Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

DOI article:
Künster, Gertrud: Beiträge zur Kenntnis des Sebaldusgrabes
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0333

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
wird. Diese Schwierigkeiten finden auch in der bereits vorliegenden Literatur
ihren Ausdruck; die Meinung über die in der Hütte geübten Techniken ist bei den
verschiedenen Autoren keineswegs die gleiche.
Weizsäcker1) und auch L. Justi2) sind beide der festen Überzeugung, daß der
Fuß des Gehäuses mit allen darauf befindlichen ornamentalen und figürlichen Teilen
(mit Ausnahme der Prudentia und Temperentia) aus zwei Teilen besteht; daß man
also die Grenzen der in einem Guß hergestellten Teile des Grabmals an den noch
heute deutlich sichtbaren, nicht verlöteten Fugen erkennen kann. Seeger3) geht
auf die Technik des Werkes nicht ein; aber er stellt die Frage auf, ob der Fuß
bereits 1508 oder 1509 seinen reichen plastischen Schmuck erhalten hat. Weit
eingehender hat sich v. Stegmann4) mit der Technik des Grabmals beschäftigt;
er gibt außer Mitteilungen über die chemische Zusammensetzung der Bronze
des Grabmals genaue Beschreibungen über die Stärke des Metalls und die Über-
arbeitung mit Feile, Meißel usw.; er bemißt die Größe der einzelnen Gußstücke
von einer Fuge zur anderen, die nicht verlötet sind; er sagt aber dabei leider
nicht, ob er den Sockel des Gehäuses mit oder ohne den ornamentalen, figürlichen
Schmuck meint.
Die Stücke, aus welchen das Grabmal seinerzeit in der Kirche zusammengestellt
worden ist, sind ohne weiteres zu erkennen: die Fugen zwischen benachbarten
Stücken sind leicht genug zu finden. Sind aber auch da, wo heute Architektur
und Figuren fugenlos miteinander sich verbinden, nicht vielleicht die Grenzen und
Kontaktflächen ehemals isolierter Gußstücke zu vermuten? Die Putten sitzen und
schaukeln oft in so kühnen Stellungen auf den Guirlanden, ruhen oft nur mit einer
so knappen Berührungsfläche auf diesen, daß man nach landläufigen Begriffen es
als höchst unrationell bezeichnen möchte, wenn der Meister Figuren u-d Unterlage
aus einem Stück gegossen haben sollte. Zuverlässige Anhaltspunkte dafür, daß
Vischer die Figuren separat gegossen und dann durch irgendein Verfahren fugenlos
mit ihrer Unterlage verbunden hätte, sind andrerseits nicht zu finden. Wohl sieht
man bei vielen Figuren zwischen ihrem Körper und der Unterlage unsauber hin-
geworfene Erzmassen, von welchen dahingestellt bleiben muß, ob sie einer flüch-
tigen Bearbeitung des Wachsmodells entsprechen und die Form von Wachsmassen
wiederholen, die der Meister zu entfernen nicht der Mühe für wert gehalten hat —
oder ob in ihnen die Überbleibsel und Spuren eines Lötprozesses zu sehen sind.
Das einzige Sichere, was ich über die Zusammengehörigkeit des plastischen
Schmuckes und der signierten Sockelplatte beibringen kann, ergab sich aus einer
Untersuchung der Plattenunterseite. Setzt man den Fall, daß die Platte ohne
alles Beiwerk in den von den Inschriften genannten Jahren separat hergestellt und
dann erst — vielleicht erst erheblich später — mit dem ganzen Beiwerk aus-
gestattet worden wäre, so wäre anzunehmen, daß auf ihrer Unterseite sich eine
ungefähr ebene Fläche zeigt; das ist aber keineswegs der Fall. Der komplizierten
Architektur, die wir auf der Oberseite der Platte bewundern, entspricht vielmehr im
groben die Bewegung der Oberfläche auf der dem Boden zugewandten Unterseite,
so daß die mit Reliefs geschmückten Kandelabersockel und die Pfeilerbündel bis zu
% ihrer Sockelhöhe hohl sind. Jede Plattenhälfte hat ungefähr die Gestalt eines
Hufeisens; auf dem inneren Rande ruht das Sargpostament auf, dessen Innenraum
(1) Weizsäcker, a. a. O., 1891, p. 54.
(2) Justi, a. a. O., 1901, p. 42.
(3) Seeger, a. a. O., 1897, p. 73 ff.
(4) v. Stegmann, Bronzestudien, Kunst und Gewerbe, 1884. 18. 233 ff.

323
 
Annotationen