hundert, dem die größere Hälfte seines Werkes
und wohl auch die größere Liebe gewidmet ist,
in fünf Zeitabschnitte zerlegt, von denen der erste
die tastenden Versuche des 14. Jahrhunderts in
Böhmen, am Niederrhein und in Niedersachsen in
der Richtung der italienischen Trecentomalerei
schildert, während der zweite die ersten Jahrzehnte
des 15Jahrhunderts, die wagemutigen Moser, Franke,
die Westfalen und mittelrheinischen Maler bis 1440
behandelt. Hier beginnt in Erfindung und Aus-
gestaltung die Orientierung der deutschen Malerei
nach dem Westen, insbesondere dem südfranzösisch-
burgundischen Kunstkreis.
Die „vierziger Jahre" des Jahrhunderts, die den
Inhalt des dritten Kapitels bilden, zeigen uns die
deutschen Tafelmaler an der Arbeit, die vom Westen
überkommenen Anregungen im Einzelnen technisch
weiter durchzubilden und zu verarbeiten: Multscher,
Witz, Conrad Laib, der Meister der Darmstädter
Passion, Stephan Lochner treten auf den Plan. Die
Beziehungen zum Flemaller, der immer mächtiger
neben Jan Eyck und Roger emporwächst, werden
in dankenswerter Weise erörtert. Das direkte
Schulverhältnis der Kölner, Schwaben, Franken
und Elsässer zu Dirk Bouts und seiner Werkstatt
bis zur deutlichen Scheidung einzelner Lokalschulen
bildet wieder einen neuen Abschnitt unter der Über-
schrift: Die Zeit nach der Jahrhundertmitte (S. 98 bis
129). „Die letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts,"
ihr Werkstattbetrieb, wie er sich aus der zünftle-
rischen Verfestigung des deutschen Malhandwerks
entwickelt, werden S. 130—188 an den Werken
Martin Schongauers, des Hausbuchmeisters, des
Bartholomäusmeisters und der späteren Kölner, —
die man z. T. wie den Severiner und Sippenmeister
lieber in das 16. Jahrhundert hinüber schieben
möchte — ferner Wohlgemuts, Pachers, Zeitbloms,
Strigels u. a. erläutert und mit Holbein d. ä., dem
Glaser bereits in seiner Doktorschrift eine Sonder-
darstellung gewidmet hat, abgeschlossen. Dann
setzt das x6. Jahrhundert, die Zeit der Reife, die
Zeit Dürers, Grünewalds, Altdorfers,Cranachs,Burgk-
mairs und Holbein d. J. ein, die der Verfasser in
einem fortlaufenden Zuge behandelt. (S. 189—309),
um in einem kurzen Schlußwort die Gründe anzu-
deuten, die ihn mit der Mitte des 16. Jahrhunderts
seine Darstellung enden ließen.
Es könnte nach den trefflichen allgemeinen Dar-
legungen, die Tietze in seiner Methode der Kunst-
wissenschaft (S. 177 ff.) über die chronologische
Einteilung der Kunstgeschichte gegeben hat, über-
flüssig erscheinen, Wert und Berechtigung solcher
Zeitbegrenzungen näher zu erörtern, zumal Glaser
fast in jedem Kapitel auf deren Willkür entschul-
digend hinweist. Aber wenn ein so trefflich vor-
gebildeter und kenntnisreicher Schilderer der Ent-
wicklung deutscher Malerei sich doch nicht der
architektonischen Gliederung seines Stoffs ganz
entschlagen mochte, wird immer wieder die Frage
rege, ob diese lediglich als dekorativ oder konstruktiv
zu gelten habe. Und das ist eine Frage, die zugleich
die Grundsätze kunstgeschichtlicher Auffassung be-
rührt, über die heute soviel gestritten wird. Glaser
möchte, soweit ich erkennen kann, eine Kunst-
geschichte an und für sich rein aus den Denkmälern
und den durch sie verkörperten formalen Entwick-
lungsstufen aufbauen. Daß so etwas möglich ist
hat er — wie andere auch — bewiesen. Ob aber
die Überzeugungskraft und Anschaulichkeit einer
für weitere Leserkreise bestimmten Darstellung
nicht gewonnen hätte, wenn er den von der jüngeren
Generation — meines Erachtens mit Unrecht —
ganz verpönten, kulturhistorischen Hintergrund
etwas ausführlicher behandelt hätte, muß dahin ge-
stellt bleiben. Schließlich ist Stilwandel nur eine
andere Ausdrucksform für Zeitwandel, und die psy-
chologische Verknüpfung des künstlerischen Schaf-
fensaktes mit den geistigen, wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen — ja gelegentlich auch den po-
litischen — Gegebenheiten der Zeit, die seit Schnaa-
ses Tagen auf eine neue, wesentlich breitere Grund-
lage gestellt ist, wird Vielen das Verständnis der
hier aufgerollten Probleme immer wieder erleich-
tern. Es sind keineswegs nur Begleitumstände,
die den kunstgeschichtlichen Vorgang erläutern
helfen, es sind vielmehr oft — und im weitesten
Ausmaß gilt dies grade von der deutschen Malerei
des XV. und XVI. Jahrhunderts — die Grund-
bedingungen für diese oder jene Gestaltungs-
weise, die wir außerhalb der von der Umwelt doch
nie völlig abgeschlossenen Künstlerwerkstatt zu
suchen haben. Der Wille des Auftraggebers, seine
Vorschriften, die Allgemeinbildung des Malers, die
zünftlerische Einschränkung seiner Freiheit, seine
Stellung in der gesellschaftlichen und geistigen Um-
gebung erklären so unendlichVieles seinerAusdrucks-
weise, daß man sie immer wieder zu berücksichtigen
gezwungen ist, will man die Eigenkraft seines
Schaffens richtig werten und damit zu dessen Ein-
gliederung in die große Welt des Geschehens
vorschreiten. — Aber auch eine rein beschreibende
Darstellung des Formwandels wird durch die —
wie Glaser zugibt — ebenfalls willkürliche Be-
schränkung auf ein technisches Sondergebiet, die
Tafelmalerei, Abbruch erleiden. Das Fortlassen
der Graphik insbesondere muß sich notwendiger-
weise als Mangel jeder Darstellung der zeichnenden
Künste des 15. und 16. Jahrhunderts fühlbar machen,
213
und wohl auch die größere Liebe gewidmet ist,
in fünf Zeitabschnitte zerlegt, von denen der erste
die tastenden Versuche des 14. Jahrhunderts in
Böhmen, am Niederrhein und in Niedersachsen in
der Richtung der italienischen Trecentomalerei
schildert, während der zweite die ersten Jahrzehnte
des 15Jahrhunderts, die wagemutigen Moser, Franke,
die Westfalen und mittelrheinischen Maler bis 1440
behandelt. Hier beginnt in Erfindung und Aus-
gestaltung die Orientierung der deutschen Malerei
nach dem Westen, insbesondere dem südfranzösisch-
burgundischen Kunstkreis.
Die „vierziger Jahre" des Jahrhunderts, die den
Inhalt des dritten Kapitels bilden, zeigen uns die
deutschen Tafelmaler an der Arbeit, die vom Westen
überkommenen Anregungen im Einzelnen technisch
weiter durchzubilden und zu verarbeiten: Multscher,
Witz, Conrad Laib, der Meister der Darmstädter
Passion, Stephan Lochner treten auf den Plan. Die
Beziehungen zum Flemaller, der immer mächtiger
neben Jan Eyck und Roger emporwächst, werden
in dankenswerter Weise erörtert. Das direkte
Schulverhältnis der Kölner, Schwaben, Franken
und Elsässer zu Dirk Bouts und seiner Werkstatt
bis zur deutlichen Scheidung einzelner Lokalschulen
bildet wieder einen neuen Abschnitt unter der Über-
schrift: Die Zeit nach der Jahrhundertmitte (S. 98 bis
129). „Die letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts,"
ihr Werkstattbetrieb, wie er sich aus der zünftle-
rischen Verfestigung des deutschen Malhandwerks
entwickelt, werden S. 130—188 an den Werken
Martin Schongauers, des Hausbuchmeisters, des
Bartholomäusmeisters und der späteren Kölner, —
die man z. T. wie den Severiner und Sippenmeister
lieber in das 16. Jahrhundert hinüber schieben
möchte — ferner Wohlgemuts, Pachers, Zeitbloms,
Strigels u. a. erläutert und mit Holbein d. ä., dem
Glaser bereits in seiner Doktorschrift eine Sonder-
darstellung gewidmet hat, abgeschlossen. Dann
setzt das x6. Jahrhundert, die Zeit der Reife, die
Zeit Dürers, Grünewalds, Altdorfers,Cranachs,Burgk-
mairs und Holbein d. J. ein, die der Verfasser in
einem fortlaufenden Zuge behandelt. (S. 189—309),
um in einem kurzen Schlußwort die Gründe anzu-
deuten, die ihn mit der Mitte des 16. Jahrhunderts
seine Darstellung enden ließen.
Es könnte nach den trefflichen allgemeinen Dar-
legungen, die Tietze in seiner Methode der Kunst-
wissenschaft (S. 177 ff.) über die chronologische
Einteilung der Kunstgeschichte gegeben hat, über-
flüssig erscheinen, Wert und Berechtigung solcher
Zeitbegrenzungen näher zu erörtern, zumal Glaser
fast in jedem Kapitel auf deren Willkür entschul-
digend hinweist. Aber wenn ein so trefflich vor-
gebildeter und kenntnisreicher Schilderer der Ent-
wicklung deutscher Malerei sich doch nicht der
architektonischen Gliederung seines Stoffs ganz
entschlagen mochte, wird immer wieder die Frage
rege, ob diese lediglich als dekorativ oder konstruktiv
zu gelten habe. Und das ist eine Frage, die zugleich
die Grundsätze kunstgeschichtlicher Auffassung be-
rührt, über die heute soviel gestritten wird. Glaser
möchte, soweit ich erkennen kann, eine Kunst-
geschichte an und für sich rein aus den Denkmälern
und den durch sie verkörperten formalen Entwick-
lungsstufen aufbauen. Daß so etwas möglich ist
hat er — wie andere auch — bewiesen. Ob aber
die Überzeugungskraft und Anschaulichkeit einer
für weitere Leserkreise bestimmten Darstellung
nicht gewonnen hätte, wenn er den von der jüngeren
Generation — meines Erachtens mit Unrecht —
ganz verpönten, kulturhistorischen Hintergrund
etwas ausführlicher behandelt hätte, muß dahin ge-
stellt bleiben. Schließlich ist Stilwandel nur eine
andere Ausdrucksform für Zeitwandel, und die psy-
chologische Verknüpfung des künstlerischen Schaf-
fensaktes mit den geistigen, wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen — ja gelegentlich auch den po-
litischen — Gegebenheiten der Zeit, die seit Schnaa-
ses Tagen auf eine neue, wesentlich breitere Grund-
lage gestellt ist, wird Vielen das Verständnis der
hier aufgerollten Probleme immer wieder erleich-
tern. Es sind keineswegs nur Begleitumstände,
die den kunstgeschichtlichen Vorgang erläutern
helfen, es sind vielmehr oft — und im weitesten
Ausmaß gilt dies grade von der deutschen Malerei
des XV. und XVI. Jahrhunderts — die Grund-
bedingungen für diese oder jene Gestaltungs-
weise, die wir außerhalb der von der Umwelt doch
nie völlig abgeschlossenen Künstlerwerkstatt zu
suchen haben. Der Wille des Auftraggebers, seine
Vorschriften, die Allgemeinbildung des Malers, die
zünftlerische Einschränkung seiner Freiheit, seine
Stellung in der gesellschaftlichen und geistigen Um-
gebung erklären so unendlichVieles seinerAusdrucks-
weise, daß man sie immer wieder zu berücksichtigen
gezwungen ist, will man die Eigenkraft seines
Schaffens richtig werten und damit zu dessen Ein-
gliederung in die große Welt des Geschehens
vorschreiten. — Aber auch eine rein beschreibende
Darstellung des Formwandels wird durch die —
wie Glaser zugibt — ebenfalls willkürliche Be-
schränkung auf ein technisches Sondergebiet, die
Tafelmalerei, Abbruch erleiden. Das Fortlassen
der Graphik insbesondere muß sich notwendiger-
weise als Mangel jeder Darstellung der zeichnenden
Künste des 15. und 16. Jahrhunderts fühlbar machen,
213