Von den Forschungsergebnissen im engeren Sinn
ist vor allem die Errichtung der „Symbolumgruppe"
wichtig, welche aus der Zusammenstellung einer
Reihe von Einzelschnitten erstand, in denen Kri-
steller enge Stilverwandtschaft mit dem Blockbuch
symbolum apostolicum der Münchener Hof-
und Staatsbibliothek entdeckt hat. Während wir
da schon jetzt von einer positiven Bereicherung
unseres Forschungsstandes sprechen können, so
dürften von Kristeller selbst noch wichtige Er-
gänzungen zu erwarten sein, wenn er, wie er ver-
spricht, von dem Münchener Blockbuch eine Einzel-
studie herausbringen wird. Vielleicht wird sich
dann auch ein und das andere Blatt glücklicher
bezeichnen lassen, wie es jetzt geschieht mit: im
weiteren Sinne zur Symbolumgruppe gehörig.
Es wird wohl auch aus dieser „weiteren" Reihe
gestrichen werden müssen. So vermag ich in dem
„Schmerzensmann" Nr. 85 (Taf. XXXIX) gar keinen
Zusammenhang mit dieser Gruppe im weiteren
Sinne mehr zu sehen und halte ihn vielmehr mit
niederländischen Arbeiten verwandt. Das Christus-
kind Nr. 77 wird wohl auf ein Original der Sym-
bolumgruppe zurückgehen, scheint mir aber im
vorliegenden Schnitt eine spätere Replik darzu-
stellen. Die kurzen Schraffen bei den Hasen er-
innern an die Technik der niederrheinischen Ar-
beiten. Der glatte Werkstattcharakter deutet auf
eine routinierte Handwerkerhand, was von den
früheren Arbeiten aus dem Symbolumkreis sicher
nicht gesagt werden kann. Um wie viel frischer,
unmittelbarer wirkt daneben der Schnitt des Christus^
kindes Nr. 76.
Kristeller hat uns schon früher des öfteren sehr
wichtige Beobachtungen über den niederländi-
schen Frühschnitt mitgeteilt, und dieses in seiner
Bedeutung für die gesamte Produktion des 15. Jahr-
hunderts noch lange nicht voll gewürdigte Gebiet
wird jetzt durch eine Reihe neuer Ergebnisse er-
hellt. Teils werden niederländische Originale er-
kannt, teils bisher unbestimmte Werke als Nach-
schnitte niederländischer Vorbilder festgestellt.
Ich will versuchen auf Grund dieser jüngsten
Mitteilungen noch ein paar ergänzende Bemer-
kungen zu machen. Kristeller spricht gelegentlich
die Vermutung aus, daß der in Magdeburg be-
findliche Antonius-Christophorus-Holzschnitt, wel-
chen Hagelstange im Jahrbuch der kgl. preußischen
Kunstsammlungen 1908 veröffentlichte, auf ein
niederländisches Vorbild zurückgehe. Jeder Zweifel
hieran scheint mir zu schwinden, wenn man die
Kopftypen der Heiligen Christoph und Johannes
(Sehr. 1518; Berliner Band Nr. 161 Taf. LXXXI)
vergleicht, welche Kristeller richtig als niederlän-
disch erkannt hat; wenn man die Ähnlichkeit des
Christuskindes mit dem der berühmten nieder-
ländischen Madonna des Berliner Kabinetts (Sehr.
1108; Taf. LII) gesehen hat; wenn man die eben-
falls hier reichlich verwendeten langen Falten-
geraden mit den hakigen Endigungen beobachtet.
Wir können also im Magdeburger Christoph-An-
toniusschnitt zuverlässig die Replik eines nieder-
ländischen Vorbildes erkennen. Dasselbe dürfte
von dem im Schnitt ganz verwandten Blatt der
heiligen Margarete in Berlin (Nr. 165) zu sagen
sein. (Hierüber und über die verwandte Geiße-
lung Nr, 49 s. weiter unten!) Ähnlichkeiten mit
der Berliner Madonna sind noch reichlicher bei
einem Schnitt des Münchner Kabinetts vorhan-
den, wieder einer Doppeldarstellung und zwar
der Heiligen Stephan und Emerich (Sehr. 1418).
Die Engel, welche Stephans Krone tragen, sind
untrüglich die nächsten Verwandten der Engel auf
dem Berliner Madonnenschnitt; Typen (Gesicht,
Haare, Hände) und zeichnerische wie schneide-
technische Sonderheiten ergeben mit Sicherheit
den niederländischen Ursprung. Nur lassen ge-
wisse Härten in der Ausführung auch hier den
Schluß nicht zu, daß das niederländische Original
vor uns liegt, sondern auch hier haben wir es
mit einem Nachschnitt zu tun. Immerhin ist er uns
als eine weitere Bereicherung unserer Vorstellung
von der niederländischen Produktion willkommen.—
Mit dem Münchner Schnitt berührt sich eng der
„Gute Hirte" in der Breslauer Stadtbibliothek (Sehr.
838, Abb. VI. Taf. 20); es genügt einen Vergleich
der Gesicht-, Locken- und Handbildung und der
technischen Mittel zu empfehlen. Dieser Breslauer
Schnitt ist niederländische Originalarbeit. Er wurde
von Kristeller überzeugend bei der Festlegung der
oben erwähnten Heiligen „Johannes und Christoph"
in Berlin herangezogen. Beziehungen führen weiter
zum Magdeburger „Hieronymus". (Abb. bei Hagel-
stange), den ich mit Kristeller für ein feines nieder-
ländisches Originalwerk ansehe. Nimmt man noch
hinzu die prachtvolle „Maria mit dem Kind" im
Breslauer Diözesanmuseum, die Semrau ohne jeden
Versuch der Lokalisierung veröffentlicht hat (Jahrb.
d. schles. Mus. f. Kunstgewerbe... III,, 1904) und
die hervorragende niederländische Originalarbeit
ist; ferner die Madonna Sehr. 2913 in der Kgl.
Bibliothek zu Berlin, eine Replik niederländischen
Vorbildes — so schließt sich uns ein größerer
Kreis zusammen: durchgehends Einzelholzschnitte
niederländischer Erfindung aus der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts. Wenngleich diese unterein-
ander schon wieder gruppiert werden müssen, so
bieten sie doch eine Reihe bisher nicht in diesem
Monatshefte für Kunstwissenschaft, X. Jahrg. 1917, Heft 5
16 209
ist vor allem die Errichtung der „Symbolumgruppe"
wichtig, welche aus der Zusammenstellung einer
Reihe von Einzelschnitten erstand, in denen Kri-
steller enge Stilverwandtschaft mit dem Blockbuch
symbolum apostolicum der Münchener Hof-
und Staatsbibliothek entdeckt hat. Während wir
da schon jetzt von einer positiven Bereicherung
unseres Forschungsstandes sprechen können, so
dürften von Kristeller selbst noch wichtige Er-
gänzungen zu erwarten sein, wenn er, wie er ver-
spricht, von dem Münchener Blockbuch eine Einzel-
studie herausbringen wird. Vielleicht wird sich
dann auch ein und das andere Blatt glücklicher
bezeichnen lassen, wie es jetzt geschieht mit: im
weiteren Sinne zur Symbolumgruppe gehörig.
Es wird wohl auch aus dieser „weiteren" Reihe
gestrichen werden müssen. So vermag ich in dem
„Schmerzensmann" Nr. 85 (Taf. XXXIX) gar keinen
Zusammenhang mit dieser Gruppe im weiteren
Sinne mehr zu sehen und halte ihn vielmehr mit
niederländischen Arbeiten verwandt. Das Christus-
kind Nr. 77 wird wohl auf ein Original der Sym-
bolumgruppe zurückgehen, scheint mir aber im
vorliegenden Schnitt eine spätere Replik darzu-
stellen. Die kurzen Schraffen bei den Hasen er-
innern an die Technik der niederrheinischen Ar-
beiten. Der glatte Werkstattcharakter deutet auf
eine routinierte Handwerkerhand, was von den
früheren Arbeiten aus dem Symbolumkreis sicher
nicht gesagt werden kann. Um wie viel frischer,
unmittelbarer wirkt daneben der Schnitt des Christus^
kindes Nr. 76.
Kristeller hat uns schon früher des öfteren sehr
wichtige Beobachtungen über den niederländi-
schen Frühschnitt mitgeteilt, und dieses in seiner
Bedeutung für die gesamte Produktion des 15. Jahr-
hunderts noch lange nicht voll gewürdigte Gebiet
wird jetzt durch eine Reihe neuer Ergebnisse er-
hellt. Teils werden niederländische Originale er-
kannt, teils bisher unbestimmte Werke als Nach-
schnitte niederländischer Vorbilder festgestellt.
Ich will versuchen auf Grund dieser jüngsten
Mitteilungen noch ein paar ergänzende Bemer-
kungen zu machen. Kristeller spricht gelegentlich
die Vermutung aus, daß der in Magdeburg be-
findliche Antonius-Christophorus-Holzschnitt, wel-
chen Hagelstange im Jahrbuch der kgl. preußischen
Kunstsammlungen 1908 veröffentlichte, auf ein
niederländisches Vorbild zurückgehe. Jeder Zweifel
hieran scheint mir zu schwinden, wenn man die
Kopftypen der Heiligen Christoph und Johannes
(Sehr. 1518; Berliner Band Nr. 161 Taf. LXXXI)
vergleicht, welche Kristeller richtig als niederlän-
disch erkannt hat; wenn man die Ähnlichkeit des
Christuskindes mit dem der berühmten nieder-
ländischen Madonna des Berliner Kabinetts (Sehr.
1108; Taf. LII) gesehen hat; wenn man die eben-
falls hier reichlich verwendeten langen Falten-
geraden mit den hakigen Endigungen beobachtet.
Wir können also im Magdeburger Christoph-An-
toniusschnitt zuverlässig die Replik eines nieder-
ländischen Vorbildes erkennen. Dasselbe dürfte
von dem im Schnitt ganz verwandten Blatt der
heiligen Margarete in Berlin (Nr. 165) zu sagen
sein. (Hierüber und über die verwandte Geiße-
lung Nr, 49 s. weiter unten!) Ähnlichkeiten mit
der Berliner Madonna sind noch reichlicher bei
einem Schnitt des Münchner Kabinetts vorhan-
den, wieder einer Doppeldarstellung und zwar
der Heiligen Stephan und Emerich (Sehr. 1418).
Die Engel, welche Stephans Krone tragen, sind
untrüglich die nächsten Verwandten der Engel auf
dem Berliner Madonnenschnitt; Typen (Gesicht,
Haare, Hände) und zeichnerische wie schneide-
technische Sonderheiten ergeben mit Sicherheit
den niederländischen Ursprung. Nur lassen ge-
wisse Härten in der Ausführung auch hier den
Schluß nicht zu, daß das niederländische Original
vor uns liegt, sondern auch hier haben wir es
mit einem Nachschnitt zu tun. Immerhin ist er uns
als eine weitere Bereicherung unserer Vorstellung
von der niederländischen Produktion willkommen.—
Mit dem Münchner Schnitt berührt sich eng der
„Gute Hirte" in der Breslauer Stadtbibliothek (Sehr.
838, Abb. VI. Taf. 20); es genügt einen Vergleich
der Gesicht-, Locken- und Handbildung und der
technischen Mittel zu empfehlen. Dieser Breslauer
Schnitt ist niederländische Originalarbeit. Er wurde
von Kristeller überzeugend bei der Festlegung der
oben erwähnten Heiligen „Johannes und Christoph"
in Berlin herangezogen. Beziehungen führen weiter
zum Magdeburger „Hieronymus". (Abb. bei Hagel-
stange), den ich mit Kristeller für ein feines nieder-
ländisches Originalwerk ansehe. Nimmt man noch
hinzu die prachtvolle „Maria mit dem Kind" im
Breslauer Diözesanmuseum, die Semrau ohne jeden
Versuch der Lokalisierung veröffentlicht hat (Jahrb.
d. schles. Mus. f. Kunstgewerbe... III,, 1904) und
die hervorragende niederländische Originalarbeit
ist; ferner die Madonna Sehr. 2913 in der Kgl.
Bibliothek zu Berlin, eine Replik niederländischen
Vorbildes — so schließt sich uns ein größerer
Kreis zusammen: durchgehends Einzelholzschnitte
niederländischer Erfindung aus der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts. Wenngleich diese unterein-
ander schon wieder gruppiert werden müssen, so
bieten sie doch eine Reihe bisher nicht in diesem
Monatshefte für Kunstwissenschaft, X. Jahrg. 1917, Heft 5
16 209