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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Steinmann, Ernst: Die Zerstörung der Königsdenkmäler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0350

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tiefes Nachdenken versunken. Einen Augenblick blieb ich neben ihm stehen, ohne
zu sprechen; nach zwei oder drei Minuten aber redete ich ihn an:
„Glauben Sie, mein Herr, daß dies die Statue des tapferen und guten Heinrich
ist, die man hier umgestürzt hat?"
„Jawohl," antwortete der Mann, „seht Ihr es denn nicht?"
„Nein," erwiderte ich ihm, „dies ist nicht Heinrich IV., den ich da am Boden
sehe. Es ist Ludwig XVII."
Erstaunten Blickes sah der Mann mich an, und sein Gesicht schien weniger
traurig zu sein, als ich meinen Weg fortsetzte" 22).
Genoß die Reiterstatue auf dem Pont-Neuf eine abgöttische Verehrung, wie sie
früher oder später niemals ein Volk dem Bilde eines Königs dargebracht hat, so
galt das bronzene Reiterrelief, das sich auf einem Hintergründe von schwarzem
Marmor über dem Hauptportal des Pariser Rathauses erhob, für das ähnlichste
Monumentalporträt Heinrichs IV.28) Es galt auch für das Meisterstück von Pierre
Biard dem Älteren, und es war in demselben Jahre begonnen worden wie Bolognas
Reiterbild in Florenz. Alle Bewunderung, die Verständige und Unverständige
diesem Denkmal zollten, hat sein Schicksal nicht aufzuhalten vermocht24). Bereits
im Jahre 1652 wurde das Relief bei dem Aufstand der Fronde so arg beschädigt,
daß es von Biard dem Sohn sehr unvollkommen wieder hergestellt und ergänzt
werden mußte. Am 13. August 1792 wurde es wie die Reiterstatue des Pont-
Neuf zerstört. Wir können das Zeugnis eines Reisenden anrufen, der zufällig vor-
überging als das Relief zerstört wurde.
„Das Volk war mehrere Tage hintereinander beschäftigt," schreibt der Engländer
Twiss, „alle Statuen und Büsten von Königen und Königinnen, die man nur finden
konnte, niederzureißen. Am Montag sah ich eine solche marmorne oder steinerne
Bildsäule in Lebensgröße von dem Gipfel des Stadthauses auf den Platz de Greve
hinabwerfen, wodurch zwey Menschen zerschmettert wurden. So sagte man mir; ich
hatte nicht Lust, in Person die Wahrheit zu untersuchen, sondern entfernte mich."
Im Jahre 1836 ersetzte eine Kopie von Lemaire das verschwundene Original25).
Denn die Pariser schämten sich später selbst der Greuel, die sie angerichtet hatten
und suchten die Spuren davon nach Kräften zu verwischen.
Die beiden großen öffentlichen Denkmäler Heinrichs IV. in Paris sind zugrunde
gegangen, aber trotzdem ist dieses Königs Bild noch heute jedem Franzosen ver-
traut. Nicht nur in Stichen und Bronzen, in Wachsbüsten, Medaillen und Ge-
mälden hat es sich erhalten26). Wie durch ein Wunder wurde auch die große
Rubensgalerie im Luxembourg, die Heinrichs IV. und der Maria de' Medici Leben
und Tod verherrlichen sollte, gerettet. Sie wurde nur verstümmelt, aber nicht
zerstört. Dann aber gelang es Alexander Lenoir, zwei Statuen Heinrichs IV. vor
der Wut der Bilderstürmer im Musee des monuments fran^ais zu bergen27). Und
endlich blieb in Fontainebleau, wo so vieles zugrunde ging, das Reiterrelief des
Königs von Mathieu Jacquets berühmtem Kamin wie eine vergessene Reliquie
zurück und wird noch heute dort bewahrt ~s).
Das Reiterdenkmal Ludwigs XIII. auf der Place Royale.
Der Glanz des größten Künstlernamens ruhte einst mit seinen letzten Strahlen aut
dem Reiterbild Ludwigs XIII. auf der Place Royale. Tafel 51. Die wundersamsten
Schicksale und Wandlungen hatten um dieses Denkmal einen Glorienschein gewoben,
der größte Aufwand von Kraft und Vermögen hatte gemacht werden müssen, um

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