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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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West, Robert: Der Meister von Grossgmain
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0262

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Augen, die hellen, grünlichgrauen Schatten, mit denen der Kopf modelliert ist,
zeigen uns ganz deutlich einen fleißigen, etwas beschränkten aber doch klugen
und ehrlich forschenden Menschen. Den Kopf bedeckt eine schwarze eng an-
liegende Kappe, welche wesentlich dazu beiträgt, das Charakteristische des Typus,
die Schmalheit des Gesichtes und den knochigen Schädel zu betonen. Eine
lachsrote Kapuze, ein ins Bräunliche spielender, olivgrüner Mantel, ein lachs-
farbenes Kleid mit breitem weißem Saum, und schwarze Schuhe ergeben wieder
eine recht vornehme Farbenharmonie, in welche das hellila gebundene Buch
eine subtile Note bringt. Das feurige Lachsrot der Kapuze hebt sich gut von
dem pfaublauen Mantel der hinter dem jungen Gelehrten erscheinenden Maria
ab. Die koloristischen Absichten des Malers werden deutlich, wenn man die
Farbengebung an dieser Gestalt vergleicht mit der Zurückhaltung, die der Meister
sich in dieser Hinsicht bei der Gewandung des Jesusknaben auferlegt hat. Dessen
Figur wirkt auf ihrem steinernen Lehrstuhl zart und kühl wie eine Grisaille. Der
blonde Lockenkopf löst sich vom Goldgrund ab, das faltige Kleid hat einen zart-
rötlichen, ins Graue und Violette spielenden Ton, der sehr fein mit dem Stein
des Thrones zusammengestimmt ist und sich von diesem nur wenig abhebt. Hier
dominiert also der kluge Knabenkopf die ganze Gestalt, das Gewand ist als etwas
unwesentliches behandelt und mit dem Thron so zusammengestimmt, daß es
lediglich als Folie für den Kopf dient. Die Erscheinung des Gelehrten dagegen
ist durchaus abhängig vom Lachsrot der Kapuze, dem hellen Lila des Buches,
dem Schwarz der Kappe, dem Olivgrün des Mantels. Der Meister stellte in ihm
eine Persönlichkeit hin, welche im Irdischen wurzelnd sich nur vermöge ihres
Verstandes zum Überirdischen hinauf hebt. Der Knabe trägt sein Gewand leicht,
den Gelehrten müssen die Stoffmassen an seiner freien Bewegung hindern. Die
herabgefallene Kapuze muß, über den Kopf, dessen Form sie nachahmt, ge-
zogen, tief über die kleinen Augen herabsinken, Luft und Licht ausschließend.
Überall sonst im Bild finden wir lebhafte, helle Farben. Feuerrot, violett, weiß,
zitronengelb, karminrot leuchten und glühen überall hervor, kontrastiert durch
schwarzbraune, dunkelgrüne Farbflächen. Der Fußboden trägt dazu bei, die
koloristische Unruhe zu erhöhen, der Plattenbelag ist grauweiß, olivgrün, zitronen-
gelb Und bräunlich.
Das dritte Bild (Abb. 3), „Die Ausgießung des heiligen Geistes," zeigt den Maler
von einer ganz anderen Seite. Er ist hier recht eigentlich in seinem Element
und kann sein Talent in voller Ruhe entfalten. Die Architektur ist auf das ab-
solut Notwendige beschränkt, ein Fußboden mit etwas erhöhtem Podium für
den Sitz der Maria, eine niedrige, ganz indifferent gehaltene Brüstung als Ab-
schluß der Wand, darüber Goldgrund. Sehr gut geglückt ist dem Maler hier
die Tiefenperspektive. In diesem Bild, das keine Handlung, keine bewegte Szene
bot, sondern nur stille Beschaulichkeit darzustellen hatte, war dem Meister Ge-
legenheit gegeben, eine Reihe interessanter Porträtköpfe anzubringen und seine
Gestalten in symmetrisch ruhigen Gruppen zu ordnen, die an italienische Altar-
werke gemahnen. Die ganz en face gesehene Maria, die mit gefaltenen Händen
gerade dasitzend still vor sich hinblickt, erinnert sogar entschieden an venezia-
nische Madonnen. Im übrigen hat der Künstler aber seine deutsche Eigenart
bewahrt und einige markige Charakterköpfe hingesetzt, deren Derbheit die Würde
der Szene fast beeinträchtigt, so der verkniffene bartlose Bauernkopf rechts,
der als dritter in der Reihe auftaucht. Die Mutter Gottes bildet hier den Mittel-
punkt der Komposition mit ebensolcher Bestimmtheit, wie der Jesusknabe auf

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