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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Künster, Gertrud: Beiträge zur Kenntnis des Sebaldusgrabes
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0326

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Daß Vertreter der Vischerschen Gießhütte nach Italien gekommen sind, steht
fest; daß Hermann Vischer 1515 über die Alpen gezogen ist, ist urkundlich zu
belegen1). Zu untersuchen bleibt, ob auch schon vorher Vertreter der Gießhütte
nach dem Süden kamen, insbesondere ob Peter Vischer der Ältere diesen Weg ge-
funden hat — er, den wir für den bedeutendsten Vertreter der Gießhütte zu halten
haben, und den wir noch dazu aus den Sockelplatteninschriften2) des Sebaldus-
grabes als den Hersteller dieses reichgeschmückten untersten Teiles des Werkes
kennen. Seine Persönlichkeit und sein Entwicklungsgang werden im nachfolgen-
den allein zu prüfen sein. Um uns vor Verwechslung dessen, was er schuf, mit
den Leistungen späterer Glieder seiner Familie und Hütte zu bewahren, wollen
wir bei unserer Analyse uns ausschließlich mit den Teilen des signierten Sockels
beschäftigen. Auf die Frage, ob wirklich alle Teile dieser reichgegliederten Sockel-
platte zeitlich zusammengehören und mit gleichem Rechte für unsere Betrachtungen
herangezogen werden dürfen, werden wir im zweiten Abschnitt einzugehen haben.
Als Überträger der Renaissancemotive kommen in Betracht: Die Ornamentstiche,
Nielli, Buchillustrationen, Stiche italienischer Meister, Stiche und Zeichnungen deut-
scher Meister, die Italien besucht haben, und Erzeugnisse der Kleinkunst, die der
lebhafte Handel nach dem Norden gebracht haben könnte. Versuchen wir im fol-
genden, diesen verschiedenen Möglichkeiten einer Beeinflussung nachzugehen.
Der deutsche Ornamentstich zeigt in den Jahren von 1500 bis 1520 eine
große Lücke; es ist die Zeit, in der erst allmählich die Stecher mit dem Einfluß
der Renaissance sich abzufinden beginnen; bis 1500 etwa findet man unter ihnen
nur Nachahmer des Spielkartenmeisters, des Meisters E. S., des Bandrollenmeisters
und anderer; die ersten, die im 16. Jahrhundert den Ornamentstich wieder auf-
nehmen und ihn beleben, sind die Vertreter der Familie Hopfer in Augsburg; sie
versuchen Renaissancemotive zu verwenden. Die Modellbücher, die im 16.Jahrhundert
eine große Rolle spielen, werden erst in dem zweiten Jahrzehnt zusammengestellt.
Von den italienischen Ornamentstechern kommen etwa folgende für die
Beurteilung des Sebaldusproblems in Betracht: Der Mantuaner Zoan Andrea, Nico-
letto da Modena und Girolamo Mocetto. Von Zoan Andrea gibt es eine Reihe
von Pilasterfüllungen. Es ist bekannt, daß eine von ihnen für die Dekoration der
inneren Tür des rechten Querschiffes in Como verwendet wurde. Soweit ich die
Blätter prüfen konnte, vermochte ich unmittelbare Anlehnung an sie bei Peter
Vischer nicht nachzuweisen. Brinckmann3) möchte den Einfluß auf Deutschland
seitens dieses Meisters erst in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts ein-
setzen lassen.
Von Nicoletto da Modena sind eine Reihe von Blättern bekannt, die Grotesken
und Kandelaber darstellen, Pflanzenmotive vermissen lassen. Die deutsche Früh-
renaissance entbehrt Blattranken selten; die Blätter des N. da Modena wurden in
Deutschland durch die Kopien des Lambert Hopfer bekannt: in der Wanddekoration
der Fuggerkapelle zu Augsburg kehren deutlich erkennbare Motive nach ihnen

(1) H. Weizsäcker, Zwei Entwürfe zum Nürnberger Sebaldusgrab. Jahrb. der Kgl. Preuß. Kunst-
samml. 1891. 12. p. 50.

(2) Die Sockelplatte trägt zwei Inschriften, die mit der Platte gegossen sind. „Ein Anfang durch
mich Peter Vischer 1508" auf der östlichen Hälfte, „Gemacht von Peter Vischer 1509" auf der west-
lichen Hälfte; außerdem ist nach Fertigstellung des Grabmals 1519 eine Inschrift am äußeren Rande
der Platte eingeritzt worden, welche über die Mitarbeit der Söhne berichtet.

(3) A. Brinckmann, Die praktische Bedeutung der Ornamentstiche für die deutsche Frührenaissance.
Straßburg (Stud. z. dtsch. Kunstgesch. 90.Heft) 1907.

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