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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Künster, Gertrud: Beiträge zur Kenntnis des Sebaldusgrabes
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0329

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Die Idee, die dem Figurenkomplex des Sebaldusgrabes zugrunde liegt, mag viel-
leicht noch als Sprößling der mit mittelalterlichen Traditionen verquickten, litera-
risch überlieferten Gedankenwelt des humanistischen Zeitalters vorstellbar sein;
die Formensprache aber, in der Vischer jene Ideen vorträgt, kann er schwerlich
aus den vom klassischen Süden beeinflußten Büchern gelernt haben.
Was die Stiche italienischer Meister betrifft, die als Vorbilder für Peter
Vischer in Betracht kommen könnten, möchte ich hervorheben, daß gerade zu jener
Zeit die deutschen Stiche in Italien angesehener und begehrter waren als die ita-
lienischer in Deutschland (Schongauer und E. S. wurden viel kopiert)1). Das
macht von vornherein eine Beeinflussung Vischers von dieser Seite her wenig
wahrscheinlich. Vischers Meergötter erinnern inhaltlich zwar stark an ähnliche
Darstellungen Mantegnas (B. 17 und 18), sind aber formal unabhängig von ihm.
Stärker ist die Abhängigkeit beim Fuggergitter, bei dem eine unmittelbare An-
lehnung an Mantegnas Stiche erkennbar ist.
Weiterhin wäre der Einfluß zu prüfen, den deutsche Künstler, die als Italien-
fahrer Kunde vom Süden nach Nürnberg brachten, auf Vischer gehabt haben
könnten.
Am stärksten ist von jeher Jacob Walch (Jacopo dei Barbari) als Bringer ita-
lienischer Motive von vielen Gelehrten herangezogen worden. 1504 treffen wir
ihn in Verbindung mit Vischer2); aus Urkunden weist Gurlitt nach, daß Barbari
für Visierung zum Torgauer Grabmal 10 Gulden erhielt; die Grabplatten sind in
Vischers Stil gehalten. Nach Justi kann sich die Beteiligung Barbaris an der Her-
stellung der Werkzeichnung nur auf untergeordnete Einzelheiten bezogen haben.
Für spätere Werke der Gießhütte hat man offenbar mit besserer Begründung auf
Barbaris Einfluß hingewiesen (Apollo des Hans Vischer).
Mehr als von Barbari läßt sich von der Persönlichkeit Dürers erwarten. Dürer
als Träger der italienischen Renaissanceideen bringt die typische italienische Form
in einer oft peinlich berührenden Verquickung mit deutscher Gestaltungsweise.
Gerade hierin liegt ein tiefgreifender Gegensatz zwischen ihm und Vischer, dessen
Formensprache von gotischen Reminiszenzen sich viel unabhängiger erweist, so
daß sie dem Charakter des antiken Vorbildes merklich näher kommt. Man er-
innere sich z. B. der von Scherer8) eingehend behandelten sieben apokalyptischen
Leuchter Dürers und der in ihnen verarbeiteten gotischen und antikisierenden
Motive und vergleiche mit ihnen die Kandelabersäulen Vischers mit ihrem Strengen
Renaissancecharakter. Vischers Verhältnis zur Renaissanceformenwelt unterscheidet
sich so wesentlich von Dürers „italienischem Stil", daß auch der Beeinflussung
Vischers durch Dürer keine große Bedeutung beigemessen werden darf.
Um noch mit ein paar Worten auf die Erzeugnisse der Kleinkunst (Bronzen,
Plaketten usw.) einzugehen, möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß Peter
Vischer sicher einige Werke von Riccio, dem Paduaner Plastiker, gekannt hat,
z. B. erinnern die TritonendarStellungen und musizierenden Fabelwesen Vischers
an die Gestalten, mit welchen Riccio seine Tintenfässer und Lampen schmückt.

(1) Lehrs. M. Ital. Kopien nach deutschen Kupferstechern des 15. Jahrh. Jahrbuch der kgl. preuß.
Kunstsamml. 12, p. 125 und die Eingabe venezianischer Kaufleute 1441 und 1474 in Josef Hellers
Gesch. der Holzschneidekunst. Bamberg 1823.

(2) Justi, a. a. O., 1901, p. 48.

(3) Scherer, V., Die Ornamentik bei Albrecht Dürer. Stud. z. deutschen Kunstgesch., 38. Heft. Straß-

burg 1902, p. I5ff.

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