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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0272

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Rauchs Forschungen gewonnenen Ergebnissen
ließ sich mühelos die Stelle finden, an die diese
Madonna innerhalb der Entwicklung der Ton-
plastik gehört. Bleibt nur noch eine Hauptfrage,
die des Materials. Diese von Klingelschmitt nicht
berührte Frage scheint mir keineswegs neben-
sächlich. Die Statue trägt eine moderne Bronze-
kruste. Was darunter steckt, kann an ihrem
jetzigen Standort nicht erkannt werden. Der
Küster der Hallgartener Kirche versicherte mir
mit Bestimmtheit, das Material sei nicht Ton,
sondern eine unbekannte Masse. Es hätten auch
vor Jahren schon Untersuchungen darüber von
Fachleuten stattgefunden. Da sich gerade die
mittelrheinische Plastik im besondern durch ihren
Materialreichtum — - verschiedene Hölzer, Kalk-
stein, Sandstein, Alabaster, Ton — auszeichnet,
wäre es von Wert, wieder ein neues Material fest-
stellen zu können. Auch würde sich bei dieser
Gelegenheit eine Materialnachprüfung verwandter
Statuen empfehlen. Hoffentlich nimmt nun doch
einmal eines der mittelrheinischen Museen die
Sache in die Hand.
Das stilistische Verhältnis der Statue zur lokalen
Tonplastik bleibt durch die Aufrollung der Mate-
rialfrage unberührt. Die Hallgartener Maria stammt
von derselben Hand wie die aus dem nahen Eber-
bach herrührende „belle alsacienne" im Louvre,
die Dormersheimer Maria im Kaiser Friedrich-
Museum und die Heiligen Katharina und Barbara
in der Pfarrkirche zu Bingen. Sie erscheint in
enger Beziehung zu der Limburger Beweinung.
Klingelschmitts fragweiser Zuweisung des Wies-
badener Tonfragmentes einer sitzenden Maria

(Wiesbadener Altertumsmuseum) steht nichts im
Wege; ebenso wie der Zuweisung des Grabmals
der Anna von Dalberg (, 1410) in der Katharinen-
kirche zu Oppenheim. Letztere ist deshalb zu
begrüßen, weil sie den Blick über die Tonplastik
hinaus lenkt. Der Verfasser ist auf richtigem
Wege, wenn er den Meister der Statue auch in
der Steinplastik sucht und es nimmt wunder, daß
er darauf verzichtete, ihn auch hier gleich in die
Linie zu stellen, die Linie, die sehr klar von der
Rheingauer Maria im Darmstädter Museum über
die Madonna des Herrn Krug im Mainzer Museum,
die Madonna der Karmeliterstraße in Mainz und
die Madonna des Bürgermeisters Thewalt im Bonner
Provinzialmuseum heraufführt. Die bedeutendste
in dieser Reihe ist die schöne Bonner Kalkstein-
statue (um 1400), welche als die Mutter der Marien
der Limburger Beweinung und Lorcher Kreuz-
tragung, der Maria im Louvre und in Hallgarten
angesprochen werden muß. Ganz besonders steht
die Hallgartener in stärkster Abhängigkeit von
ihr, bzw. den ähnlichen Statuen in der Johannis-
kirche zu Thorn und im Germ. Nationalmuseum
zu Nürnberg. Bei der Nürnberger Maria findet
sich auch, ganz ähnlich wie bei der Hallgartener
und Louvrefigur, das Motiv des von der rechten
Schulter über die Brust herübergezogenen Kopf-
tuches und das Stehen auf dem liegenden Halb-
mondsgesicht. Die Bonner Statue entstand um
die Jahrhundertwende. Es wird sich empfehlen,
sie als Ausgangspunkt der mittelrheinischen Kunst
des 15. Jahrhunderts künftig näher ins Auge zu
fassen.
Mela Escherich.

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