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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Künster, Gertrud: Beiträge zur Kenntnis des Sebaldusgrabes
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0332

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zuwendet; Sebald Schreyer, selbst humanistisch gebildet, gibt also Peter Vischer
dem Jüngeren mit dem geschäftlichen Auftrag die Gelegenheit, die Kunst Italiens
kennen zu lernen. Seeger stützt seine Annahme weiterhin damit, daß der Misch-
stil des Sebaldusgrabes die altertümliche Art des Vaters zugleich mit dem neuen
Stil des eben aus Oberitalien heimgekehrten Sohnes verbunden zeige. Gegen eine
solche Auffassung spricht ebensosehr der einheitliche Eindruck, den das Werk als
Ganzes macht, wie auch die Persönlichkeit des Sohnes, dem — seinen authen-
tischen Werken nach zu schließen — keine maßgebende und beherrschende Be-
teiligung am Sebaldusgrab zuzutrauen ist. Das Dokument, welches Seeger auf
Peter Vischer den Jüngeren bezieht, sagt nichts aus, welcher Peter Vischer nach
Italien im Interesse der Schedelschen Chronik ging. Es könnte ebensogut Peter
Vischer der Ältere wie irgendein unbekannter Peter Vischer sein. In Muthers
„deutsche Buchillustration"1) fand ich z. B. einen Peter Vischer aus Nürnberg er-
wähnt, der 1487 das Nürnberger Heiligtumsbüchlein herausgibt, das 1493 in zweiter
Aufläge erscheint. Könnte das Dokument sich nicht auf diesen mit buchhändle-
rischen Geschäften wohlerfahrenen Mann beziehen oder, wenn nicht auf diesen, so
vielleicht auf einen dritten oder vierten Träger dieses weitverbreiteten Namens?
(In Ulm'2) gibt es zur selben Zeit verschiedene Vertreter einer Familie Vischer.)
Für unsere weiteren Betrachtungen wird der Umstand, daß die Sockelplatte des
Grabmals datiert ist, die Grundlage abgeben müssen. Die Inschriften der beiden
Sockelhälften besagen, daß Peter Vischer 1508 die Arbeit begonnen") und 1509
die zweite Hälfte bereits „gemacht", wohl modelliert, wenn nicht auch bereits ge-
gossen hat.
Die Frage ist nun die, ob das vom Meister selbst angegebene Jahr auch für die
italienische Reise einen terminus ante quem bedeutet, oder ob eine spätere Datie-
rung der Reise mit den Forderungen dessen, Was die Gußtechnik lehrt, vereinbar
ist. Mit andern Worten: Ist mit der Vischerschen Inschrift nur die Sockelplatte
datiert oder gleichzeitig auch der ganze Reichtum ihrer verschiedenartigen plasti-
schen Zutaten, deren stilistische Qualitäten uns vorhin zu der Annahme einer ita-
lienischen Reise ihres Verfertigers nötigten? Ist es vorstellbar, daß Platte und
Beiwerk als ein Stück gegossen, also naturnotwendig zu derselben Zeit aus der
Gießhütte hervorgegangen sind, oder muß der Möglichkeit Rechnung getragen
werden, daß erst die Sockelplatte gegossen, später die einzelnen Stücke des plasti-
schen Beiwerks hergestellt und durch irgendein Verfahren mit der Sockelplatte
vereinigt wurden? Es ist klar, daß im letzteren Falle die von Vischer genannten
Jahreszahlen weder für die Herstellung der einzelnen Zieratstücke, noch für die
Zeit, auf welche die hypothetische Reise anzusetzen wäre, etwas Bindendes behielte.
Die Frage nach der Herstellung des Sebaldussockels, die Frage vor allem, ob
ein so außerordentlich großes und ungeheuer kompliziertes Werk aus einem Stück
gegossen werden konnte, ist außerordentlich schwer zu beantworten. Nachdem
mich die mündlichen Äußerungen hervorragender Kenner der Technik überzeugt
haben, wie sehr selbst bei den berufensten Beurteilern die Meinung über Möglich-
keit oder Wahrscheinlichkeit in diesem Punkte auseinander gehen, muß ich fürchten,
daß eine endgültige Beantwortung der Frage ohne eine tiefgreifende Untersuchung
des Werkes selbst — durch Gußtechniker und Chemiker — nicht zu geben sein

(1) Muther, Rich., Die deutsche Buchillustration 1884. I, p. 61.

(2) Weyermann, Nachrichten von Gelehrten und Künstlern aus Ulm. 1829.

(3) Vgl. die oben angeführten Inschriften.

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