den architektonischen Aufbau, sondern höchstens auf orna-
mentale Einzelheiten (z. B. das französisierende Detail jener Schildkapitäle) erstreckt
haben. Dagegen ist der Innenausbau, wenigstens in der Gesamtdisposition, zweifel-
los das Werk Cuvillies? Roth, der gleichfalls Pläne hiezu geliefert hatte, bekam
die Ausführung, jedoch wohl mit der bestimmten Weisung, die Pläne und Angaben
Cuvillies als maßgebende Unterlagen zu benützen. Aber in der Einzelbehandlung
hat sich Roth ihnen gegenüber noch mehr emanzipiert als bei der Ausführung der
Neumannschen Pläne für das Äußere. So kommt es, daß das Detail der inneren
Ornamentation dem deutschen Rokoko des Ellinger Baumeisters näher steht als
dem französischen Louis XVI. Cuvillies? Für eine, auch kompositionell, ganz selb-
ständige Arbeit Roths halte ich die vortrefflichen Stuckaturen der Sakristei und
namentlich der Gruft, Arbeiten aus einem Guß, voll natürlicher Empfindung und
frischer Durchführung.
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