dem Jüngling der zweiten Tafel Und dem in Weiß gekleideten jungen Gelehrten
des dritten Bildes.
Bei dem vierten Bild (Abb. 4), dem Tod der Maria, sind wieder die Porträt-
köpfe das Interessanteste. Der Gegenstand selbst ist etwas gleichgültig behandelt.
Die Darstellung leidenschaftlicher seelischer Erregung lag dem Maler so wenig
wie dramatisch bewegte Handlung. So zeigt sich auf den Gesichtern der Apostel
nur sanfte Trauer oder tiefer Ernst, nirgends sehen wir schmerzverzerrte Züge.
Die Gruppe ist als kompakte Masse in den freien Raum der linken Bildhälfte
hineingezwängt, das Gegengewicht hält ihr rechts das mächtige, längswegs ins
Zimmer hineingeschobene Bett. Ganz vorn links ist auf einem niedrigen Schemel
ein kleines Stilleben aufgebaut aus Zinngerät, zwei Äpfeln und einem Wasser-
glas. Unter dem Schemel stehen zwei schwarze Pantoffel. Auf solche Züge
ist wohl die Auffassung einiger Kunsthistoriker zurückzuführen, daß der Maler
von Großgmain einen besonderen Hang zur Detailmalerei gehabt hätte. Meines
Erachtens beweisen sie gerade das Gegenteil. Dieses Stilleben ist sauber und
ordentlich gemalt, aber ganz ohne jene Liebe zum Stofflichen, jenen Sinn für
den Stimmungswert der Gebrauchsgegenstände, jene Freude an der kleinen Form
und dem Blitzen und Schimmern der Metalle oder des Glases, die für den echten
Detailmaler charakteristisch sind. Der Meister von Großgmain hat einen aus-
gesprochenen: Hang, den Menschen als dominierenden Mittelpunkt jeder Kom-
position zu erfassen und in diesem Hang ist er von seiner Studienzeit in Italien
noch bestärkt worden. In seinen Bildern ist alles dem Menschen untergeordnet
und diesen Menschen versucht er, soweit sein Können reicht, in edler und schöner
Gestalt wiederzugeben. Weibliche Modelle mochte er wenige zur Verfügung
haben, die seinem Schönheitsideal entsprochen hätten, außerdem hinderte ihn
wohl auch die spießbürgerliche Auffassung des Weiblichen, welche in Deutschland
die achtbare Frau mit niedergeschlagenen Augen und ohne sinnlichen Reiz ab-
gebildet sehen wollte. Offenbar hielt er sich auch streng an die Natur und
machte nur das, was er sah. Seine Frauentypen sind der Lebenssphäre ent-
nommen, in der sich ein Salzburger Maler vom Ende des 15. Jahrhunderts be-
wegen durfte. Es sind züchtige, sittsame Bürgerfrauen, müde, ein bißchen ver-
härmt, ohne viel Eigenleben, von der eigenen Nichtigkeit überzeugt. Größere
Freiheit konnte sich der Maler in der Wahl seiner Männertypen gestatten. Hier
standen ihm eine Fülle charaktervoller Porträtköpfe zu Gebote, Und mit inniger
Freude stellte er eine Gruppe von Köpfen zusammen wie die der Apostel im
Tod Mariae (Abb. 5).
Die dünne in sich zusammensinkende Gestalt der Jungfrau hat etwas rührend
Klägliches. Hier ist nichts von der Himmelskönigin, der Gottesgebärerin, nur
ein armes, erlöschendes, freudloses Frauenleben. Ein Leben, das als einzigen
Halt nur die starken Arme des hinter ihr stehenden Jüngers kennt. Mit großem
Können ist die Schwäche der Sterbenden wiedergegeben. Das unbedeutende blasse
Gesicht der Maria steht in sprechendem Kontrast zu dem klugen und energischen
Kopf des Johannes. Sein Gesicht ist stark durchgearbeitet, die Züge sind scharf
markiert. Charakteristisch ist der volle, dichte Haarwuchs. Gerade die üppige
blonde Lockenfülle wirkt wie ein Ausdruck jugendlicher Kraft neben dem ganz
in einem weißen Tuch verhüllten Kopf der Sterbenden. Das Kleid des Johannes
ist feuerrot, der Mantel karminrot, so daß die ganze Gestalt wie in warme Glut
getaucht scheint. Unter den übrigen Köpfen ist der wertvollste wohl das bart-
lose Gesicht eines älteren Mannes mit großen klugen Augen und charaktervollem
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des dritten Bildes.
Bei dem vierten Bild (Abb. 4), dem Tod der Maria, sind wieder die Porträt-
köpfe das Interessanteste. Der Gegenstand selbst ist etwas gleichgültig behandelt.
Die Darstellung leidenschaftlicher seelischer Erregung lag dem Maler so wenig
wie dramatisch bewegte Handlung. So zeigt sich auf den Gesichtern der Apostel
nur sanfte Trauer oder tiefer Ernst, nirgends sehen wir schmerzverzerrte Züge.
Die Gruppe ist als kompakte Masse in den freien Raum der linken Bildhälfte
hineingezwängt, das Gegengewicht hält ihr rechts das mächtige, längswegs ins
Zimmer hineingeschobene Bett. Ganz vorn links ist auf einem niedrigen Schemel
ein kleines Stilleben aufgebaut aus Zinngerät, zwei Äpfeln und einem Wasser-
glas. Unter dem Schemel stehen zwei schwarze Pantoffel. Auf solche Züge
ist wohl die Auffassung einiger Kunsthistoriker zurückzuführen, daß der Maler
von Großgmain einen besonderen Hang zur Detailmalerei gehabt hätte. Meines
Erachtens beweisen sie gerade das Gegenteil. Dieses Stilleben ist sauber und
ordentlich gemalt, aber ganz ohne jene Liebe zum Stofflichen, jenen Sinn für
den Stimmungswert der Gebrauchsgegenstände, jene Freude an der kleinen Form
und dem Blitzen und Schimmern der Metalle oder des Glases, die für den echten
Detailmaler charakteristisch sind. Der Meister von Großgmain hat einen aus-
gesprochenen: Hang, den Menschen als dominierenden Mittelpunkt jeder Kom-
position zu erfassen und in diesem Hang ist er von seiner Studienzeit in Italien
noch bestärkt worden. In seinen Bildern ist alles dem Menschen untergeordnet
und diesen Menschen versucht er, soweit sein Können reicht, in edler und schöner
Gestalt wiederzugeben. Weibliche Modelle mochte er wenige zur Verfügung
haben, die seinem Schönheitsideal entsprochen hätten, außerdem hinderte ihn
wohl auch die spießbürgerliche Auffassung des Weiblichen, welche in Deutschland
die achtbare Frau mit niedergeschlagenen Augen und ohne sinnlichen Reiz ab-
gebildet sehen wollte. Offenbar hielt er sich auch streng an die Natur und
machte nur das, was er sah. Seine Frauentypen sind der Lebenssphäre ent-
nommen, in der sich ein Salzburger Maler vom Ende des 15. Jahrhunderts be-
wegen durfte. Es sind züchtige, sittsame Bürgerfrauen, müde, ein bißchen ver-
härmt, ohne viel Eigenleben, von der eigenen Nichtigkeit überzeugt. Größere
Freiheit konnte sich der Maler in der Wahl seiner Männertypen gestatten. Hier
standen ihm eine Fülle charaktervoller Porträtköpfe zu Gebote, Und mit inniger
Freude stellte er eine Gruppe von Köpfen zusammen wie die der Apostel im
Tod Mariae (Abb. 5).
Die dünne in sich zusammensinkende Gestalt der Jungfrau hat etwas rührend
Klägliches. Hier ist nichts von der Himmelskönigin, der Gottesgebärerin, nur
ein armes, erlöschendes, freudloses Frauenleben. Ein Leben, das als einzigen
Halt nur die starken Arme des hinter ihr stehenden Jüngers kennt. Mit großem
Können ist die Schwäche der Sterbenden wiedergegeben. Das unbedeutende blasse
Gesicht der Maria steht in sprechendem Kontrast zu dem klugen und energischen
Kopf des Johannes. Sein Gesicht ist stark durchgearbeitet, die Züge sind scharf
markiert. Charakteristisch ist der volle, dichte Haarwuchs. Gerade die üppige
blonde Lockenfülle wirkt wie ein Ausdruck jugendlicher Kraft neben dem ganz
in einem weißen Tuch verhüllten Kopf der Sterbenden. Das Kleid des Johannes
ist feuerrot, der Mantel karminrot, so daß die ganze Gestalt wie in warme Glut
getaucht scheint. Unter den übrigen Köpfen ist der wertvollste wohl das bart-
lose Gesicht eines älteren Mannes mit großen klugen Augen und charaktervollem
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