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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Steinmann, Ernst: Die Zerstörung der Königsdenkmäler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0349

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größter Spannung erwartet wurde. Der Brief, mit dem Heinrichs IV. Witwe,
Maria de' Medici, dem Künstler eigenhändig für sein Werk dankte, ist vom io. Ok-
tober datiert. Sie hatte die Statue von ihrem Vetter Cosimo II. „en tres digne
present" — und das war es wahrhaftig — verehrt bekommen. Aber durch poli-
tische Wirren mit ihrem Sohn Ludwig XIII. nach Poitiers berufen, war sie erst
im September nach Paris zurückgekehrt und hatte der feierlichen Enthüllung des
Denkmals am 23. August 1614 nicht beiwohnen können12).
Es sollten noch Jahrzehnte vergehen, ehe das Denkmal mit seinem mächtigen,
direkt aus der Seine emporsteigenden Unterbau, mit seinen fünf Reliefs und den
reichen Bronzegittern vollendet war. Niemand anderes als Richelieu nahm im
Jahre 1635 diese Ehre für sich in Anspruch.
Unzureichende Stiche und Holzschnitte und kurze Beschreibungen vermitteln uns
heute allein eine Vorstellung von diesem ersten Königs-Reiterdenkmal, das Paris
in seinen Mauern sah13). Nicht einmal eine Nachbildung in Ton oder Bronze scheint
sich erhalten zu haben. Aber wir besitzen wenigstens noch die Verse, die ein
junger Dichter, Theophile, improvisierte, als er in Gegenwart Heinrichs IV. die
Bronzestatuette im Louvre sah14):
Petit cheval, joli cheval,
Doux au monter, doux au descendre,
Bien plus petit que Bucephal,
Tu portes plus grand qu'Alexandre 15).
Brice behauptete kühnlich, in ganz Europa wäre keine Statue schöner aufgestellt,
als Heinrich IV. auf dem Pont-Neuf1"). Sauval widmete dem „cheval de bronce"
ein besonderes Kapitel, in dem er mit feiner Kritik die Vorzüge und Fehler der
Statue und ihrer Aufstellung auseinandersetzte17). Mochten über die Darstellung
des Pferdes die Meinungen auseinander gehen, in der Beurteilung des Reiters hörte
man nur eine Stimme. Die Haltung des Königs erschien den Kennern ritterlich
und natürlich zugleich, wie sich in seiner Gestalt Anmut und Stärke verbanden.
Majestätisch und milde, wie er sich im Leben gezeigt hatte, erschien er auch in
seinem Erzbilde, und dabei war das Gesicht so lebendig und so ähnlich zugleich,
daß man sagte, das Leben dieses Fürsten werde so lange dauern wie dies Denkmal,
und seine Statue würde sein Andenken lebendiger erhalten, als alle seine Bauten
und alle die Bücher, die über ihn geschrieben worden seien.
Kein Wunder, daß die Sanskulotten sich scheuten, ihre frevelhaften Hände an
dieses Denkmal zu legen. Auch Mercier berichtet, daß man zögerte18). Voltaires
Henriade hatte das Bild des Königs in der Erinnerung seines Volkes befestigt19),
man hatte die Statue noch im Jahre 1790 mit der Nationalkokarde geschmückt
und große Feste der Verbrüderung zu ihren Füßen gefeiert. Aber — so raunten
verführerische Stimmen dem Volk ins Ohr — war er nicht der Ahnherr des „mein-
eidigen" Königs? Hatte denn nicht Ravaillac Heinrich IV. ermordet, weil seine
Schwester von ihm verführt worden war? -°)
Am Sonntag, den 12. August in den Mittagsstunden, warf das Volk von Paris
die Statue des angebeteten Königs zu Boden. Im Fallen brach das Denkmal in vier
Stücke. Die Bronze, so berichtet ein Augenzeuge, war kaum einen halben Zoll
dick und das Innere war mit Ton ausgefüllt 21).
„Gestern," so schrieb fünf Tage später ein Unbekannter an die Redaktion des
Moniteur, „gestern sah ich im Vorübergehen einen Menschen wie angewurzelt auf
dem Platze stehen, wo sich die Statue Heinrichs IV. erhoben hatte. Er schien in

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