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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0221

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dem wir jetzt einige hervorragende Zeugnisse
kennen, während Ludwigs Arbeiten als gleicher
Art, aber viel geringeren Grades erkennbar sind.1)
Den Zusammenhang des beinahe schraffenlosen
Schnittes der „Geißelung-Gruppe" mit der Gruppe
des „Schmerzensmannes" stellt, wie mir scheint,
noch besonders eine in zwei Fassungen erhaltene
Darstellung des heiligen Wendelin her. Kristeller
bringt überzeugend den St. Gallener Wendelin mit
der Peter-Gruppe zusammen und betont, daß er
nach dem älteren Holzschnitt (Sehr. 1732) im Ger-
manischen Museum (Essenwein Taf. 53) kopiert sei.
Dieser „ältere Holzschnitt" gehört nun offenbar
der früheren Ulmer Gruppe mit der klaren Kon-
turenzeichnung an, so daß hier direkt die Um-
bildung der lokalen Holzschnittübung an ein und
derselben Darstellung abgelesen werden kann. —
Die Peter-Gruppe wird sich bald noch vergrößern
lassen; es handelt sich augenscheinlich um eine
ausgedehntere Schulübung, wobei wieder minder-
wertige Zeugnisse neben reifen Proben der Gat-
tung stehen. So haben die beiden Ulmer Schnitte,
Nr. 86 (Sehr. 1838 II) und Nr. 172 (Sehr. 1699 II)
des Berliner Bandes trotz anderer Qualitäten eine
Reihe Schulgemeinsamkeiten mit dem großen
„Schmerzensmann", der eben an Ausdruckskraft
den Höhepunkt — soweit wir jetzt sehen — be-
deutet. Die Berliner Bestände selber bergen noch
ein kleines Werk, das sich, wie ich finde, völlig
überzeugend als Arbeit dieser Schule kennzeichnet:
„Die Feuerprobe des heiligen Franciscus" Nr. 148
(Sehr. 1240). Es bedarf wohl nur des Hinweises
auf die Augenbildung des Heiligen, die Boden-
linien und den charakteristischen Schriftduktus,
um dem etwas sorglos geschnittenen Blättchen
seinen Platz in der Ulmer Gruppe zu verschaffen.
Trotz immer weiteren Abrückens vom Haupttypus
mag man sich auch noch bei den Ulmer Schnitten
des Hanns Hauser „Tod im Fischrachen" (Sehr.
1894, Abb. bei Dodgson, Catalogue of..woodcuts
Bd. I) und Hans Schlaffer — Sebastiansmartyrium
in Dresden — in der Art der Schraffenverwendung
an die letztbesprochenen Schnitte des Peter-Kreises
erinnert fühlen. Es schließt sich hier eine lokale
Gruppe von „Briefmalern" zusammen, mit der
wir zuletzt wohl sehr ans Ende des Jahrhunderts
und bereits ganz stark ins Handwerkliche geraten
sind. — Hervorzuheben bleibt schließlich, daß bei
(1) Ob der nach niederländischem Vorbild gearbeitete Stephan-
Emerich-Holzschnitt in München — von dem oben ge-
sprochen wurde — auch, wie seine nächsten Verwandten,
in Ulm entstand, muß ich unentschieden lassen. Herr
Direktor Pallmann versagte mir die Nachprüfung des Blattes,
indem er das monatelang wegen Umzugs geschlossene Ka-
binett auch kürzesten und ernsthaften Besuchen nicht öffnen
zu können glaubt.

dieser Aufklärungsarbeit an der Holzschneider-
tätigkeit in Ulm kein neues Moment für die her-
vorragende Ulmer Holzschnittillustration ge-
wonnen worden ist, insofern wir keinen der Ar-
beiter an unseren Holzschnitten mit einem der
Ulmerlllustratoren zu identifizieren vermöchten. Nur
in einigen Passionsdarstellungen Peters treten ein
paar Köpfe auf, die sich unmittelbar an solche
des Hauptillustrators des „Seelenwurzgarten" —
der Zeichner ist auch an anderen Büchern tätig
gewesen — anschließen — sonst bleiben die Be-
ziehungen ganz minimal und nur sehr allgemein
faßbar. Durch die immerhin unzweideutigen Ähn-
lichkeiten zwischen Typen Peters und dem Seelen-
wurzgartenillustrator erhalten wir wenigstens eine
Stütze für die zeitliche Ansetzung des „Schmerzens-
mannes"; wir werden ihn in den Beginn der acht-
ziger Jahre zu rücken haben. Es trennt also un-
gefähr das Jahr 1480 die ältere Konturengruppe von
dem jüngeren, mit Schraffen und anderen nuan-
cierenden Mitteln arbeitenden Kreis, der gegen das
Jahrhundert-Ende im bedeutungslosen Handwerk-
lichen verflacht.
Während die Forschungen Kristellers zur nieder-
ländischen und zur Ulmer Frage zu etwas aus-
führlicheren Betrachtungen Anlaß boten, ist es
natürlich nicht möglich auf die vielen verstreuten
Einzelnotizen des Verfassers näher einzugehen.
Nur zu einigen wenigen Angaben möchte ich noch
kurz Stellung nehmen. Ich gebe der Kürze halber
bloß die laufende Nummer an:
45 und 51: Diese beiden Schnitte scheinen mir
starke Beziehungen zueinander zu haben. Formale
und technische Besonderheiten sind beiden gemein-
sam. (Die Abbildungen auf der Taf. XVI ermög-
lichen die Nachprüfung meines Vorschlages, ohne
daß ich Details gebe). Das ziemlich gleiche Format
möchte an zwei Szenen aus einer Folge denken
lassen. Für beide Werke könnten Kristellers inter-
essante Beobachtungen zu 51 gelten. Die Bestim-
mung von 45 dürfte abzulehnen sein. Zu 51 noch
eine Bemerkung: Um kein Mißverständnis hin-
sichtlich der Raumauffassung auf Schnitten dieser
Epoche aufkommen zu lassen, ist es gut daraufhin-
zuweisen, daß die undurchsichtige Grundfarbe einen
nach oben durch eine perspektivische Balkendecke
abgeschlossenen Innenraum verbirgt1). Die schwarze
silhouettierende Deckfarbe täuscht über die Ab-
sicht des Zeichners.
50: Diese „Geißelung" ist allerdings, wie Kri-
steller sagt, schwer unterzubringen. Ich neige dazu,
(1) Herr Direktor Friedländer gewährte in gütiger Weise die
Abtrennung des Blattes vom Karton, worauf der zugestri-
chene Teil des Schnittes festgestellt werden konnte.

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