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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Habicht, Victor Curt: Die Gobelins im Rittersaale des Domes zu Hildesheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0285

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DIE GOBELINS IM RITTERSAALE DES
DOMES ZU HILDESHEIM Von V. CURT HABICHT
Mit acht Abbildungen auf vier Tafeln ...........
Das an unbekannten und noch ungewürdigten Kunstschätzen reiche nieder-
sächsische Gebiet lädt den Forscher geradezu zur Bearbeitung und zur Hebung
der verborgenen Schätze heimischer Kunst ein. Aber damit nicht genug. Es gibt
hier auch Stätten, bei deren Betreten man plötzlich und unvermutet ausländische
Kunstwerke findet, die man da anzutreffen gar nicht erwarten konnte. Die Gobelins
im Rittersaale des Domes zu Hildesheim zählen zu diesen Arbeiten.
Die etwas dornröschenhafte Unzugänglichkeit des Rittersaales und nicht minder
die unzureichende Würdigung der Gobelins im Denkmäler - Inventar1) mögen die
Ursache sein, daß die bedeutenden Stücke seither so gut wie unbeachtet geblieben
sind. Dieses Versäumnis soll mit diesen Zeilen nachgeholt werden, besonders auch
deswegen, weil eine genauere Untersuchung einen nicht unwesentlichen Beitrag
für die Kenntnis der Geschichte der französischen Gobelinweberei liefern wird.
Wir können uns der prachtvollen Arbeiten umsomehr erfreuen, als sie nicht wie
so manche „Perlen" ausländischer Museen (vgl. Parthenonskulpturen usw.) auf
Grund mehr oder minder brutaler Gewalt, sondern auf rechtmäßigem Wege er-
worben worden sind. Über die Provenienz war mit Sicherheit zu ermitteln, daß
die Gobelins von dem wohlhabenden Hildesheimer Dompropste Friedrich Franz
Josef Freiherrn von Landsberg — vielleicht von dem Fürstbischof Josef Clemens2) —
erworben und dem Dome oder dem Kapitel (diese Frage ist noch ungeklärt) bei
seinem Tode im Jahre 1727 testamentarisch vermacht worden sind8).
Über Entstehungsort, Zeit und den künstlerischen Urheber geben die Gobelins
selbst eindeutige Antworten4). Die an verschiedenen Stellen vorkommenden Wirker-
marken lassen diese zuverlässige Bestimmung zu. Zunächst kann die Marke P und
eine Lilie keinen Zweifel über die Manufaktur aufkommen lassen. Es ist das
Zeichen, das in der Gobelinmanufaktur zu Paris im Anfang des 17. Jahrhunderts
verwendet worden ist5). Die Wirkersignatur: |° aufgelöst: Francois de la Planche6)
(oder ursprünglich: Frans van den Planken) läßt die Zuweisung an einen bestimm-
ten Künstler und auch eine genauere zeitliche Bestimmung zu.
Francois de la Planche aus Audenarde und Marc de Comans aus Brüssel er-
richteten 1601 in Paris eine Gobelinmanufaktur. 1607 erhielten beide Privilegien
für 15; 1625 auf weitere acht Jahre. 1629 scheint Fr. de la Planche gestorben
zu sein. Die Teppiche müssen demnach aus der Zeit 1601—29 stammen. Die fol-
gende Untersuchung wird eine noch genauere Zeitbestimmung ermöglichen.

(1) Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. Ad. Zeller: Stadt Hildesheim. Hannover 1911, S. I26ff.

(2) Im domkapitularischen Protokolle vom 6. Oktober 1726 bis 26. August 1727 steht: „8 Tapeten von
Ludovico Pio, so zu Bonn gekauft." Der Hildesheimer Fürstbischof und Kurfürst von Köln Joseph
Clemens, der von 1702—15 in Frankreich und Flandern gelebt hat, bekundete eine ausgesprochene
Vorliebe für Gobelins und gründete auch in Poppelsdorf / Bonn eine Manufaktur.

(3) Testament im kgl. Staatsarchiv Hannover. Domkapitular-Protokoll.

(4) Die in allen Punkten unzutreffende Beschreibung der Kunstdenkmäler braucht nicht besonders
widerlegt zu werden.

(5) Oft genug als solche bezeichnet; vgl. u. a.: L'Inventaire general des Richesses d'Art de la France.
Paris 1913, S. 28ff.

(6) Ebenso oft genug beschrieben und faksimiliert; vgl. L'Inventaire a. a. O. S. goff.

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