mäler der Väter gelegt und ohne Zögern alles das zu zerstören sich angeschickt, was
früheren Geschlechtern heilig gewesen war.
Welch eine wunderbare Stadt muß Frankreichs Hauptstadt gewesen sein, ehe
sie durch die Revolution ihres glänzendsten Schmuckes beraubt wurde! Schon
Saintfoix nannte die französische Sprache die Weltsprache und Paris die Haupt-
stadt der Nationen4). Und ein Fremder, der im Jahre 1783 auf dem Platze Lud-
wigs XV. stand, der die Tuilerien, den Admiralitätspalast, das Palais Bourbon mit
einem Blick umfaßte, und, wenn er sich umwandte, die Elysäischen Felder vor
sich ausgebreitet sah, rief voller Entzücken aus: „Dies ist die Stadt der Götter!"
Aber gleich sah er erschrocken das Volk rings herum in Lumpen einhergehen und
las die Spuren des Hungers in bleichen Gesichtern. Und vergebens suchte er in
seinem Sinn die fürchterlichen Gegensätze zu vereinigen5).
Ja, die stolzesten Paläste und die herrlichsten Denkmäler sah damals das dar-
bende Volk auf den Plätzen und in den Gärten von Paris. Mochte sich Rom
noch immer im Glanze seiner Vergangenheit sonnen, in Paris schien damals alles
vereint zu sein, was die neuere Kunst Großes zu leisten vermocht hatte. Und
war nicht alle diese Pracht die Schöpfung eben jener Könige, die auf den Plätzen
und Brücken auf hohen Rossen in herrischer Gestalt noch immer stolz und gnädig
zugleich auf das bunte Treiben ihrer schönen Stadt herabschauten, und die draußen
in Saint-Denis in prächtigen Mausoleen in Erz und Marmor aufgebahrt auch im
Tode noch gemeines Menschenlos zu überwinden gewußt hatten?
Heinrich IV. auf dem Pont-Neuf.
Niemals ist ein Standbild volkstümlicher gewesen wie die Reiterstatue Heinrichs IV.
auf der Neuen Brücke, von allen Brücken, die je gebaut wurden, „die edelste, die
größte, die leichteste, die längste." Tafel 50. Zwar hieß dies Reiterbild im Volksmund
einfach „le cheval de bronce, als ob der gute, liebenswürdige Heinrich gar nicht
daraufsäße"6). Aber die Bettler baten hier mit unfehlbarem Erfolg um ein Almosen
„pour l'amour de Henri IV"7), die alten Weiber, die zu den Füßen der Statue
Zitronen und Orangen verkauften, nannten sich stolz „dames de la place d'HenrilV"8),
und jedes Jahr am Tag des heiligen Heinrich versammelte sich hier das Volk mit
Blumensträußen und feierte durch einen improvisierten Ball den Namen des ritter-
lichen Königs9). Man könnte ein ganzes Vademecum mit rührenden Geschichten
über dies Denkmal schreiben, behauptete Mercier in seinen Tableaux de Paris, und
Duval berichtet als Augenzeuge10), daß das Volk von Paris noch am 25. August 1788
die ganze Brücke festlich beleuchtete und von jedem, der vorüberging, verlangte,
den Liebling des Landes feierlich zu grüßen.
Die Entstehungsgeschichte der Reiterstatue Heinrichs IV. wird von mehr oder
weniger zuverlässigen Quellen nicht immer übereinstimmend erzählt11). Sie soll
bereits im Jahre 1604 — sechs Jahre vor dem gewaltsamen Tode des Königs —
von Giovanni Bologna — damals achtzigjährig — in Florenz begonnen worden
sein. Als Bologna vier Jahre später starb, erhielt sein Schüler Pietro Tacca den
Auftrag, das Reiterbild zu vollenden. Nur die vier Sklaven, die zum Schmuck des
Postaments bestimmt waren, wurden von einem anderen Schüler Bolognas, Fran-
cavilla, ausgeführt. Am 30. April 1613 endlich soll der eherne Reiter seine aben-
teuerliche Reise begonnen haben. Er wurde in Livorno eingeschifft, aber das
Schiff strandete an der Küste von Sardinien, und Roß und Reiter sanken in die
Meerestiefe. Fast ein Jahr dauerten die mühevollen Arbeiten, den Schatz zu heben.
Endlich im Mai oder Juni 1614 langte das Denkmal in Paris an, wo es mit
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früheren Geschlechtern heilig gewesen war.
Welch eine wunderbare Stadt muß Frankreichs Hauptstadt gewesen sein, ehe
sie durch die Revolution ihres glänzendsten Schmuckes beraubt wurde! Schon
Saintfoix nannte die französische Sprache die Weltsprache und Paris die Haupt-
stadt der Nationen4). Und ein Fremder, der im Jahre 1783 auf dem Platze Lud-
wigs XV. stand, der die Tuilerien, den Admiralitätspalast, das Palais Bourbon mit
einem Blick umfaßte, und, wenn er sich umwandte, die Elysäischen Felder vor
sich ausgebreitet sah, rief voller Entzücken aus: „Dies ist die Stadt der Götter!"
Aber gleich sah er erschrocken das Volk rings herum in Lumpen einhergehen und
las die Spuren des Hungers in bleichen Gesichtern. Und vergebens suchte er in
seinem Sinn die fürchterlichen Gegensätze zu vereinigen5).
Ja, die stolzesten Paläste und die herrlichsten Denkmäler sah damals das dar-
bende Volk auf den Plätzen und in den Gärten von Paris. Mochte sich Rom
noch immer im Glanze seiner Vergangenheit sonnen, in Paris schien damals alles
vereint zu sein, was die neuere Kunst Großes zu leisten vermocht hatte. Und
war nicht alle diese Pracht die Schöpfung eben jener Könige, die auf den Plätzen
und Brücken auf hohen Rossen in herrischer Gestalt noch immer stolz und gnädig
zugleich auf das bunte Treiben ihrer schönen Stadt herabschauten, und die draußen
in Saint-Denis in prächtigen Mausoleen in Erz und Marmor aufgebahrt auch im
Tode noch gemeines Menschenlos zu überwinden gewußt hatten?
Heinrich IV. auf dem Pont-Neuf.
Niemals ist ein Standbild volkstümlicher gewesen wie die Reiterstatue Heinrichs IV.
auf der Neuen Brücke, von allen Brücken, die je gebaut wurden, „die edelste, die
größte, die leichteste, die längste." Tafel 50. Zwar hieß dies Reiterbild im Volksmund
einfach „le cheval de bronce, als ob der gute, liebenswürdige Heinrich gar nicht
daraufsäße"6). Aber die Bettler baten hier mit unfehlbarem Erfolg um ein Almosen
„pour l'amour de Henri IV"7), die alten Weiber, die zu den Füßen der Statue
Zitronen und Orangen verkauften, nannten sich stolz „dames de la place d'HenrilV"8),
und jedes Jahr am Tag des heiligen Heinrich versammelte sich hier das Volk mit
Blumensträußen und feierte durch einen improvisierten Ball den Namen des ritter-
lichen Königs9). Man könnte ein ganzes Vademecum mit rührenden Geschichten
über dies Denkmal schreiben, behauptete Mercier in seinen Tableaux de Paris, und
Duval berichtet als Augenzeuge10), daß das Volk von Paris noch am 25. August 1788
die ganze Brücke festlich beleuchtete und von jedem, der vorüberging, verlangte,
den Liebling des Landes feierlich zu grüßen.
Die Entstehungsgeschichte der Reiterstatue Heinrichs IV. wird von mehr oder
weniger zuverlässigen Quellen nicht immer übereinstimmend erzählt11). Sie soll
bereits im Jahre 1604 — sechs Jahre vor dem gewaltsamen Tode des Königs —
von Giovanni Bologna — damals achtzigjährig — in Florenz begonnen worden
sein. Als Bologna vier Jahre später starb, erhielt sein Schüler Pietro Tacca den
Auftrag, das Reiterbild zu vollenden. Nur die vier Sklaven, die zum Schmuck des
Postaments bestimmt waren, wurden von einem anderen Schüler Bolognas, Fran-
cavilla, ausgeführt. Am 30. April 1613 endlich soll der eherne Reiter seine aben-
teuerliche Reise begonnen haben. Er wurde in Livorno eingeschifft, aber das
Schiff strandete an der Küste von Sardinien, und Roß und Reiter sanken in die
Meerestiefe. Fast ein Jahr dauerten die mühevollen Arbeiten, den Schatz zu heben.
Endlich im Mai oder Juni 1614 langte das Denkmal in Paris an, wo es mit
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